"Einfach nur großer Quatsch"

"Der Schuh des Manitu" machte Michael "Bully" Herbig zum Reibebaum deutscher Heiterkeit: Viele halten ihn für absolut unwiderstehlich, manche für unausstehlich - nur sein Erfolg ist unumstritten. Nun meldet er sich mit "Bullyparade - der Film" im Kino zurück. Und erklärt, wie kassentauglicher Humor funktioniert.

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Herr Herbig, stimmt es, dass Sie anonym ins Kino gehen, um die Publikumsreaktionen auf Ihre Filmtrailer abzutesten?
Ja, das mache ich wahnsinnig gerne. Ich kann einfach nicht anders. Wenn ich als Kind etwas gebastelt oder gemalt habe, bin ich auch sofort irgendwo hin, um es zu zeigen. Man muss sich vorstellen: Bis bei mir ein Film fertig ist, arbeite ich zwei Jahre daran - wenn dann der Trailer in die Kinos kommt, kann ich nicht zu Hause sitzen und Däumchen drehen, da will ich wissen, ob ein Nerv getroffen wird. Beim "Schuh des Manitu" habe ich mich auch reingeschlichen - es war unglaublich aufregend. Ich merkte, dass auf den Trailer nicht nur reagiert wurde, sondern dass eine richtige Unruhe im Saal entstand. Es lief längst ein anderer Trailer, aber es wurde noch gesprochen, da war noch dieses Grundrauschen - da merkte man: Hier passiert was!

Ihre Kundschaft bewegt sich zwischen fünf und 95 Jahren, Ihr Sohn ist sieben Jahre alt. Ist der ein Gradmesser?
Kinder sind unbestechlich, die lachen nicht, um dir einen Gefallen zu tun. Mein Sohn und ich haben gemeinsam jede Menge Spaß -aber er hat noch keinen einzigen Film von mir gesehen, weil ihn das bisher nicht interessiert hat. Er ist gerne am Set, mag auch die Trailer, die ich ihm zeige. Aber wenn ich ihn frage, ob er den ganzen Film sehen will, sagt er: "Ach nee." Dafür macht er mit seinen sieben Jahren auf dem iPad bereits seine ersten Trickfilme.

»Mein siebenjähriger Sohn sah noch keinen einzigen meiner Filme«

Kann es auch passieren, dass sich die Leute nach Passagen auf die Schenkel klopfen, die Sie selbst überhaupt nicht lustig finden?
Absolut. Kommt vor. Man hat ja selber seine Lieblingsgags, freut sich darauf -und dann passiert nix. Und du denkst dir: Was ist los, Leute? Und zwei Minuten später, an einer völlig anderen Stelle - pruhhaaaha! Zunächst irritiert mich das, doch dann denke ich mir: Hauptsache, die Leute lachen, an welcher Stelle, ist wurscht. Humor ist eine sehr sensible Angelegenheit.

© Warner Bros Ent./herb X Film/Marco Nagel Herbig als Mr. Spuck, bekannt aus "(T)Raumschiff Surprise": Im aktuellen Film zieht es die intergalaktische Witzfigur auf den Planeten der Frauen. "Ab wo geht es unter die Gürtellinie?", fragt sich Herbig

Und harte Arbeit?
Ja mei, wie Karl Valentin schon sagte: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit."

Ich hätte unterstellt, dass jemand, der mit Humor kommerziell so erfolgreich wie Sie ist, eigentlich wissen müsste, was die Leute lustig finden.
Das ist ein großer Irrtum, zu denken, dass ich weiß, was lustig ist. Was ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, ist, was ich lustig finde. Ich würde mir aber nie anmaßen, zu sagen, dies ist lustig, jenes nicht.

