Angela Merkel: Eine
Krisenmeisterin wird 65

Angela Merkel hat schon viele Krisen gesehen in ihren bald 14 Jahren Kanzlerschaft. Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise. Diverse Koalitionskrisen. Und nun kämpft Merkel auch noch mit einer Gesundheitskrise. Ausgerechnet kurz vor ihrem 65. Geburtstag, den sie heute am 17. Juli feiert. Die deutsche Kanzlerin muss sich eingestehen, dass ihr Körper nicht immer das macht, was der Geist von ihm will.

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    2005

    Am 22. November 2005 wird Angela Merkel zur deutschen Bundeskanzlerin gewählt.

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    2005

    2005 löst Merkel den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der vorgezogenen Bundestagswahl ab - nach einem knappen Sieg der Unionsparteien CDU und CSU.

Insgesamt vier Mal hat Merkel nun bereits in der Öffentlichkeit heftige Zitterattacken durchlitten, drei davon jüngst innerhalb von drei Wochen. Selbst mit ihrer sonst eisernen Willenskraft ist es ihr nicht gelungen, die Krämpfe zu unterdrücken. Wo doch sonst ihre Robustheit und Nervenstärke etwa in durchverhandelten Nächten legendär und gefürchtet sind.

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Einen Tag nach dem jüngsten Anfall an der Seite des Finnen Antti Rinne hat Merkel mal wieder pragmatisch reagiert. Als sie die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen am Donnerstag empfängt, lässt sie zu den militärischen Ehren einfach zwei Stühle auf das rote Podest stellen. Sonst muss den Nationalhymnen hier stehend gelauscht werden - doch dabei kamen die Schüttelanfälle über die Kanzlerin. Pfeif' aufs Protokoll, lieber keinen neuen Anfall riskieren.

Warten auf den richtigen Abschied

Sie sei "fest davon überzeugt, dass ich gut leistungsfähig bin", versucht Merkel Zweifel auszuräumen, dass sie ihr Amt noch richtig ausfüllen kann. Sie spricht von einer Verarbeitungsphase des Zitterkrampfes, den sie beim Besuch des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 18. Juni erlitten hat. Doch Merkel scheut sich zuzugeben, dass sie beim Arzt war. Man dürfe aber davon ausgehen, "dass ich auch als Mensch ein großes persönliches Interesse daran habe, dass ich gesund bin und auf meine Gesundheit achte".

Auch interessant: Mutet sich Merkel zuviel zu?

Die Zitterattacken haben Sorgen wachsen lassen, dass sich die Kanzlerin zuviel zumutet. Nicht auszuschließen, dass die 18 Jahre an der CDU-Spitze mit ständigen internen Rangeleien und die Jahre als Regierungschefin mit Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit tiefe Spuren bei Merkel hinterlassen haben. Auch den Tod ihrer Mutter Herlind Kasner im April soll Merkel noch nicht wirklich verarbeitet haben.

Vor mehr als 20 Jahren schon hatte sie der Fotografin Herlinde Koelbl gesagt, sie wünsche sich, nicht als "halbtotes Wrack" aus der Politik auszusteigen. Wird Merkel noch selbstbestimmt den richtigen Zeitpunkt für den Abschied von der Politik finden?

Regierungsalltag ohne Pause

Der Terminkalender der Kanzlerin sieht nicht so aus, als denke sie mit fast 65 an die Pension. Selbst am Tag, an dem sie Geburtstag feiert, wird die Kanzlerin wie immer mittwochs das Kabinett leiten. Regierungsalltag eben. Keine große Festivität wie zum 60. Geburtstag ist bisher bekannt. Damals hatte sich Merkel einen Vortrag des Konstanzer Historikers Jürgen Osterhammel gewünscht. Der sprach in der CDU-Zentrale vor 1.000 Gästen über "Zeithorizonte der Geschichte".

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Direkt vor Merkels Ehrentag steht auch noch die nächste Nervenprobe an: Die Wahl ihrer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin. Fällt von der Leyen durch, beginnt die quälende Suche nach einer EU-Spitze von vorne. Gut möglich, dass dann auch die nächste Koalitionskrise ausbricht - obwohl führende SPD-Leute in Berlin beteuern, die Brüsseler Personalie habe keine Auswirkung auf die Statik der Berliner Koalition. Ob alle in der Union das auch so sehen? Erhält sie aber trotz des angekündigten SPD-Neins eine Mehrheit, steht Merkel eine kniffelige Umbildung des Kabinetts bevor.

Stabilität und Ruhe sind nicht gerade Elemente, die die vierte und letzte Regierungszeit der Kanzlerin prägen. Politische Gegner sind nicht die einzigen, die Merkel einen Verfall der Macht attestieren.

