Erdbeben in Mexiko
Mehr als 220 Tote

In dem Gebäude befand sich auch ein Kindergarten

Nach dem schweren Erdbeben in Mexiko ist die Zahl der Toten nach Angaben der Behörden auf über 220 gestiegen.

von Mexiko - Erdbeben in Mexiko
Mehr als 220 Tote © Bild: YURI CORTEZ / AFP

Bei dem verheerenden Erdbeben in Mexiko sind mindestens 224 Menschen getötet worden. Das sagte Innenminister Miguel Angel Osorio Chong am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) in einem Fernsehinterview. Demnach wurden bisher 117 Tote in Mexiko-Stadt gezählt, 55 im Bundesstaat Morelos und 39 in Puebla. Der nationale Zivilschutzkoordinator gab die Zahl der Toten kurz darauf mit 226 an.

Angesichts der verzweifelten Rettungsmaßnahmen forderte Präsident Enrique Pena Nieto die Bevölkerung auf, zu Hause zu bleiben: "Sofern die Häuser sicher sind, ist es wichtig, dass die Bevölkerung drinnen bleibt, um die Straßen für Krankenwagen frei zu halten und die Arbeit der Rettungshelfer zu erleichtern", sagte er in einer Videobotschaft. Oberste Priorität habe nun die Suche nach Vermissten und die medizinische Versorgung der Verletzten.

Zahl der Toten auf 224 gestiegen - 25 Tote in eingestürzter Schule

Das schwere Erdbeben hatte sein Zentrum am Dienstagmittag mexikanischer Ortszeit rund 120 Kilometer Luftlinie südöstlich von Mexiko-Stadt. Während des Bebens stürzte eine Schule im Zentrum Mexiko-Stadts ein. Helfer haben in der Nacht auf Mittwoch nach Dutzenden verschütteten Kindern und einigen Lehrern gesucht. "Wir schätzen, dass noch zwischen 30 und 40 Menschen in den Trümmern gefangen sind. Wir hören aber Stimmen, einige sind noch am Leben", sagte Marine-Sprecher Jose Luis Vergara dem Fernsehsender "Televisa".

»Wir schätzen, dass noch zwischen 30 und 40 Menschen in den Trümmern gefangen sind. Wir hören aber Stimmen, einige sind noch am Leben«

Beim Einsturz der Schule Enrique Rebsamen kamen mindestens 25 Kinder und fünf Erwachsene um, wie der Fernsehsender "Televisa" unter Berufung auf Helfer berichtete. Die Leichen dieser Opfer seien alle geborgen worden. Elf Kinder seien lebend gerettet worden. Ein "Televisa"-Reporter, der die Rettungsaktionen aus nächster Nähe verfolgte und unter anderem die Bergung eines toten Mädchens erlebte, sagte: "Mein Herz ist gebrochen."

Gezittert wurde in Mexiko unter anderem um Victor - einen kleinen Buben, der nach Medienberichten mit einem langen Schlauch mit Sauerstoff versorgt wurde. Ein Sprecher der Rettungskräfte sagte "Televisa", man sei außerdem in Kontakt mit einer verschütteten Lehrerin, die ein kleines Mädchen bei sich habe. Das Gebäude beherbergte Kindergarten, Volksschule und Gymnasium

Die Zahl der Toten dürfte weiter steigen. Da gerade in der Hauptstadt viele Gebäude eingestürzt sind, wurde mit weiteren Opfern gerechnet. Tote gab es auch in den Bundesstaaten Mexico (12) und Guerrero (1).

Ausgerechnet am Jahrestag des verheerenden Erdbebens von 1985 bebte die Erde erneut heftig. Vor 32 Jahren kamen rund 10.000 Menschen ums Leben. Rund zwei Stunden vor dem heftigen Erdstoß am Dienstag hatten viele Behörden, Unternehmen und Schulen sich noch an der alljährigen Erdbebenübung beteiligt.

Über 500 Gebäude in Mexiko-Stadt beschädigt

Allein in Mexiko-Stadt stürzten mindestens 48 Gebäude ein, mindestens 500 wurden zum Teil schwer beschädigt.Wie Bürgermeister Miguel Angel Mancera am Mittwoch mitteilte, müssten diese erst eingehend untersucht und repariert werden, bevor Bewohner zurückkehren können. Viele könnten unbewohnbar geworden sein, sagte er im TV-Sender Televisa. Der Flughafen wurde geschlossen und auf Schäden untersucht.

Man sei mit Baufirmen im Gespräch, dass sie rasch Experten schicken. Die Suche nach Überlebenden in Trümmerbergen wird zunehmend zum Wettlauf gegen die Zeit, einige Verschüttete versuchten, mit WhatsApp-Nachrichten auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machenNach Angaben des Elektrizitätsunternehmens CFE waren mindestens 3,8 Millionen Menschen ohne Strom.

Trump auf Twitter

US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter: "Gott schütze die Menschen in Mexiko-Stadt." Man stehe an ihrer Seite.