Dennoch treffen Sie wie kaum ein anderer den Massengeschmack. Also wie funktioniert erfolgreicher Humor?
Zum einen muss man das, worum es geht - sei es eine Szene, eine Situation, eine spezielle Sprache -, kennen. Du kannst nur über etwas lachen, wenn du es kennst. Gut, es gibt gewisse Konstanten im nonverbalen Bereich, wenn Leute ganz klassisch gegen einen Laternenpfosten laufen, das ist Slapstick und Situationskomik, das funktioniert seit den Stummfilmen, das ist global. Je feiner aber der Humor wird, desto schwieriger kann man ihn auf die Reise schicken, gerade was das Wort, was die Sprache betrifft. Es ist wahnsinnig schwierig, Humor zu übersetzen, gerade wenn er lokal verankert ist. "Der Schuh des Manitu" bezieht sich natürlich auf ein deutsches Phänomen - er basiert auf den Winnetou-Filmen, die hauptsächlich in Deutschland erfolgreich waren, kein Mensch kennt in Frankreich Pierre Brice - so tragisch das auch ist. Ja, Humor ist zu einem Großteil lokal verankert: Selbst für mich als Bayer ist der österreichische Humor noch immer ein wenig exotisch, aber ich verstehe ihn. Und ich bin auf Leute wie Josef Hader neidisch, im positiven Sinne. So was würde ich auch einmal gerne hinkriegen.

Weil Sie Hader ansprechen: Wären Sie in Ihrem Humor gerne schwärzer? Sie müssen ja immer absolut breit sein.
Das mache ich nicht mit Absicht, ich sage nicht, dass wir den Mainstream-Bereich nicht verlassen dürfen. Aber Humor ist auch eine ganz subjektive Wahrnehmung -etwa in der Frage: Wo ist die Schmerzgrenze, ab wo geht es unter die Gürtellinie? Diese Gürtellinie ist ja eine Variable, der eine hat sie am Hals, der andere am Knöchel. Du kannst nur das vertreten, wo du selber sagst: "Dafür schäme ich mich jetzt nicht."

Darf Humor verletzen?
Nein, ich persönlich finde das nicht. Provozieren ja, verletzen nein.

Entsteht Humor bei Ihnen denn nie aus Zynismus?
Eigentlich nicht, mein Humor ist deswegen nicht böse und bewegt sich diesseits der Schmerzgrenze, weil ich es nicht aus Wut mache. Viele benützen ihren Humor, um zynisch sein zu dürfen - weil sie wütend sind. Das ist bei mir nicht der Fall, bei mir steht die Unterhaltung an vorderster Stelle.

Ihr Humor fußt also auf Menschenliebe?
Ich würde mich jetzt nicht selber hinstellen und das so sagen, das wäre mir zu pathetisch. Aber wenn Sie das so sagen, kann ich antworten: Ja, das ist so. Mir geht es ja auch selber so -sobald ich die Nachrichten anmache, denke ich mir: Überall nur Mord und Totschlag und sogenannte Führer großer Nationen, wo du dich fragst: Drehen jetzt alle durch? Vor diesem Hintergrund sehe ich meine Aufgabe darin, die Leute ein wenig abzulenken. Ich mache Unterhaltung. Einfach nur großen Quatsch, in der Hoffnung, dass zwei Stunden lang keiner auf schlimme Gedanken kommt. Man sitzt mit anderen Menschen in einem dunklen Raum und kann gemeinsam lachen. Humor als etwas Verbindendes -auch wenn das eine naive, romantische Vorstellung sein mag.

Zwei Stunden den Alltag vergessen machen - mit Verlaub, aber dieses Ziel hat jeder Schlagerstar auch: Wenn Sie den DJ Ötzi fragen, welches Ziel er mit seiner Musik verfolgt, so wird er in etwa das Gleiche antworten.
Sie meinen, dass mein Ziel ein Erhabeneres sein müsste? Vielleicht kommt das noch. Ich habe vor 20 Jahren Dinge gemacht, die ich damals komisch fand, doch heute lagern sie zu Recht im Giftschrank. Natürlich passt du deinen Humor deinem Umfeld und deiner Lebenserfahrung an und natürlich entspricht er auch ein Stück weit dem Zeitgeist - wobei ich immer versucht habe, nie zu aktuell zu werden. Humor, der dem sogenannten Zeitgeist entspricht, ist sehr kurzlebig, man unterstellt ihm ja, dass er früher nicht funktioniert hätte und später nicht funktionieren wird.

