"Sie haben mich als Hure beschimpft"

Elfjährige jahrelang von Mitschülern gemobbt - Mutter: "Sie sollte es ignorieren"

von
Wien - "Sie haben mich als Hure beschimpft"

NEWS.AT: Wann hat das Mobbing angefangen?
Christine H.: In der vierten Klasse Volksschule war es noch nicht so ausgeprägt.
Lena: Da hat es langsam angefangen. In der ersten Klasse Gymnasium war es schon schlimm und in der zweiten Klasse ganz schlimm.

NEWS.AT: Wie hat sich das jahrelange Mobbing auf die Psyche ausgewirkt?
Christine H.: Wir waren sogar im Kinderspital und haben Untersuchungen durchführen lassen, weil sie ständig über Bauchweh gejammert hat. Die Ärzte haben uns gesagt, dass ihr physisch nichts fehlt. Das war bei ihr rein psychisch.
Lena: Damals habe ich einen Ausschlag bekommen.
Christine H.: Wir haben einen Allergietest gemacht, dabei ist wieder nichts herausgekommen. Das waren eben die psychischen Folgen.

NEWS.AT: Wie haben sich die Mobbing-Attacken geäußert?
Lena: (schweigt)
Christine H.: Ein paar gleichaltrige Buben haben Lena ununterbrochen und derb sekkiert. In der Schule hat man am Anfang gesagt, sie soll es ignorieren.
Lena: Das ist leichter gesagt, als getan.
Christine H.: Sie haben sie immer weiter und weiter sekkiert.
Lena: Dann kamen schon so ordinäre Ausdrücke.
Christine H.: Du Nutte, du Hure, du tanzt an der Stange. Sie haben zu ihr gesagt: "Ich schlage dich". Und das Schlimmste war als sie ihr mit Penetration gedroht haben. Da ist mir der Geduldsfaden gerissen. Ich habe mir gedacht: "Was passiert, wenn sie mit ihr wirklich irgendwann allein sind?" Man kann sich nie hundertprozentig sicher sein.

»Mein Kind war psychisch fertig«

NEWS.AT: Wie war die Reaktion der Schule darauf?
Christine H.: Es ist an einem Elternsprechtag darüber gesprochen worden, dass die Mütter mit den Kinder über das Thema Sex sprechen sollen. Ich bin später zum Direktor gegangen. Lena hat alles mitgeschrieben, was die Buben zu ihr gesagt haben. Das Heft habe ich der Schulleitung gezeigt. Dort hat man gesagt: "Um Gottes Willen". Die Lösung war, dass sie es jeden Tag melden soll, wenn etwas vorgefallen ist. Aber das war nicht ideal.
Lena: Ich kann nicht jeden Tag, wenn sie irgendein schlimmes Wort zu mir sagen, zum Direktor gehen. Und sie haben mich fast jeden Tag gemobbt.

NEWS.AT: Und was haben die Eltern der betroffenen Kinder zu diesen Vorfällen gesagt?
Christine H.: Ob der Direktor mit den Eltern der Buben gesprochen hat, weiß ich nicht. Eine der Mütter ist immerhin Elternvertreterin. Lena ist zur Schulpsychologin geschickt worden und ich auch. Ich habe einmal nachgefragt: "Und was ist mit den Burschen?" Die Schule hat gesagt: "Um das kümmern wir uns schon". Es hat eine Art Verwarnung gegeben, geändert hat das nichts. Es war wirklich schlimm. Mein Kind war psychisch fertig.

