Wladimir Putin: "Sakraler Körper" und Synonym für Russland

Nach 18 Jahren wurde der russische Präsident für weitere sechs wiedergewählt

Wladimir Putin, der die Geschicke des Landes seit 18 Jahren leitet, "ist zum Synonym des russischen Staats geworden", erklärt Alexander Baunow vom Moskauer Carnegie-Center. Und er wird sie weitere sechs Jahre leiten. Mit 76,7 Prozent der Stimmen wurde er klar wiedergewählt.

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Moskau - Wladimir Putin: "Sakraler Körper" und Synonym für Russland

Der 65-Jährige werde als "sakraler Körper" wahrgenommen, die Opposition dagegen als eine Gefahr für den Staat, so Baunow. Ähnlich sieht es die Russland-Expertin Anna Schor-Tschudnowskaja. Putin sei für die meisten Russen eine "mystische Figur". Doch gleichzeitig mit der hohen Zustimmung für den Präsidenten gebe es angesichts von weitverbreiteter Korruption und Armut eine hohe Ablehnung der konkreten Arbeit der Regierung und Behörden.

"Stabilitätsanker in einer chaotischen Welt"

Laut Stefan Meister, Leiter des Robert-Bosch-Zentrums der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, inszeniert sich Putin "als Stabilitätsanker in einer chaotischen Welt", sowie "als Führungsfigur", schrieb Meister in einem Gastkommentar in der "Neuen Zürcher Zeitung". Putins Kampagne, wonach er gegen innere und äußere Feinde kämpfe, schüre die Ängste der alternden Gesellschaft.

Gift-Affäre passt gut ins Drehbuch

Dass nun gerade vor dem Urnengang die Gift-Affäre ausgebrochen ist, passt da gut ins Drehbuch. Die gegen Moskau gerichteten Vorwürfe rund um den Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal wies der Kreml brüsk zurück. "Jeder Verweis oder eine Erwähnung unseres Präsidenten in diesem Zusammenhang ist nichts anderes als eine schockierende und unverzeihliche Verletzung der diplomatischen Anstandsregeln", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.

Mit Geheimdiensten kennt sich der am 7. Oktober 1952 in einer armen Arbeiterfamilie in Leningrad (dem heutigen St. Petersburg) geborene Putin jedenfalls gut aus. Putin war seit 1975 beim sowjetischen Geheimdienst. Zwischen 1985 und 1989 war er für den KGB in der DDR stationiert. In dieser Zeit kam Putin Gerüchten zufolge auch immer wieder nach Österreich: zum Skifahren.

Immer wieder Wien-Besuche

Nach seiner Rückkehr nach St. Petersburg war er von 1991 bis 1996 als rechte Hand des damaligen Bürgermeisters Anatoli Sobtschak für Außenhandel und -beziehungen zuständig. Nach russischen Medienberichten dürfte er seinen Chef Sobtschak auch wiederholt bei Dienstreisen nach Wien begleitet haben. 1998 wurde Putin Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, dem Nachfolger des KGB und Ministerpräsident unter Boris Jelzin. Als dieser sein Amt wegen schwerer Krankheit abgab, rückte der damals 47-jährige Putin nach. Im Jahr 2000 wurde er offiziell zum Präsidenten gewählt und vier Jahre darauf im Amt bestätigt.

Als Präsident kam der Deutsch sprechende Putin auch öfter privat nach Österreich. 2001 und 2002 nahm er nach Angaben seines Biografen Roj Medwedew Unterricht bei der Wintersportlegende Karl Schranz. 2001 reiste er offiziell zur Skiweltmeisterschaft nach St. Anton. Bilder, die Altbundeskanzler Wolfgang Schüssel und den russischen Präsidenten beim gemeinsamen Skifahren zeigen, gingen damals um die Welt.

Ein herzliches Verhältnis pflegte Putin aber auch zum mittlerweile verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Klestil, der den wegen des Tschetschenien-Kriegs und Demokratieverständnisses umstrittenen Putin als "richtigen Mann zur richtigen Zeit" bezeichnet hatte, bekam vom russischen Staatschef ein besonderes Geschenk. Putin schenkte dem Ehepaar Klestil zwei Welpen seiner geliebten Labrador-Hündin Konni.

Aber auch nach der Ära Klestil wurden freundschaftliche Begegnungen fortgesetzt. Wiederholt kam es zu Treffen zwischen Putin und Altbundespräsident Heinz Fischer. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel durch Russland im Frühjahr 2014 war Österreich der erste EU-Staat, den Putin offiziell besuchte. Mittlerweile hat der russische Präsident Kontakte zum österreichischen Bundeskanzler geknüpft: Nach seinem Treffen mit Putin berichtete Sebastian Kurz über seinen besonders freundlichen Empfang durch den Kreml-Herrn, der mit seinem Gast unüblich lange 45 Minuten unter vier Augen Deutsch gesprochen hatte. Kurz sei für Moskau der "ideale Brückenbauer", kommentierte daraufhin die "Welt": "Der Kreml kann den Besuch von Kurz immerhin als einen Vorboten des erhofften Tauwetters mit der EU darstellen."

"Gute Diktatur" in Österreich

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ermöglichte es dem russischen Präsidenten 2014, angesichts seiner mehrmaligen Wiederwahl zum WKÖ-Präsidenten über eine "gute Diktatur" in Österreich zu scherzen. Als Leitl erwähnte, dass die Ukraine im Jahr 1914 ein Teil Österreichs war, fragte Putin lächelnd: "Was wollen Sie mir damit sagen?" Die betreffenden Passagen wurden genüsslich im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt, RT machte daraus sogar einen Jingle.

Verschlechterte Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage hatte sich in Russland nach 2012 nach Angaben von Experten sehr verschlechtert. Massenhafte Anti-Putin-Proteste wie rund um die Wahl 2012 gab es deswegen diesmal nicht. "Die Gefahr, dass man von einer Demonstration nicht mehr nach Hause kommt oder eine Geldstrafe kriegt, ist stark gestiegen", sagt Menschenrechtsexpertin Schor-Tschudnowskaja.

Dass sich die Menschenrechtssituation in Russland bald ändert, glaubt Schor-Tschudnowskaja nicht. Auch nicht, nachdem Putin in seiner Rede an die Nation Anfang März selbst angekündigt hatte, die Demokratie und politischen Institutionen in Russland stärken zu wollen. "So lange ich Putin kenne, sagt er das. Es sind wirklich fast buchstäblich dieselben Sätze seit 18 Jahren", berichtet die Soziologin von der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien. Putins Reden hätten nichts mit seinem Handeln zu tun. "Um die Reformen, die notwendig sind, in die Wege zu leiten, muss man zunächst seine Reformen rückgängig machen: dass er das macht, kann ich mir nicht vorstellen." Putin sei nie in der Lage gewesen, auch nur einen einzelnen Fehler oder Irrtum einzugestehen.

Von seiner Frau Ljudmila, mit der er zwei Töchter hat, trennte sich Putin. Ansonsten ist über sein Privatleben wenig bekannt. In der Öffentlichkeit gibt er sich gern sportlich: Bilder zeigten ihn bei einem Gleitschirm-Flug mit Kranichen oder beim Fischen mit nacktem Oberkörper. Seine Leidenschaft gilt dem Kampfsport, im Judo hat er einen Schwarzen Gürtel.

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