»Was ich vor 20 Jahren komisch fand, lagert heute im Giftschrank«

Sie erwähnten Ihren Giftschrank - was ist da drinnen?
Verzweiflung, Plattheit -die Situation, nicht zu wissen, wie man aus einem Sketch wieder rauskommt.

Ist das nicht überhaupt eines der größten Probleme, aus einem Sketch wieder rauszukommen?
Es gab früher ein interessantes Phänomen: Du konntest einen Zwei-Minuten-Sketch machen, an dem absolut nichts komisch war, in dem nix passiert ist. Dann kam am Ende eine Pointe, und die Leute sagten: "Fantastischer Sketch, wunderbar." Gegenbeispiel: Du machtest in derselben Länge einen Sketch mit mehreren Pointen, ein Gag jagte den anderen -aber du kamst nicht gut aus dem Sketch raus und hörtest halt einfach auf, dann sagten die Leute: "Ja, was war denn das jetzt?" Das heißt: Die Forderung nach einer Schlusspointe war damals noch sehr ausgeprägt -heute ist das nicht mehr so.

© Warner Bros Ent./herb X Film/Marco Nagel Dauerbrenner Travestie - Herbig neben Kaiser Franzl, verkörpert von Christian Tramitz, als schrille Lissi

Wie beim Sex? Früher waren ein ausgedehntes Vorspiel und ein Nachspiel nötig, heute ...
Ich sage mal: ja. Ein schöner Vergleich. Früher bin ich mit einer Pointe beim Sex ausgestiegen, heute lass ich's einfach mal so stehen. Guter Ausstieg, oder?

Sie sprachen einmal von "humoristischer Vergangenheitsbewältigung": Ist die Figur Hitler für Sie als deutschen Humoristen mittlerweile ausgereizt, oder ist da noch was drinnen?
Wenn man jetzt eine brillante Idee hat, die man so noch nicht gesehen hat, dann kann man da schon noch was machen. Aber ich bin da nie richtig angetreten, das war nie mein Ziel. Vor 20 Jahren, zu den Anfängen der "Bullyparade", da gab es ja noch keine Hitler-Sketche. Als wir damals wie die Trüffelschweine nach Pointen und Inspiration gesucht haben, näherten wir uns diesem Thema vorsichtig an: Ein ganz schäbiges, abgerocktes, düsteres Wirtshaus, wo ein einsamer Gast in der Ecke sitzt. Plötzlich kommt der Kellner rein - der war ich -, wir trauten uns nicht einmal, ein Hakenkreuz auf die Armbinde zu machen, und weil es halt der Kellner war, haben wir daraus Messer und Gabel gemacht. Also, ich komme rein, trage auf der flachen rechten Hand das Tablett, gehe, begleitet von Marschmusik, auf den Gast zu, krächze "Einmal Leberknödelsuppe!" und schleudere die Suppe per Hitler-Gruß nach vorne. Das ist ja in dem Sinn gar keine Pointe, sondern maximal das Aufzeigen einer affigen Attitüde - aber es war ein Riesengag, der super angekommen ist. Damals haben wir in der Redaktion noch tagelang diskutiert, ob man das darf. Glücklicherweise ist das heute ganz anders, so etwas gehört ja fast schon zum Repertoire.

Gibt es denn Dämonen der Jetztzeit, die man humoristisch bearbeiten sollte? Eignen sich IS-Terroristen?
Man muss mit so etwas tatsächlich sehr, sehr vorsichtig umgehen, weil man damit Menschen, die darunter gelitten haben, verletzt. Deswegen ist Humor immer Tragödie plus Zeit. Heißt: Wenn einmal 50 oder 100 Jahre Gras darüber gewachsen sind, dann kann man selbstverständlich damit humoristisch umgehen. Wenn wir zu dritt unterwegs sind, fallen uns eine Menge Sketche zum IS ein, die auch richtig gut sind. Aber du erschreckst die Leute damit - noch. Und was ich nicht möchte, ist, die Leute zu schockieren.

