"Können keine Frauen erfinden"

Die Missbrauchsdiskussion bringt den ÖSV enorm unter Druck. Der von Peter Schröcksnadel geführte Skiverband ist eine Männerbastion.

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Missbrauchsvorwürfe - "Können keine Frauen erfinden"

"Wenn man mich intern nicht mehr will, bin ich sofort weg", sagt Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) im Gespräch mit News. Das Nachfolgethema werde aber nicht öffentlich diskutiert, sondern, wenn nötig, intern geregelt, meint der seit 1990 amtierende Langzeitpräsident. Doch danach sieht es im Moment nicht aus - im Gegenteil.

In seinem Umfeld wird sogar darüber spekuliert, dass der 76-jährige Schröcksnadel nach der noch bis 2020 laufenden Amtsperiode sogar weitermachen könnte. "Wer weiß, fit ist er ja", sagt etwa ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner. "Und seine Erfahrung ist viel wert."

»Wenn man mich intern nicht mehr will, bin ich sofort weg«

Der Skiverband steht nach der jüngsten Missbrauchsaffäre um die Vergewaltigung von Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg vor 40 Jahren durch einen Mannschaftskollegen und weitere angebliche Vorfälle in Sportinternaten bzw. -schulen jedenfalls enorm unter Druck. Auch weil die Krisenkommunikation samt - später dementierter - Klagsdrohung gegen Werdenigg als alles andere als geglückt bezeichnet werden kann.

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Zwar betont Schröcksnadel, es seien bereits in der Vergangenheit vorbeugende Maßnahmen gesetzt worden: etwa durch die Einsetzung von Ex-Skirennläuferin Petra Kronberger als "Damen-Konsulentin" und die Zusammenarbeit mit dem Kuratorium Sicheres Österreich bei Trainerschulungen. Und künftig solle Waltraud Klasnic, die Leiterin der von der katholischen Kirche eingesetzten Missbrauchskommission, als Anlaufstelle fungieren, bei der sich etwaige Opfer melden können.

Dennoch: Die missglückte Reaktion des ÖSV auf die Vorwürfe hat in der Öffentlichkeit für Irritationen samt Shitstorm in den sozialen Medien gesorgt. Dass der ÖSV nicht gerade glücklich reagiert habe, könne auch damit zusammenhängen, dass er ein Männerverein sei, bei dem Frauen so gut wie keine Rolle spielen, heißt es dazu hinter vorgehaltener Hand in der Branche.

Minimaler Frauenanteil

Tatsächlich sind in den entscheidenden Strukturen des ÖSV kaum Frauen zu finden. So ist in der 17-köpfigen Präsidentenkonferenz für die Periode 2017 bis 2020 - angeführt von Schröcksnadel - nur eine Frau vertreten: nämlich die ehemalige Rennläuferin und Ex-Sportsprecherin der ÖVP im Salzburger Landtag, Roswitha Stadlober als Vizepräsidentin. Sie ist auch die einzige Dame im achtköpfigen ÖSV-Präsidium.

Noch krasser sieht es bei den leitenden Positionen in den ÖSV-Referaten, bei denen Sportdirektor Hans Pum an der Spitze steht, aus. Dort sind von 42 Positionen lediglich drei mit Frauen besetzt - nämlich die Bereiche Skicross, Snowboard und Betriebsskisport. Und auch unter den 14 ÖSV-Ehrenpräsidenten bzw. -Ehrenmitgliedern ist mit Olga Scartezzini-Pall nur eine Vertreterin zu finden. Von den 41 ÖSV-Vertretern in FIS-Komitees sind ebenfalls nur zwei Frauen: eine im Subkomitee für Freestyle-Ski-Regeln und eine im Subkomitee für Alpine Damen, nämlich Petra Kronberger. Einzig im Verbandsbüro mit 32 Mitarbeitern besteht die Mehrheit aus Frauen -und die sind vor allem im Sekretariat, in der Buchhaltung oder der Lohnverrechnung sowie im Marketing beschäftigt.

