"Aber ich hab ihn doch geliebt..."

Gymnasiast tötete seinen besten Freund - Jetzt wurde ihm "Geheim-Prozess" gemacht

von Mord an Schulkollege - "Aber ich hab ihn doch geliebt..." © Bild: NEWS/Marcus Deak

Hält mit zittrigen Händen einen Aktenordner vor das Gesicht. Blitzlichtgewitter, ein paar Sekunden lang. Dann werden die Reporter des Gerichtssaals verwiesen. Die Verhandlung gegen Ivan D. soll unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Was wird der Schüler nun zu Protokoll geben? Wird er endlich über die Motive für das scheinbar Unverständliche – sein Verbrechen an Sebastian D., 16 – sprechen?

Eine Wahnsinnstat.
Täter und Opfer: Als unzertrennlich, als beste Freunde hatten die beiden – in ihrem Charakter völlig unterschiedlichen – Gymnasiasten gegolten, lange Zeit hindurch. Ivan D.: introvertiert, kontaktscheu, problembeladen. Jeder im näheren Umfeld des 17-Jährigen wusste, dass er an schweren Depressionen litt, sich in psychologischer Betreuung befand, starke Medikamente einnehmen musste. Sebastian D.: ein „Mädchenschwarm“. Lustig, lebensfroh, warmherzig. Bereit, sich der Sorgen anderer anzunehmen. Verständnis aufzubringen für so vieles und zu helfen.

Und ja, der Schüler ist auch (wieder einmal) da gewesen für Ivan, als dieser ihn am 20. November 2011, um 18.34 Uhr, per Handy kontaktierte und mit verzweifelter Stimme um einen kurzen Besuch bat.
Wenige Minuten nach Sebastians Ankunft in der Wohnung am Stadtrand von Braunau muss es, so rekonstruierte später die Kripo, zum Angriff gekommen sein. Zwei Schläge mit einem Hammer gegen den Kopf des 16-Jährigen, 20- bis 30-mal, erläutert Gerichtsmedizinerin Edith Tutsch-Bauer im Prozess, der Bub sei außerdem „wahllos“ mit einem Messer attackiert worden. Stiche in den Oberkörper, in den Bauch, die Beine, die Arme.

Als sein Freund dann reglos am Wohnzimmerboden lag, durchtrennte Ivan mit dem Todeswerkzeug beinahe alle Sehnen seiner linken Hand, schlitzte sich den Bauch auf, bis die Gedärme herausquollen. Und rief bei der Notrufzentrale an: „Ich bin verletzt, irre verletzt; ich glaube, ich sterbe.“ Der Gymnasiast wurde gerettet; in Polizeiverhören behauptete er in der Folge immerzu standhaft, sich nicht an die Tragödie zu erinnern; nicht verstehen zu können, wie er „zu solch Entsetzlichem“ fähig gewesen war. Monate hindurch gab er also vor, „ein fremder Teil“ in ihm habe das Delikt an Sebastian begangen.

Das Geständnis.
Bis zum Prozess. Bei dem Ivan plötzlich zu gestehen und über die Hintergründe seines grauenhaften Tuns zu reden beginnt.
Schon von Kindheit an, berichtet der Bursch, hätten ihn Suizidfantasien gequält, „die schwächer geworden sind, nachdem Sebastian sich vor zwei Jahren mit mir angefreundet hatte. Weil er es so wunderbar zuwege brachte, mich aufzubauen, mich glücklicher zu machen.“
Und bei einem gemeinsamen Japan-Urlaub im vergangenen Sommer sei es eben „passiert“: Ivan verliebte sich in seinen Klassenkameraden. Den er fortan „ganz besitzen“ wollte. Vorwürfe, wenn Sebastian sich mit anderen Kumpels traf. Eifersuchtsszenen, wenn er mit Mädchen ausging.

Die Reaktion des 16-Jährigen: „Er verhielt sich mir gegenüber laufend ablehnender“, so Ivan, „ich spürte, dass er meine Gefühle nicht erwiderte.“ Verlustängste, Selbstmordgedanken, ein „öffentliches Outing“ in einer Unterrichtspause im Gymnasium von Braunau, vor einer Lehrerin und mehreren Mitschülern. Und irgendwann im Frühherbst der Beschluss, „Sebastian und mich umzubringen“.

