Seisenbacher, das
"Verschwörungsopfer"

Der zweifache Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher hat sich zum Auftakt seines Missbrauch-Prozesses als Opfer einer Verschwörung bezeichnet. Er habe sich als Trainer nie an unmündigen Mädchen vergangen, beteuerte der 59-Jährige. Die drei ehemaligen Schützlinge, die ihn dahin gehend belasten, würden die Unwahrheit sagen, behauptete Seisenbacher am Montag am Wiener Landesgericht.

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Prozessauftakt - Seisenbacher, das
"Verschwörungsopfer"

Als Seisenbacher kurz nach 9.30 Uhr von Justizwachebeamten in den Großen Schwurgerichtssaal geführt wurde, gab es noch reichlich Sitzplätze. Neben Medienvertretern und Rechtspraktikanten hatten vor allem Sympathisanten des Angeklagten den Weg zu Gericht gefunden. Ein älterer Herr - Seniorenmeister und langjähriger Judo-Funktionär - klatschte sogar, als Seisenbacher den Saal betrat. Der Angeklagte wandte sich darauf um und grüßte den Zuhörer mit dem ausgestreckten rechten Daumen.

»Ich habe keine Erklärung, aber Vermutungen. Dazu habe ich einen Anwalt«

"Ich bin nicht schuldig", gab Seisenbacher zu Protokoll. Er verwies auf "Hunderte, die nichts gesehen haben". Auf die Frage, wie er sich die Vorwürfe erkläre, erwiderte der Angeklagte: "Ich habe keine Erklärung." Allerdings habe er "Vermutungen". Diesen werde sein Verteidiger Bernhard Lehofer im Verlauf der zeugenschaftlichen Befragungen auf den Grund gehen: "Dazu habe ich einen Anwalt."

Lehofer betonte, er kenne Seisenbacher seit mehr als 40 Jahren: "Ich war und bin von seiner Unschuld überzeugt. Niemand, der ihn kennt, traut ihm das zu." Seisenbacher habe "mit den stärksten Männern der Welt gekämpft", bemerkte der Verteidiger: "Es hat ihm in keinster Weise an Frauen gemangelt. Er passt in keinster Weise in das Schema derer rein, die sich an Kindern vergreifen." Abgesehen von den drei Personen, die von der Staatsanwaltschaft als Opfer geführt werden, gebe es "niemanden, der den Herrn Seisenbacher belastet". "Es ist nix passiert. Niemand ist angegriffen worden. Nichts ist aufgefallen", bekräftigte der Verteidiger.

Vorwurf: Vergangen an Minderjährigen

Die Anklage legt Seisenbacher zur Last, sich nach seiner aktiven Karriere als Trainer eines Wiener Judo-Vereins an zwei ihm anvertrauten Mädchen vergangen zu haben. Zu den Übergriffen soll es vorwiegend bei Übernachtungen auf Trainingslagern und Wettkampfreisen gekommen sein. Eine Betroffene war neun, als Seisenbacher - damals 37 - sie 1997 zu bedrängen begann. Von 1999 an kam es laut Anklage zu geschlechtlichen Handlungen, die als schwerer sexueller Missbrauch einer Unmündigen qualifiziert sind. Die Betroffene hat mittlerweile eine Personenstandsänderung vorgenommen und lebt als Mann.

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Im Sommer 2004 soll sich der Ex-Judoka an einem damals 13 Jahre alten Mädchen vergangen haben. Die Schülerin hatte er ebenfalls in der Kindergruppe in seinem Judo-Verein kennengelernt. Auch mit diesem Mädchen kam es laut Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig zu sexuellen Handlungen.

Zuvor soll Seisenbacher auf einem Judo-Sommerlager im August 2001 versucht haben, einer 16-Jährigen näher zu kommen. Diese wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge ab. Für die Staatsanwaltschaft stellt sich dieser Vorgang als versuchter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses dar.

Nicht von der Anklage umfasst ist dagegen eine einvernehmliche intime Beziehung, die Seisenbacher vom Sommer 2001 bis Ende 2002 mit einer weiteren 16-Jährigen unterhielt. Dessen ungeachtet thematisierte der Vorsitzende des Schöffensenats, Christoph Bauer, dieses Verhältnis. "Ich hab' mich ziemlich jung gefühlt", rechtfertigte sich Seisenbacher. "Wie alt waren Sie wirklich?", wollte Bauer wissen. - "Um die 40."

»"Ich glaube, ich war ein cooler Trainer. Aber ich war kein Vater«

"Er war ihr Idol. Sie haben ihn sicher verehrt", schilderte die Staatsanwältin das Verhältnis der Betroffenen zu Seisenbacher. Dieser habe "ein besonderes Geschick im Umgang mit Kindern" gehabt, während die Betroffenen zu Hause familiäre Schwierigkeiten bewältigen mussten. "Offenbar haben sie im Angeklagten einen Vaterersatz gesehen, weil ihre eigenen Väter nicht in dem Ausmaß zur Verfügung gestanden sind, wie sie es sich gewünscht hätten", legte die Staatsanwältin dar. Seisenbacher ließ das nicht gelten: "Ich glaube, ich war ein cooler Trainer. Aber ich war kein Vater." Es sei außerdem nicht richtig, dass er mit Schützlingen im selben Bett geschlafen hätte. In der Judo-Szene sei es allerdings üblich, dass man aus Kostengründen in Hallen auf Matten nächtigt. Zu Übergriffen sei es dabei aber nie gekommen.

Die beiden hauptsächlich Betroffenen wurden am Nachmittag in Abwesenheit des Angeklagten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Die Verhandlung wird am kommenden Montag fortgesetzt. Dann soll auch das Urteil fallen. Seisenbacher drohen im Fall einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.

An sich hätte der Prozess bereits im Dezember 2016 stattfinden sollen. Kurz vor Verhandlungsbeginn hatte sich Seisenbacher allerdings ins Ausland abgesetzt. Zunächst hielt er sich in Georgien auf, kurze Zeit später ging es weiter in die Ukraine, wo er im August 2017 von Zielfahndern des Bundeskriminalamts ausgespürt wurde. Erstmals erläuterte nun sein Verteidiger öffentlich die Motive dieser Flucht. Es habe sich um eine "Kurzschlussreaktion" gehandelt, meinte Lehofer.

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Demnach war dafür ausschlaggebend, dass Seisenbacher kurz nach dem geplanten Verhandlungsbeginn Vater wurde und eine mediale Vorverurteilung stattgefunden hätte, wie Lehofer sagte. Weiters habe Seisenbacher "den Eindruck gehabt, dass er beim Gericht den Malus eines Prominenten hat".