Wackelnde Macht

Viele machen den vermeintlichen Machtverlust schon an den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen mit FDP und Grünen nach der Wahl 2017 fest. Und am Zustand von Merkels aktueller dritter großer Koalition. Schwarz-Rot wackelt permanent. Man kann aber, wie manche Merkel-Getreue, auch fragen: Was kann Merkel dafür, dass die SPD so zickt? Oder die FDP kneift. Oder dass die CSU mit Horst Seehofer beim Thema Migration die Regierung bis an den Rand des Scheiterns treibt.

Merkel kämpfe mit einer sich tiefgreifend verändernden politischen Landschaft, halten ihr Unterstützer zugute. Stabile Zweierbündnisse wie früher sind da kaum noch zu bilden. Kritiker wie Friedrich Merz oder die besonders konservative CDU-Splittergruppe Werte-Union machen vor allem Merkels Migrationspolitik für die schwindende Kraft der Union verantwortlich.

Rekordverdächtig beliebt

Dabei kann sich Merkel inzwischen wieder über hohe Beliebtheitswerte freuen. Aber auch hier sagen Kritiker: Diese Sympathiewerte ziehen die CDU nicht mit. Die Partei dümpelt in Umfragen zuletzt stabil weit unter 30 Prozent, mit den Grünen auf den Fersen. Gegner halten Merkel zudem mangelnden Einsatz im Europawahlkampf vor. Unter ihren größten Widersachern heißt es, es gehe der Kanzlerin schon lange nicht mehr um die CDU. Ihr Programm bestehe ausschließlich aus drei anderen Buchstaben: ICH.

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Da zählt wenig, dass Merkel auf internationaler Ebene noch immer als einzige Politikerin gilt, die von Donald Trump, Wladimir Putin oder dem Chinesen Xi Jinping ernst genommen wird. Eher wird der Kanzlerin vorgehalten, sie bastele mit viel Pathos am Vermächtnis. Etwa mit ihrer aufsehenerregenden Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz oder der umjubelten Ansprache vor Tausenden Studenten an der US-Eliteuniversität Harvard.

Schon gewusst? Merkel attacktiert Trump in perfekter Harvard-Rede

Hält Schwarz-Rot bis Weihnachten durch, hat Merkel länger regiert als der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, der von 1949 bis 1963 genau 14 Jahre und einen Monat amtierte. Ob es der Kanzlerin wichtig ist, auch die 16 Jahre Regierungszeit ihres Unionsvorgängers und früheren CDU-Übervaters Helmut Kohl zu toppen? Das geht nur, wenn die Koalition tatsächlich bis 2021 regiert. Aber in der Union rechnen viele damit, dass es im Frühjahr 2020 eine vorgezogene Neuwahl gibt - falls die SPD sich vorher für die Opposition entscheidet. Was Kohls Amtsdauer betrifft, sagen Menschen aus Merkels Umgebung: So tickt sie nicht.

Instabilität unerwünscht

Doch wie geht es weiter, falls die SPD aussteigt? Eine längere Zeit der Minderheitsregierung wird mit Merkel kaum zu machen sein. Für das größte und stärkste Land der EU ist eine derart wackelige Regierungsform nicht praktikabel, ist die Kanzlerin überzeugt. Die Übergangszeit bis zur vorgezogenen Wahl dürfte sich deswegen eher in Monaten bemessen. Zumal Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die wichtige EU-Ratspräsidentschaft innehat. Instabilität unerwünscht.

Merkel hat immer wieder betont, sie stehe bis zum regulären Ende der Regierung 2021 als Kanzlerin zur Verfügung. An CDU oder CSU wird die von vielen ungeliebte Koalition kaum scheitern, versichern auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und der CSU-Vorsitzende Markus Söder. Zu groß ist die Angst vor dem Unmut der Anhänger, die nichts weniger schätzen als eine Union, die Instabilität verursacht.

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Merkel selbst gibt sich auf die Frage, was der 65. Geburtstag für sie bedeutet, gewohnt bescheiden. Ihr werde bewusst, "dass man immer älter wird", sagt die Kanzlerin. Zwar sei der 65. nicht ganz so markant wie der 60. oder der 70. Geburtstag. Aber er bedeute eben auch: "Dass man nicht jünger wird. Aber erfahrener. Vielleicht. Alles hat seine gute Seite."

Kommentare

Roland Mösl

Bis 2015 konnte man die Ära Merkel mit der Ära Breschnew in der Ex-UDSSR vergleichen, eine Zeit der Stagnation, der Erstarrung, des Niedergangs, nach 2015 wurde dann Merkel weit schlimmer als Breschnew.

Wann geht sie endlich, der Sargnagel Europas!!! Ein Desaster und der Untergang Europas!

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