Ein Reporter berichtete von schwankenden Gebäuden in der Hauptstadt und Gasgeruch. Tausende verängstigte Menschen seien auf die Straßen und Plätze geflüchtet. Das Telefonnetz brach zusammen. Auf TV-Bildern waren verschüttete Menschen in Trümmern zu sehen.
In der Hauptstadt und dem angrenzenden Großraum leben rund 20 Millionen Menschen. Die Universität von Mexiko-Stadt teilte mit, dass alle Kurse und Veranstaltungen bis auf Weiteres ausfallen, um die Gebäude auf Schäden zu untersuchen. Auch Schulen setzten den Unterricht aus.

In Internetvideos waren Menschen zu sehen, die um ihr Leben bangen, schreien, weinen. An Gebäuden fielen riesige Gesteinsbrocken und Fassaden ab. Die Situation war zunächst völlig unübersichtlich. Menschen erhielten unter freiem Himmel Infusionen, Helfer suchten mit bloßen Händen in den Trümmern nach Überlebenden.

Mehrere Nachbeben versetzten die Menschen kurz darauf zusätzlich in Angst. Wie das nationale Seismologische Institut auf Twitter mitteilte, wurden am Dienstagabend und in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) unter anderem im südöstlich von Mexiko-Stadt liegendem Bundesstaat Oaxaca Nachbeben gemessen. Betroffen war mehrmals die Küstenregion vor der Stadt Salina Cruz, das schwerste Nachbeben hatte demnach die Stärke 4,9. Bei einem Beben im Landesinneren nahe der Stadt Loma Bonita gab das Institut eine Stärke von 4,0 an.

Erst am 7. September waren bei einem Beben der Stärke 8,2 rund 100 Menschen im Land umgekommen, dabei lag das Zentrum aber im Pazifik und war in Mexiko-Stadt längst nicht so stark zu spüren. Danach gab es weit über tausend Nachbeben.

Mexiko befindet sich in einer der weltweit aktivsten Erdbebenzonen. Der Großteil der Landmasse liegt auf der sich westwärts bewegenden nordamerikanischen Erdplatte. Unter diese schiebt sich die langsam nach Nordosten wandernde Cocosplatte. Der Boden des Pazifischen Ozeans taucht so unter die mexikanische Landmasse ab. Das führt immer wieder zu schweren Erschütterungen, die das Land bedrohen.

Katastrophenhilfe des Roten Kreuzes angelaufen

Nach dem Erdbeben in Mexiko, bei dem mindestens 224 Menschen ums Leben gekommen sind, läuft die Katastrophenhilfe des Roten Kreuzes auf Hochtouren. Es gebe ein Zeitfenster von 72 Stunden, in denen die Chancen gut sind, Menschen lebendig aus den Trümmern zu retten, sagte Walter Hajek, Leiter der Internationalen Zusammenarbeit beim Roten Kreuz, am Mittwoch gegenüber der APA.

Mindestens 40 Gebäude seien eingestürzt. "Der Fokus des Roten Kreuzes liegt auf Such- und Rettungsmaßnahmen", erzählte Hajek. "Das mexikanische Rote Kreuz ist mit über 500 Mitarbeitern im Einsatz." Insgesamt gebe es 17 Such- und Rettungseinheiten. Anort und Stelle sorgen 90 Ambulanzen für die Erstversorgung von Verletzten.

Weitere Behandlung erfolgt in Spitälern. Einige Krankenhäuser mussten jedoch evakuiert werden. "Die Behandlung wird auf den Straßen fortgeführt, sagte Hajek. Notunterkünfte wurden eingerichtet, und die Menschen werden mit dem Wichtigsten versorgt.

Eine weitere wichtige Tätigkeit des Roten Kreuzes ist die Familienzusammenführung. Menschen seien in Panik. "Durch das entstandene Chaos wurden Familien auseinandergerissen. Die Angehörigen suchen nach Kindern, Eltern, Geschwistern", erzählte der ÖRK-Mitarbeiter. Das Rote Kreuz bietet eine Telefonnummer an, an die man sich wenden kann. Diese psychosoziale Unterstützung sei wichtig, ein Trauma sei dadurch weniger schlimm.

"An viel größeren Katastrophe vorbeigeschrammt"

Die geologische Konstellation des Erdbebens vom Dienstag war laut den Experten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) so geartet, dass Mexiko an einer womöglich viel größeren Katastrophe vorbeigeschrammt ist. Laut Wolfgang Lenhardt, Leiter der Abteilung Geophysik der ZAMG, hat sich die Pazifische Platte unter die amerikanische geschoben.

Dabei bekam sie einen Knick an der Oberkante, der aber glücklicherweise in großer Tiefe lag. Damit befand sich auch das Hypozentrums des Bebens sehr tief unten. Wäre es wesentlich höher gelegen, hätte es wohl bedeutend mehr Opfer gegeben. Letztlich sei es zu Zugspannungen an der Oberfläche des Knicks gekommen.

An sich gebe es im Umfeld von Mexico City nicht allzu viele Erdbeben - glücklicherweise, denn die mexikanische Hauptstadt stehe auf dem Grund eines ausgetrockneten Sees. Die Sedimente des ehemaligen Gewässers würden die Auswirkungen von Erdstößen multiplizieren.

Lenhardt wies auch darauf hin, dass der Erdstoß vom Dienstag eigentlich nichts mit dem Beben im Süden des Landes vor knapp zwei Wochen zu tun habe. Es gehe zwar um die selbe Platte, aber das Erdbeben von Chiapas und Oaxaca sei an der Unterkante der Platte entstanden.