Von Beruf: Ex-Miss

Sie wurden für die Schönheit gekrönt. Nun kämpfen sie gegen ihre Bedeutungslosigkeit.

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    Miss Austria 2012

    Amina Dagi

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    Miss Austria 2011

    Carmen Stamboli

„Die Mädels haben falsche Vorstellungen. Sie lassen sich vom Glamour blenden, glauben, sie hätten das große Los gezogen. Eine TV-Karriere ist das Mindeste, was sie erwarten“, sagt Christine Reiler, Ex-Miss-Austria Jahrgang 2007, die aus dem umstrittenen Titel vergleichsweise viel Kapital schlagen konnte. „Nur“, so die promovierte Medizinerin weiter, „das alles spielt’s bei uns nicht. Wir leben nicht in Venezuela, wo man sich als Miss in Gold aufwiegen lassen kann.“ Mit Mühe konnte die Miss Austria Corporation die beiden Dagis davon überzeugen, statt eines 2.000-Euro-Apartments eine Wiener Dreizimmerwohnung zu beziehen, da selbst einer amtierenden Miss Austria selten mehr als 300 Euro pro Model-Auftrag ausbezahlt werden. Vor Steuer, versteht sich.

Die Zeiten als Nadja Tiller, versehen mit dem Titel „Miss Austria 1949" eine jahrzehntelange Filmkarriere hinlegte, sind lang vorbei, weiß auch der renommierte Medienpsychologe Peter Vitouch. „Misswahlen sind der Vorläufer der Castingshows, in ihrer Öffentlichkeit aber heute kaum mehr wirksam, da sie schlichtweg kein Interesse erzeugen. Sie sind ein mediales Nischenprodukt, bei dem man das Gefühl hat, dass sich die Mädchen immer aus demselben eingeschränkten Pool rekrutieren.

Der mediale Effekt eines Titels
Der mediale Effekt eines Titels, von dem man auch finanziell Nutzen ziehen könnte, ist kurzfristig. Er ist verpufft, sobald eine andere Attraktion die Berichterstattung dominiert.“ Die Zeiten sind jedenfalls härter geworden: Evelyn Rillé, heute 50 und Unternehmerin, konnte den Titel noch in den Achtzigerjahren für eine internationale Modelkarriere nutzen, von deren Renommee sie bis heute zehrt. „Ich bereue nichts“, sagt sie folgerichtig. „Ich würde alles wieder so machen.“ Ob ihr unter den veränderten medialen Bedingungen dieselbe Karriere gelänge, lässt sie beredt offen: Heutzutage ergattert man bestenfalls einen Vorzimmerjob bei einem Herausgeber wie Tatjana Duhovich; schlimmstenfalls kraxelt man zu Reklamezwecken aus Kofferräumen wie Anna Hammel.

Lern was G’scheits
Christine Reiler warnt eindringlich davor, in die dubiose Branche Hoffnungen und Wünsche zu setzen. „Bei mir hat es deshalb funktioniert, weil ich Glück hatte und mir das Ganze egal war“, plaudert die Dermatologin aus dem Schminkkästchen. Ihr Überlebenstipp: „Auf keinen Fall ernst nehmen.“ Denn der Regelfall ist eher jener der klassischen Violinistin Céline Roschek, die vom 2002 errungenen Titel beruflich erwartungsgemäß nicht profitierte. Statt mit den Philharmonikern musizierte sie jüngst im Swimmingpool eines Zillertaler Sporthotels.

Dabei hängt einem die nicht immer reputationsmaximierende Würde bis ans Ende der Tage an. Vitouch: „Erstaunlich ist, dass man in Österreich den Titel Ex-Miss wie einen akademischen Titel ein Leben lang mit sich rumschleppt.“ Irina und Amina Dagi haben indes noch Illusionen und arbeiten konsequent am internationalen Durchbruch. Und zwar in China, wo am 18. August in der Inneren Mongolei die Wahl zur „Miss World“ ansteht. Das Wettbüro „paddypower“ listet die Chancen der Miss Austria mit 150/1. Das ist immerhin ein Anfang. Oder das Ende.