Kürzungen treffen vor
allem Familien mit Kindern

Über die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher lebt in Familien mit Kindern

Die neue Mindestsicherung sorgt für Diskussionen: Experten halten gewisse Regelungen für "nicht unproblematisch". Und die geplanten Kürzungen treffen vor allem Familien mit Kindern, wie die Statistik Austria mitteilt.

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Mindestsicherung - Kürzungen treffen vor
allem Familien mit Kindern

Mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher lebt in Familien mit Kindern. Das geht aus Zahlen der Statistik Austria für 2016 hervor. Angesichts der Regierungspläne müssen vor allem Familien mit mehreren Kindern künftig mit starken Kürzungen rechnen. Auch für Alleinerzieherinnen mit drei oder mehr Kindern könnte es - abhängig von vom Bundesland - weniger Geld geben.

Über 98.000 Bezieher in Paar-Haushalten mit Kindern

Wie die Daten zeigen, lebte 2016 mehr als die Hälfte der Mindestsicherungs-Bezieher in Familien mit Kindern. Demnach gab es in ganz Österreich 307.533 Bezieher (173.484 in Wien). Davon lebten 98.192 Bezieher in Paar-Haushalten mit Kindern (davon 58.705 in Wien), weitere 59.050 in Alleinerzieher-Haushalten mit Kindern (28.946 in Wien). 113.231 waren Alleinstehende, 16.962 Paare ohne Kinder. Dazu kommen noch weitere Haushalte wie zum Beispiel solche mit mehreren volljährigen Personen.

Sind vor allem Zuwanderer betroffen?

Wirklich aussagekräftig sind die Zahlen der Statistik Austria aber nicht, denn zahlreiche für die Debatte relevante Fragen können damit (noch) nicht beantwortet werden. Unklar ist etwa, wie viele Bezieher österreichweit berufstätig sind und mit der Mindestsicherung ein niedriges Erwerbseinkommen "aufstocken". Auch ob - wie von der Regierung suggeriert - tatsächlich vor allem Zuwanderer von den Kürzungen betroffen wären, ist unklar. Und verlässliche Zahlen über die durchschnittliche Bezugsdauer gibt es ebenfalls noch nicht.

Aufschluss auf all diese Fragen soll nach Auskunft der Statistik Austria erstmals die Mindestsicherungs-Statistik für 2017 geben, die bis Ende Juni erstellt und dann dem Sozialministerium übermittelt wird. Für ihre Reform wollte die Regierung diese Zahlen aber nicht abwarten und hat ihre Pläne bereits am Montag vorgelegt.

Demnach müssen vor allem Familien mit mehreren Kindern mit Kürzungen rechnen. 2016 lebten den Zahlen zufolge 26.501 Bezieher in Paar-Haushalten mit drei Kindern und 27.960 mit vier Kindern oder mehr. In Alleinerzieher-Haushalten mit drei Kindern leben 9.734 Personen, weitere 7.146 mit vier Kindern oder mehr.

Höhe der Verluste noch unklar

Die Regierung will nun die Mindestsicherungs-Sätze ab dem zweiten Kind stark kürzen. Wie hoch diese Verluste ausfallen, wird von Hilfsorganisationen erst berechnet und hängt vom jeweiligen Bundesland ab. Ein Beispiel: In Niederösterreich hat derzeit jedes Kind Anspruch auf rund 199 Euro monatlich, in Wien sind es 233 Euro. Künftig soll das erste Kind 216 Euro erhalten, das zweite 129 und jedes weitere nur noch 43 Euro monatlich.

Für Alleinerzieherinnen werden diese Kürzungen durch eine Bonus-Zahlung etwas abgefedert. Sie erhalten für das erste Kind zusätzlich 100 Euro, für das zweite 75, für das dritte 50 und für jedes weitere 25 Euro. In der Praxis könnte das nach Einschätzung von Experten aber auch für sie Kürzungen ab dem dritten Kind bedeuten.

Mindestsicherung neu für AK-Experten "problematisch"

Die Experten der Arbeiterkammer (AK) halten die Reformpläne der Regierung für "problematisch": Durch die Kürzungen bei Familien mit mehreren Kindern und die Maßnahmen bei anerkannten Flüchtlingen werde die Armutsgefährdung steigen, sagte AK-Ökonomin Sylvia Leodolter.

AK-Ökonom Markus Marterbauer fordert mehr Unterstützung bei der Qualifizierung, insbesondere durch Deutschkurse. Das Integrationsjahr für Flüchtlinge sollte bleiben. Die Regierung sollte die aktuelle Hochkonjunktur und die gute Budgetlage nutzen, um in die Qualifizierung von Arbeitslosen und prekär Beschäftigten zu investieren, damit sie am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Das würde zwar kurzfristig Kosten verursachen, wäre aber mittel- und langfristig eine lohnende Investition, weil sie nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen wären.

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