Folgen: das Suchen im Internet nach Tötungsmethoden; das Entwerfen eines Tatplans. „Eigentlich“, erklärt Ivan, „hatte ich vor, meinen Freund mit einem Hammer bewusstlos zu schlagen und mit einem Seil zu erdrosseln und mich danach an meiner Klimmstange aufzuhängen.“

„Und ich schliff das Messer.“
Aber schlussendlich sei „halt doch einiges anders verlaufen: Nachdem ich wusste, dass meine Eltern nicht in unserer Wohnung sein würden, am Abend des 20. November, rief ich Sebastian an und bat ihn um eine Chance für eine Aussprache.“ Die ihm der Freund erwartungsgemäß nicht verwehrte. „Und als ich auf ihn wartete, begann ich, in der Küche ein Messer zu schleifen.“

Über den genauen Hergang seines Verbrechens gibt der Bursch weiterhin kaum Auskunft: „Weil ich dazu tatsächlich Gedächtnislücken habe.“ Ist Ivan D. reuig? „Das, was ich getan habe“, beteuert er vor Gericht, „ist fürchterlich; und ich fasse ja selbst bis heute nicht, dass ich fähig war, den Menschen, der doch alles für mich war, umzubringen.“
Der Psychiater Ernst Griebnitz, der den Gymnasiasten im Auftrag der Justiz untersucht hat, attestiert Ivan D. eine „seelische Abartigkeit höheren Grades“. Neun Jahre Haft, plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher – so das (nicht rechtskräftige) Urteil. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Franz Essl, der Anwalt des Buben, haben dagegen berufen.

„In dem Verfahren wurde zu wenig auf die Krankengeschichte meines Klienten eingegangen“, so der Verteidiger, „zudem ist bislang verabsäumt worden, ihn von einem Jugendpsychiater untersuchen zu lassen und ihn diversen wichtigen Tests zu unterziehen.“
Und Ivan? Was sagt er? „Ich sehne mich nur noch nach dem Tod.“

Kommentare

S/A/R melden

Das der Typ... ...jahrelang auf "offener" Strasse so herumlaufen durfte...unglaublich. Es liegt wohl auch versagen der Ärzte wo er in Behandlung war!!!!! Das muss man doch vorher schon sehen müssen!!!!

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Re: Das der Typ... S/A/R, warum suchst du hier einen Schuldigen? Kein Arzt der Welt kann das "heilen". ... und sehen kann man es auch nicht, oder denkst du gleich bei jedem bescheuerten, den du siehst dass der mit nem Messer wen umbringt und sich dann selbst aufschlitzt?

Ignaz-Kutschnberger
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Cool... Also zuerst mal Kompliment an den Autor/ die Autorin dieses Artikels, welcher einen fesselnd bis zur letzten Sekunde in seinen Bann zieht. Wüsste man nicht, dass es sich um ein wahres Verbrechen handelt, würde man fragen...Und wann bitte erscheint die Fortsetzung. So aber frage ich mich, ist es möglich, dass Medizinprofessoren dem Delinquenten die Schädeldecke öffnen dürfen um mal einen Blick auf dessen krankes Gehirn werfen zu können... leider steckt unsere Hirnforschung ja noch in den Kinderschuhen und anhand dieses Individuums könnte man möglicherweise klären, welcher Teil des Gehirn bei seiner Geburt zu wenig Sauerstoff bekam...

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Re: Cool... stimmt, jetzt wo du es sagst - ist eigentlich nicht schlecht geschrieben. Und ohne Rechtschreibfehler, was auch eher die Seltenheit ist. Der sagt ja auch selbst, er ist krank und will sterben - das finde ich z.B.: weniger krank als ein Breivik, der noch immer glaubt, für das was er getan hat, hat er einen Orden verdient.

Wien_1190 melden

Re: Cool... sind da etwa ein paar Mengeles unter uns? ;)

.... seinen kopf aufschneiden und forschen... menschenrechte ftw ;) - die menschenrechte schützen solche individuen... und kaum sagt man mal etwas dergleichen (kopf aufmachen etc.) wird man als Nazi alter Schule abgetan.... ich würd mit solchen Aussagen bissl aufpassen - auch wenn ich es ähnlich sehe ;)

Ignaz-Kutschnberger
Ignaz-Kutschnberger melden

@wien1190 ne leider...gehöre nicht einer NS-Partei an *grins... der Küssel und Konsorten ist dann doch vom Intellek her eher nicht mein hohes geistiges Niveau ;-)
...freut mich dass es zumindest Leute gibt, die den Sachverhalt da ähnlich nüchtern sehen wie ich... und zum obig erwähnten Fall Breivik möchte ich nur sagen... in Afrika verhunger täglich mehrere Kinder, durch Kriegsrelikte kommt es in ehemaligen Kriegsgebieten noch immer zu tödlichen Unfällen... für mich unerklärbar warum man bei dem so ein Theater inszeniert...wenn der Typ auch so lange überlegt hätte, wie er abgedrückt hat, gebe es vermutlich nicht mal 3 Todesopfer...
Und ach ja...ich möchte noch erwähnen, dass die Redaktion news.at eh viele meiner Beiträge zensuriert...sonst würde ich das jetzt noch direkter auf den Punkt bringen...

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