Eine gewaltige Kletterpartie

Der 1.445 Meter hohe Schöckl gilt als gemütliches Ausflugsziel der Grazer. Deren Hausberg hat aber auch eine andere Seite, eine brutale mit bis zu 60 Prozent Steigung. Die haben wir mit der neuen Mercedes-G-Klasse erklommen. Und sind im Höllentempo auch wieder abgestiegen.

von Motor - Eine gewaltige Kletterpartie © Bild: Rudi Froese

Der V8-Motor klingt, als würde Lee Marvin seine Nummer-eins-Nummer "Wand 'rin' Star" intonieren; der grüne Monolith östlich von Graz wirkt trotz seiner nur 1.445 Meter respekteinflößend, und Magna-Testfahrer Hans-Jürgen Erler begrüßt uns mit breitem Grinsen: "Ich fahre heute das erste Mal auf den Schöckl." Na das fängt ja gut an, denken wir insgeheim. Er meint natürlich: an diesem Tag.

Mercedes hat Fotograf Rudi Fröse und mich eingeladen, die gesteigerten Talente der Geländewagen-Legende in zweiter Generation genau dort kennenzulernen, wo ihr diese antrainiert werden. Für diesen ganz besonderen Test ist natürlich der von den Magna-Erprobungsfahrern "Klettersteig" genannte Schöckl gemeint. Wir wollen den Grazer Hausberg auf der gut fünf Kilometer langen Teststrecke mit Steigungen von bis zu 60 Prozent und Seitenneigungen von bis zu 40 Prozent erklimmen. "Wir nennen diese Erprobungsfahrten Hard-Offroad", erklärt Erler und steigert so die Spannung.

Wie der Alte, nur besser

Mercedes wollte natürlich die gusseisernen Fans - sie hatten gerade den Schock verwunden, dass nach 39 Jahren eine ganz neue G-Klasse auf den Markt kam -nicht noch weiter irritieren und hat nicht alles den Modernisierungsmaßnahmen untergeordnet. Daher ist der Neue (fast) wie der Alte, nur größer. 15,5 Zentimeter in der Länge, fünf in der Breite und 1,5 in der Höhe. Ganz, ganz wichtig war natürlich, dass die Grundform des Wagens erhalten blieb. Und selbstverständlich wird die G-Klasse weiterhin nach dem Reinheitsgebot echter Geländewagen -in Graz -gebaut, also mit Leiterrahmen, Untersetzungsgetriebe und drei Sperren, einer zentral, einer hinten und, in Alleinstellung, auch einer vorne.

© Rudi Froese

Kann auch Asphalt

Auf den 35 Kilometern vom Magna-Werk zum Fuß des Schöckls kann der G zeigen, dass er nicht nur ein Kerl fürs Grobe ist, sondern neuerdings auch auf glattem Asphalt respektable Haltungsnoten verdient. Geschuldet sind die besseren Manieren einem freundlicher ausgelegten Fahrwerk und vor allem der Einzelradaufhängung vorne, hinten bleibt es bei der Starrachse. Der G fährt sich plötzlich wie eine aufgebockte S-Klasse - na ja, fast -, liegt bombensicher auf der Straße, nicht nur, weil ihn zweieinhalb Tonnen auf den Asphalt drücken. Die Kraft wird jetzt zu 40 Prozent nach vorne und zu 60 Prozent nach hinten dirigiert. Normalmodus eben. Der G lenkt lässig ein, und auch die absichtlichen Zick-zack-Lenkmanöver unseres "Chauffeurs" bringen ihn nicht aus der Ruhe. Die 422 PS wuchten den G mit einem Fauchen voran, "dabei war das nicht einmal Halbgas", schmunzelt Erler und nimmt auch die nächste Kurve, eine ziemlich enge, in forciertem Tempo, ohne dass der Geländebär die Beherrschung verloren hätte. In einem Mercedes-Pkw würde man nicht einmal mit der Wimper zucken, im G ist die ganze Angelegenheit viel imposanter, weil man ja 92 Zentimeter über der Straße thront.

Kein Berg zu schwer

Plötzlich wird es ernst - wir sind am Fuße des Schöckls. Dort, wo laut Sondergenehmigung des Eigentümers, des Grafen Stubenberg, Magna von Montag bis Freitag, von Dämmerung bis Dämmerung, seine Geländeautos testen darf. "Pinzgauer und Haflinger haben hier fahren gelernt. Und natürlich der G", erzählt Erler, während er alle drei Sperren per Schalter am Armaturenbrett einlegt, was mittels eines kleinen roten Lichts im Kombiinstrument angezeigt wird. "Das ist notwendig, weil wir jetzt in schwieriges Gelände fahren. Oder anders ausgedrückt: Uns erwarten jetzt Felsen, Felsen und noch einmal Felsen."

Als neue Kletterhilfe kam der G-Mode hinzu, der, sobald eine der drei Differenzialsperren oder die Geländeuntersetzung Low Range eingelegt wird, in Aktion tritt. Diese Offroad-Einstellung sorgt dafür, dass der G im Gelände über jeden Verdacht erhaben ist, Steigungen bis 45 Grad (100 Prozent) und seitliche Schräglagen bis 35 Grad meistert. Tatsächlich klettert der G völlig unbeeindruckt über beindicke Wurzeln und kniehohe Felsblöcke, dabei loten wir die Grenzen des Machbaren nicht annähernd aus. Dann wuchtet Erler den G so auf eine Felskante, dass drei Räder in der Luft hängen. "Auch wenn nur ein Rad Grip hat, geht's trotzdem weiter, den Berg hinauf."

Höllenritt ins Tal

Dann darf ich ans Steuer, um zu zeigen, was ich gelernt habe, um im steilen Gelände ohne mechanische Handbremse anzufahren. Also ungewohnter Weise mit dem linken Fuß auf die Bremse, mit dem rechten aufs Gaspedal und den Motor auf 1.200 Umdrehungen hochdrehen - der G spannt sich vor, ich löse die Bremse und fahre langsam los, als wäre es nur eine Garagenauffahrt.

© Rudi Froese

Nach kurzer Rast oben, im Alpengasthof, übernimmt Hans-Jürgen Erler wieder das Steuer für eine stilvolle Abfahrt. Meinen wir. Doch schnell wähnen wir uns eher bei Walter Röhrl im Rallye-Auto denn in einem G, so beherzt geht es ohne Bremsmanöver durch den kurvigen Wald und die kurzen Beinahe-Geraden geraten zu Vollgas-Etappen. Angekommen sind wir unbeschadet, und der G wirkt wie frisch aus der Fabrik.

Daten

Mercedes Benz G 500

Preis: € 142.490,-
Motor: Benziner, V8, 3.982 ccm
Leistung: 422 PS (310 kW)
Spitze: 220 km/h 0-100: 5,9 Sek.
Verbrauch: 15,9 l/100 km
Emission: 369 g CO2/km
Fazit: Die neue Mercedes-G-Klasse kann noch mehr als die Alte. Sie ist außen moderner und innen luxuriöser geworden. Im Gelände ist sie nach wie vor die Instanz, nur Gämsen können mehr. Und auf Asphalt hat sie jetzt auch Manieren