»Irgendwann platzt es in mir«

NEWS.AT: Wie entwickelte sich die Situation nach den Gesprächen mit der Schule und die Betreuung durch die Schulpsychologin weiter?
Christine H.: Meine Tochter hat Angst gehabt, dass es schlimmer wird, wenn ich zur Schulleitung gehe. Sie hat gesagt: "Mama, die sehen dich". Und dann war sie wieder die Petze, die zum Direktor geht. Ich glaube nicht, dass der Direktor die Mobbing-Vorwürfe ernst genommen hat. Es hat nur geheißen, meine Tochter soll das Mobbing ignorieren und den Buben die Rote Karte zeigen.
Lena: Ich sollte auf eine rote Karte schreiben: "Lasst mich in Ruhe". Und die Karte hochhalten, wenn sie mich mobben. Aber dann nerven sie mich ja noch mehr.
Christine H.: Am Anfang hat Lena die Attacken ignoriert, doch irgendwann ist es zu viel geworden. Sie hat schon geweint und sie haben sie weiter gehänselt.
Lena: Die Schulpsychologin hat mich immer gefragt, was an dem Tag passiert ist. Aber sie hat auch nicht mehr gesagt, als dass ich es ignorieren soll. Wenn ich es ignoriert habe und einfach weitergegangen bin, haben sie mich so lange angestupst oder etwas gesagt, bis ich reagiert habe. Irgendwann platzt es in mir und ich muss einfach einen Kommentar abgeben.

NEWS.AT: Am Ende hat Ihre Tochter die Schule gewechselt.
Christine H.: Ich habe zu ihr gesagt, wenn sie sie noch einmal ordinär beschimpfen, nehme ich sie von der Schule.
Lena: Ich war richtig froh, als der eine Bub damals wieder "Hure" zu mir gesagt hat, damit ich endlich von der Schule wegkomme.
Christine H.: Sie hat schon kurz nach den Sommerferien gesagt: "Mama ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr." Nach dem letzten Vorfall habe ich sie dann endgültig abgemeldet. Ich wollte, dass es meinem Kind wieder gut geht, auch wenn sie einige Freunde zurückgelassen hat.
Lena: Zwei ältere Mädchen an der Schule haben mich sehr unterstützt. Sie waren total stolz auf mich, dass ich zur Schulleitung gesagt habe: "Ab morgen bin ich nicht mehr da".

NEWS.AT: Lena, wie war der letzte Schultag an deiner alten Schule für dich?
Lena: An dem Tag, an dem ich gegangen bin, ist der Direktor mit in die Klasse gekommen, damit ich meine Sachen zusammenpacken kann, und er hat nur gesagt: "Ich will jetzt keine Namen erwähnen, aber es ist sehr traurig, dass Lena jetzt gehen muss, weil einige Jungs aus der Klasse sie gemobbt haben."
Christine H.: Das war es dann.

»Sie geht jetzt ohne Bauchweh schlafen«

NEWS.AT: Warum soll die Leidensgeschichte von Lena an die Öffentlichkeit?
Christine H.: Damit die Leute wissen, dass es auch auf einer katholischen Privatschule so zugehen kann. Sonst werden immer nur die öffentlichen Schulen hervorgehoben. Und ich denke mir, es gibt viele Kinder, die sich zuhause gar nicht trauen, über Mobbing zu sprechen. Die Eltern müssen es aber erfahren, damit man etwas dagegen tun kann. Den Namen der Schule will ich aus bestimmten Gründen bewusst nicht nennen.

NEWS.AT: Wie geht es Ihrer Tochter heute?
Christine H.: Wir haben uns auch Hilfe bei einer externen Psychologin geholt. Sie hat mir Ratschläge gegeben, wie ich meine Tochter wieder aufbaue. Seit sie von der Schule weg ist, hat sie sich total verändert. Sie ist viel lustiger. Sie geht jetzt ohne Bauchschmerzen schlafen und wacht nicht mehr von Albträumen auf.
Lena: In der neuen Schule geht es mir sehr gut. Meine Nachhilfelehrerin hat in der ersten Stunde nach dem Wechsel gleich gesagt, dass ich ganz anders bin, vom Lernen her.
Christine H.: Wir kämpfen noch damit, dass sie ihre alte Schule ganz vergessen kann. Das wird noch dauern.
Lena: Ich nehme Bachblüten und so, weil ich einfach nicht abschalten kann. Die meisten Lehrer und Kinder sehen so vielen aus der alten Schule ähnlich und dann muss ich daran denken und wenn ich daran denke, bekomme ich schon Bauchschmerzen. Lehrer und Schüler aus der alten Schule haben gesagt, ich soll sie mal wieder besuchen kommen. Ich habe gesagt, ich werde ein, zwei Jahre brauchen, bis ich wiederkomme.

* Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

Zum Thema Mobbing in der Schule:

Mobbing in Schulen ist keine Seltenheit und ein Thema das ernst genommen werden muss. Jeder kann dabei zum Mobbingopfer werden. "Mobbing bedeutet, dass bewusst und wiederholt Handlungen gesetzt werden, um anderen zu schaden", sagt Klaus Schwienbacher, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Mitglied des Leitungsteams im Wiener Ambulatorium für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen "Die Boje". Mobbing komme unter Erwachsenen genauso vor wie unter Kindern. "Je jünger die Kinder sind, desto mehr brauchen sie die Anleitung von Erwachsenen. Und jüngere Kinder sind auch leichter zu beeinflussen als ältere", teilt Schwienbacher mit. Im Fall von offensichtlichem Mobbing sei es daher hilfreich, den Kindern einen respektvollen Umgang mit sich selbst und mit anderen beizubringen. "Hier sind alle gefordert: Eltern, Schulen und Medien, also die ganze Gesellschaft", erklärt der Experte. Man müsse dem Mobbing praktisch den Nährboden entziehen. Viele Kinder würden von Bildern und Informationen überflutet, die sie nicht in ihre kindliche Welt einordnen können. Beschimpfen und Herabwürdigen können unter anderem auch ein Bearbeitungsversuch sein.

Und was kann man als betroffene Eltern tun? "Man soll nicht in Panik geraten, sondern dem Kind Sicherheit vermitteln", sagt Schwienbacher. Man solle dem Kind gut zuhören und klarmachen, dass es selbst in Ordnung ist und die "Mobber" falsch handeln. Die Eltern sollten dem Kind durchwegs vermitteln, wie sehr sie es schätzen. Wenn das Kind regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sei, dann müsse auch das Gespräch mit der Schule gesucht werden. "Wichtig ist, dass man dabei eine klärende Haltung einnimmt ", erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater.

Mobbing kann ebenfalls psychosomatische Auswirkungen haben. Ständige Bauch- oder Kopfschmerzen, kein Spaß mehr am Spiel oder der völlige Rückzug des Kindes sind Anzeichen dafür. In diesen Fällen sei es ratsam sich professionelle Hilfe zu suchen, so Schwienbacher.

Weiterführende Links:

Schulpsychologishe Beratung
Ökids - Österreichische Gesellschaft für Kinder und Jugendlichenpsychotherapie
Familienberatungsstellen

Kommentare

Wie IMMER!!!!
Das Mobbingopfer muss gehen! - Alle anderen machen weiter wie bisher; ob in der Schule oder später am Arbeitsplatz.

Marko Simic

Ist völlig normal, gehört man der falschen "Kaste" an dann kann das sehr leicht passieren, die Lehrer sehen meist aufgrund eigener Unfähigkeit weg, obwohl in meisten Fällen offensichtlich. Die Eltern des Kindes hätten früher reagieren müssen!

in österreich ist das völlig normal.

brabus melden

Gilt in dieser Schule Täterschutz vor Opferschutz ? Warum wurden die Mobber nicht von der Schule geworfen ? Warum wurde der Direktor wegen unterlassener Hilfeleistung nicht angezeigt ? Warum hat die Schulpsychologin keine Schritte gesetzt das Mobbing zu unterbinden ? Was für unfähiges Personal wird da auf Kinder losgelassen von denen keine Hilfe zu erwarten ist ?

günza melden

Nicht nur in den Schulen geht es so zu.

günza melden

Hab vor kurzem den Beitrag über den DR. Heinz Mayer seine Frau gesehen. Die ist Direktorin an einer Schule und wurde entsprechend von den Behörden traktiert, dass sie arbeitsunfähig wurde. Das zieht sich jetzt schon ewig hin und nicht einmal der Verfassungsrechtsexperte konnte seiner Frau entsprechend helfen. Wenn hier unter den Teppich gekehrt werden soll dann passiert das eben auch.

