Mord in den Alpen

Hans Werner Henzes "Elegie für junge Liebende" grandios inszeniert

Keith Warner inszeniert Henzes Drama über einen egomanen Dichter, der zum Mörder wird, als fulminantes Psychodrama. Dirigent Marc Albrecht zeigt mit den Wiener Symphonikern, Stärke und Ausdruckskraft der Partitur. Das exzellente Ensemble, mit Größen wie Angelika Kirchschlager, Laura Aiken und dem formidablen Martin Winkler, agiert atemberaubend.

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"Mord in den Alpen" am Theater an der Wien © Bild: Werner Kmetitsch/PhotoWerk

Weshalb manche Werke so rar auf den Spiel gesät sind, ist oft nicht nachzuvollziehen, wie bei der „Elegie für junge Liebende“ von Hans Werner Henze. Die über weite Strecken atonale, ausdrucksstarke Musik Henzes ist ein Exempel für ein musikalisches Psychodrama, wie Marc Albrecht in jeder Hinsicht mit den Wiener Symphonikern präzise, bewegend zeigt. Die Musik ist Emotion, gibt das Wesen jeder Figur wieder, dennoch, in manchen Passagen etwas zu viel.

Der Dichter Gregor Mittenhofer residiert im Alpenhotel Schwarzer Adler wie ein Despot, lässt sich von Sekretärin, Geliebter und einem Leibarzt umsorgen. Ob sich Wysten Hugh Auden damit selbst abgebildet hat oder seinen älteren Kollegen W. B. Yeats, ist heute einerlei. Denn Gregor Mittenhofer könnten viele sein. Er ist der Typus Mann, der mit einer jungen Geliebten das Alter fliehen will, bald wie ein Star, bald wie ein verwöhnter Zopf agiert. Als sich seine junge Geliebte einem Mann ihres Alters zuwendet, treibt er das Paar in den Bergtod. Er gibt sie nur frei, wenn sie ihm ein Edelweiß vom Hammerhorn bringen. Als ein Schneesturm aufkommt, informiert er die Bergrettung nicht, dass die jungen Leute oben sind, harrt ihres Todes und schreibt eine Elegie auf deren Umkommen.

Das klingt alles irgendwie verschmockt, übertrieben, und das ist es auch, aber Henzes Musik macht das etwas Zuviel wieder wett. Keith Warner (Regie) und Es Devlin (Bühne) inszenieren die Musik und erteilen der Luis-Trenker-Bergsteiger-Ästhetik, die von der Handlung suggeriert wird, eine Absage. Die weißen Requisiten, eine überdimensionale Schreibmaschine, eine Tischlampe, ein Männertorso, ein Kopf, der als Aussichtswarte dient, wandeln sich in eine Berglandschaft.

In dieser Landschaft ist alles nur Schein, wie auch die Liebe des Paars.

Angelika Kirchschlager agiert stimmlich und darstellerisch als Gräfin intensiv. Laura Aikin erfüllt den Part der skurrilen Alte mehr als eindrucksvoll. Martin Winkler gibt den nur scheinbar liebevollen Arzt mit seelischen Abgründen. Johan Reuter erfüllt den Part des Dichters formidabel. Mit ihrem klaren Sopran überzeugt Anna Lucia Richter als Elisabeth. Von Paul Schweinester lässt sich nur Gutes berichten. Martin Berger ergänzt als Bergführer.

Gäbe es so etwas wie eine Opernliga, hätte das Theater an der Wien beste Chancen auf den Meistertitel.