© Warner Bros Ent./herb X Film/Marco Nagel Dynamisches Trio: Herbig, flankiert von seinen Filmpartnern Rick Kavanian (links) und Christian Tramitz

Gibt es bei Ihnen - ähnlich den Schreibblockaden bei Schriftstellern - so etwas wie Humorblockaden? Gibt es Nächte, wo Sie schweißgebadet aufwachen und sich denken: "Verdammt, ich bin nicht mehr witzig"? Immerhin ist der Humor ja Ihre Existenzgrundlage.
Daraus könnte ein wirklich guter Sketch entstehen: ein Komiker, der nachts schweißgebadet aufwacht, und die Frau neben ihm sagt: "Was ist, hattest du einen Alptraum?" Und der Mann sagt: "Ich-ich-ich bin nicht witzig!" Schöne Vorstellung - habe ich aber nicht. Aber um beim Thema zu bleiben: Ich träume von Pointen und lache im Schlaf - ich bin schon durch mein eigenes Lachen aufgewacht, und meine Frau bestätigt mir auch, dass ich nachts manchmal gluckse. Wenn ich dann wach darüber nachdenke, worüber ich eigentlich lachte, finde ich's meist ziemlich langweilig. Aber in diesem Moment war es eben ein Impuls.

»Ich träume von Pointen, lache im Schlaf, wachte deshalb schon auf«

Leben Sie seit dem "Schuh des Manitu" nicht mit dem Erwartungsdruck, lustig sein zu müssen?
Klar hat das etwas mit meinem Leben gemacht, es gibt ein Leben vor dem "Schuh des Manitu" und eines danach: Diesen exorbitanten Wahnsinnserfolg konnte man ja nicht erahnen. Ich habe aber das große Glück, mit einer totalen Distanz neben diesen Erfolgen herlaufen zu können, so, als würde ich mich selbst dabei beobachten, wie ich damit umgehe. Wenn ich einen Film drehe und meine eigenen Szenen bewerte, sehe ich nie mich selbst. Im Schneideraum spreche ich von mir ganz unbewusst immer in der dritten Person. Manchmal habe ich das Gefühl, das geht mich gar nichts an. Dann lese ich etwas über Bully Herbig in der Zeitung und checke zunächst gar nicht, dass es dabei wirklich um mich geht. Natürlich merke ich, dass eine Aufmerksamkeit um mich entsteht und eine Neugierde, und das ist nicht immer positiv. Ich werde großteils wohlwollend aufgenommen, aber natürlich spürst du auch, dass es dem einen oder anderen nichts ausmachen würde, wenn der nächste Film gegen die Wand fährt.

In der Branche würde man sich schon freuen, wenn dieser Bully einmal so richtig auf die Gosch'n fallen würde, oder?
Ich formuliere es lieber mal so: Es gibt sicher Leute in der Branche, für die wäre das eine Erleichterung. So in der Art: "Ach, Gott sei Dank, jetzt hat es einmal nicht geklappt!" Eine Erleichterung, die dazu dient, selbst daraus Kraft zu schöpfen. Ich nehme das den Leuten nicht einmal übel. Nehmen wir einmal den Film "Zettl" vom großen Helmut Dietl - ein massiver Flop. Aber ich bin da mitgelaufen, als ginge mich das gar nichts an, denn es war ein Helmut-Dietl-Film, und ich war da ein Ensemblemitglied und spielte an der Seite von großartigen Schauspielern. Was für ein Erlebnis das für mich war, mit Senta Berger, mit Ulrich Tukur! Auch dieser Misserfolg hat mich nicht runtergezogen, denn was für mich zählt, ist die kreative Suppe, die ich am Ende des Lebens auslöffle, und die muss mir schmecken. So sehe ich das, ich bin nicht auf einen einzigen Erfolg oder Misserfolg programmiert. Im Idealfall sitze ich mit 80,90 Jahren auf einer Parkbank und erzähle meinen Enkeln, sollte ich welche haben, meine Geschichten von damals. Und die müssen nicht erfolgreich sein - sondern unterhaltsam.

© Warner Bros Ent./herb X Film/Marco Nagel