Mikl-Leitners Plan zum Machterhalt

Wie die niederösterreichische Landeshauptfrau der ÖVP-Krise trotzen und ein passables Wahlergebnis zusammenbringen möchte

von Politische Analyse - Mikl-Leitners Plan zum Machterhalt © Bild: Privat

ANALYSE

Johanna Mikl-Leitner hat zwei kleine Canossagänge hinter sich. Zunächst sah sich die niederösterreichische Landeshauptfrau gezwungen, Sozialdemokraten für eine Wortwahl um Entschuldigung zu bitten, die sie in ihrer Zeit als Innenministerin 2016 getätigt hatte: "Rote bleiben Gsindl!" Das war erst heuer bekannt geworden. In weiterer Folge bedauerte sie ihre Aussage, wonach man nicht zehn Ballkleider haben müsse, sondern drei genügen würden. Dabei wurde auch schon klar, worum es ihr ging: Sie war bemüht, im Hinblick auf die Landtagswahl Dinge abzuarbeiten, die ihr zum Verhängnis werden könnten.

Und jetzt? Sommerpause? Mitnichten. Gewählt wird zwar wohl erst Anfang 2023, Mikl-Leitner hat jedoch viel gutzumachen: Zurzeit liegt ihre Volkspartei mit wenig mehr als 40 Prozent weit entfernt von den knapp 50 Prozent vom letzten Mal.

Es ist nicht so, dass es große Mitbewerber geben würde. Die ÖVP ist sich selbst das Problem: Diverse Affären aus der Zeit von Sebastian Kurz setzen ihr genauso zu wie das Unvermögen von Karl Nehammer an der Bundesspitze, stabilisierend zu wirken. Das schadet der Partei auf allen Ebenen. Mitte Juli zog Mikl-Leitner Konsequenzen. Ihre Aussage, dass es eine klare Führung in der Regierung brauche, war eine Kampfansage an den Kanzler.

Nehammer wird ignoriert

Genauer: Mikl-Leitner setzt sich mit ihrer Landesparteiorganisation ab. Blau-Gelb ist ihre Volkspartei schon lange, jetzt gibt sie sich mehr denn je auch als "Niederösterreich-Partei" aus. Das passt zur Vorstellung von Mikl-Leitner, dass alle im Land zusammenstehen sollen. Andere Parteien werden gerne vereinnahmt.

Was der Bund macht, ist für St. Pölten in den Hintergrund getreten. Man hat nicht auf einen Energiepreisdeckel gewartet, sondern gleich einmal selbst einen solchen in Form eines Rabattes auf einen Teil der Stromrechnung fixiert. Sozialdemokraten und Freiheitliche stimmen nicht nur zu, sondern applaudieren: "Wir schaffen die Grundlage dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger im Herbst ihre Rechnung bezahlen können", sagt FPÖ-Mann Gottfried Waldhäusl. Und SPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Schnabl macht beste Werbung für Mikl-Leitner: Die Bundesregierung solle sich ein Beispiel an Niederösterreich nehmen, fordert er.

Die Aussichten der blau-gelben Volkspartei auf die Landtagswahl sind zuletzt zumindest nicht schlechter geworden. Das hat auch damit zu tun, dass die Mitbewerber zurückhaltend, klein oder gefährdet sind. Die impfgegnerische Liste MFG, die im Jänner bei der Gemeinderatswahl in Waidhofen an der Ybbs 17 Prozent erreichte und landesweit bei sechs Prozent lag, würde den Einzug in den Landtag aktuell nicht schaffen: In einer "NÖN"-Erhebung werden ihr nur drei Prozent ausgewiesen.

ZAHL

Gewessler stürzt ab

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler gilt bei den Grünen noch immer als Frau der Zukunft: Früher oder später werde sie Vizekanzler Werner Kogler an der Parteispitze ablösen, heißt es. Gewessler hat es in den ersten zwei Jahren ihrer Amtszeit bis Anfang 2022 tatsächlich geschafft, Erwartungen zu erfüllen, die sie als ehemalige Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000 geweckt hat, etwa durch den Baustopp für den Wiener Lobautunnel.

Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der damit einhergehenden Gaskrise ist das alles jedoch nebensächlich geworden. Gewessler ist als Energieministerin gefordert. Unmut darüber, dass nicht absehbar sei, was im Falle des Falles passiert, trifft vor allem sie. Außerdem ist ihr kommunikatives Geschick weit entfernt von dem ihres deutschen Kollegen Robert Habeck (Grüne). Das fällt auf. Gerne wird Kritik an ihr auch aus den Reihen der Volkspartei verstärkt: ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner meint, sie gebe "kein gutes Bild" ab.

Höchster "Misstrauenswert"

Das Ansehen der Ministerin leidet darunter: Seit Dezember ist der Anteil der Menschen, die ihr vertrauen, von 34 auf 31 Prozent gesunken und der Anteil jener, die ihr kein Vertrauen schenken, um fast die Hälfte von 40 auf 56 Prozent gestiegen. Das ist der höchste "Misstrauenswert" eines Regierungsmitglieds. Sollte sich die Energieversorgungskrise nicht bald entspannen und sich Gewessler nicht wieder mehr um ihre Kernthemen kümmern können, wird das gefährlich für sie.

Vertrauenswerte von Leonore Gewessler
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Ihr droht ein ähnliches Schicksal zuteilzuwerden wie den ehemaligen Gesundheitsministern Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein. Die beiden Grünen wurden zunächst ebenfalls hoch gehandelt, scheiterten dann aber nicht nur an den Herausforderungen und an sich selbst, sondern auch an mangelnder Unterstützung durch den Koalitionspartner.

BERICHT

Van der Bellens Ausrede

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat nicht die Absicht, sich vor der Wahl am 9. Oktober einer direkten Auseinandersetzung mit seinen Gegenkandidaten zu stellen. Die Begründung ist schlicht: Ziel von TV-Duellen sei es, die Eignung für das höchste Amt im Staat zu erkennen, so der 78-Jährige in einem Interview mit der "Tiroler Tageszeitung". In seinem Fall erübrige sich das wohl: "Die Bürgerinnen und Bürger haben mich in den vergangenen fünfeinhalb Jahren als Bundespräsident kennengelernt."

Chancenlose Mitbewerber

Allein: Das Ziel von TV-Duellen ist nirgends festgeschrieben. Man könnte genauso gut sagen, es gehe darum, unterschiedliche Positionen zu neuen Problemen herauszuarbeiten. Zum Beispiel zum Krieg in der Ukraine, den Sanktionen und der Rolle der Regierung zur Vermeidung sozialer Verwerfungen. Ohne Van der Bellen wird das zur Farce, werden Auseinandersetzungen zu alledem Kandidaten überlassen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohnehin chancenlos bleiben.

In Wirklichkeit kann ein Bundespräsident eher nur verlieren, wenn er nicht die Würde des Amtes pflegen kann, sondern sich harten Debatten und durchaus auch persönlichen Angriffen stellen muss. Also meidet er sie. Das hat nicht Van der Bellen erfunden, das haben schon Vorgänger gemacht, die sich um eine Wiederwahl bemühten. De facto läuft es daher ausschließlich auf eine Abstimmung darüber hinaus, ob er bleiben soll. Was gesetzlich sogar ausdrücklich so vorgesehen ist - sofern es nur einen Kandidaten gibt.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at