Frauenquote im ÖSV unterdurchschnittlich

Dass die Frauenquote im ÖSV unterdurchschnittlich ist, liegt laut Schröcksnadel daran, dass sich "wenige für diese Jobs interessieren": "Und wir können ja keine Frauen erfinden." Trainerinnen bei den Alpinen etwa müssten um fünf Uhr in der Früh aufstehen und dann 30 bis 40 Kilo Torstangen auf dem Rücken schleppen. Und das würden viele Frauen nicht wollen, so der Verbandspräsident. Auch sei der Job schwer mit der Familienplanung in Einklang zu bringen.

Schröcksnadel: "Es gibt ja auch international wenig Trainerinnen." Er steht mit dieser Meinung nicht allein da, auch Michael Walchhofer, Ex-Abfahrtsstar und jetzt ÖSV-Vizepräsident, sieht die "Doppelbelastung mit der Familie" und die "mit dem Job verbundene große Reisetätigkeit" als erschwerend: "Es haben auch einige Frauen mit mir Trainerkurse besucht, die meisten blieben aber danach nicht lange dabei." Natürlich müssten aber mehr Frauen in den Landesverbänden in Funktionen gebracht werden.

ÖSV-Vizepräsidentin Roswitha Stadlober sieht das Problem hingegen vor allem auch bei den "gewachsenen Strukturen": "Es gibt ja bereits einige Vizepräsidentinnen in den Landesverbänden wie Michaela Dorfmeister, aber mehr Unterstützung für Frauen etwa durch Mentoren wäre schon wünschenswert."

»Die Betroffenen sprechen nicht darüber, weil es eine große Ohnmacht gibt«

Was Missbrauchsvorwürfe betrifft, so sagen sowohl Walchhofer als auch Stadlober, dass ihnen in ihrer aktiven Zeit keine derartigen Fälle bekannt gewesen seien. Walchhofer sieht "ein generelles gesellschaftliches Problem", Stadlober verurteilt die beschriebenen Fälle aber aufs Schärfste: "Bei mir gibt es da null Toleranz." Sie bedauere sehr, was Werdenigg passiert sei. "Ich bin da auch nicht der Meinung des Präsidenten, dass sich solche Fälle herumsprechen. Das wissen nur sehr wenige. Die Betroffenen sprechen nicht darüber, weil es eine große Ohnmacht gibt."

Die vom ÖSV eingeleiteten Maßnahmen seien richtig, um künftig derartigen Vorfällen vorzubeugen und für mehr Sensibilität in den Verbänden und bei den Funktionären und Trainern zu sorgen, sagen Walchhofer und Stadlober. Und sie betonen, dass Schröcksnadel viel für den Skisport und die Sportler tue. Stadlober: "Der Präsident kämpft für den Verband, und das kommt dann nach außen auch so rüber."

Kritik an Geschäften

Dass sich der ÖSV in der Zeit von Schröcksnadel zu einem prosperierenden Wirtschaftsunternehmen entwickelt hat, wird ihm indes nicht nur in der Branche attestiert. Es gibt jedoch immer wieder Kritik, er würde private geschäftliche Interessen (siehe Kasten) mit seiner ÖSV-Tätigkeit vermischen. Schröcksnadel weist das als "Unterstellungen" zurück. Er könne mit diesen aber gut leben: "Auch wenn es mir keiner glaubt, ich habe durch den ÖSV diesbezüglich nur Nachteile." Er sei für den Skiverband ehrenamtlich tätig und besorge für diesen das Geld, sagt Schröcksnadel: "Der ÖSV ist durch mich groß geworden und nicht umgekehrt. Als ich antrat, hatte der ÖSV 38 Millionen Schilling Budget, heute sind es 60 Millionen Euro."

Außerdem sei er in seinen - auch international agierenden - Unternehmen "seit Jahren nicht mehr operativ tätig". Die Unternehmen manage entweder sein Sohn oder die jeweiligen Geschäftsführer. Er selbst sitze lediglich bei zwei Biotech-Unternehmen -in Kopenhagen und in Kanada -im Board, sagt Schröcksnadel: "Diese Firmen haben nichts mit dem Skisport zu tun. Da geht es um etwas völlig anderes - nämlich um Krebsforschung."