Oberon
Oberon melden

Sie hat einige Freunde zurückgelassen... WO waren die Freunde, als sie Hilfe brauchte?
Die Schulleitung hat meiner Ansicht nach gnadenlos versagt, wobei ich mich frage, ob die Mobber aus irgendwelchen Gründen besonders schützenswert(!) sind? Ich habe da einige
Vermutungen, behalte sie aber lieber für mich!
Hatte das Mädchen etwa die "falsche" Gesellschaftsschicht??

Oberon
Oberon melden

Fortsetzung: Die Eltern dieser Bürschchen haben bei der Erziehung ihres hoffnungsvollen Nachwuchses auch keine glückliche Hand, aber Hauptsache, zu Hause ist Ruhe!

Erbsenkoenig melden

Sooo viiiieeel wird überall über das Mobbing berichtet und geschrieben und wenn tatsächlich dann ein Opfer hilfe braucht, ist es hilflos, wird ausgelacht, als "Petzer" abgestempelt und muss sich eine neue Schule suchen. Sehr traurig. Aber was kann man wirklich tun, wenn die Lehrer, Direktor und Schulpsychologien versagt haben???? Wo soll man sich noch hinwenden?

Oliver-Berg
Oliver-Berg melden

Wenn sie keine Unterstützung haben, das Mobbing ihrer Kinder zu beenden, dann bleibt letztlich nur die einzige Möglichkeit dieser Schule den Rücken zu kehren. Das ist immer noch besser als gegen Windmühlen anzukämpfen.

Erbsenkoenig melden

Wegen unterlassener Hilfeleistung den Direktor anzeigen? Wo und wie macht man das? Kostet das Geld? Was passiert dann?

Wäre es nicht einfacher die Schule zu nennen? Da müsste die Schule womöglich in der Tat damit anders umgehen. Z.B. die Täter von der Schule ausweisen, als Beispiel, dass an einer privaten Schule so etwas eben nicht möglich ist. Das wäre, glaube ich, eine tolle Werbung für sie!

Erbsenkoenig melden

Und so wird eben alles schön unter den Teppich gekehrt, die Schule, die Lehrer, der Hr. Direktor und Schulpsychologen machen schön weiter wie bis jetzt... und es werden dort bestimmt weitere Kinder leiden.... und weitere ahnungslose Eltern ihre Kinder an die super private Schule anmelden...;-( Traurig.

Oberon
Oberon melden

Wenn es um die psych. Gesundheit eines Kindes geht, sollte es wurscht sein, ob es als Petzer dasteht. Dem Kind, das es noch nicht besser weiß, vielleicht nicht, aber die Eltern sollten da drüber stehen, daher sofort das Gespräch mit der Schulleitung suchen.
Nicht zu lange warten, denn die Mobber hören nur dann auf, wenn's für sie ernst wird.
Schule nennen, anders geht's wohl nicht!!

bridschy melden

Schule nennen, wäre gut. Doch da wird das Opfer wahrscheinlich einen guten Rechtsantwalt brauchen. Es ist eine Schande.

AdLa melden

Ich dachte mir immer Transparenz ist bei solchen Vorfällen eine Selbstverständlichkeit, aber bei uns wird bei jeder öffentlichen Institution wo Fehler gemacht werden nur vertuscht und die Versager gedeckt.

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