14 ernste Fragen an Otto Waalkes

Dass das ewige Kind Otto Waalkes in Kürze 70 Jahre alt sein wird, erscheint so paradox wie sein Leben, über das er nun in einer Autobiografie Auskunft gibt. Wir schickten ihm Fragen jenseits der Komiker-Routine. Er wählte uns einen Vorabdruck aus

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Runder Geburtstag - 14 ernste Fragen an Otto Waalkes

1

Wie bereitet sich ein ewiges Kind auf den 70. Geburtstag vor? Ein beängstigender Gedanke?

Der Gedanke schreckt mich nicht. Vielleicht kommt das böse Erwachen, wenn er sich realisiert am 22. Juli. Die Vorbereitungen sind schlimmer. Ich werde in meiner Heimatstadt feiern. Ob sich da jemand auf den weiten Weg macht – ich weiß es nicht.

2

Bangen Sie vor dem Augenblick, in dem Ihre Energien auf der Bühne nachlassen?

Sicher, das wäre schrecklich. Doch derzeit fühle ich mich noch fit. Und im entscheidenden Moment, wenn ich auf die Bühne gehe, hat mir stets das Publikum geholfen. Große Erwartungen setzen große Energien frei, vielleicht sind es Glückshormone – zumindest habe ich die Erfahrung gemacht.

3

Wenn Sie Ihre Kindheit mit heute vergleichen – hat es ein junger Mensch schwerer oder leichter als damals?

Für die Kindheit gibt es wenig Vergleichbares. Aber was den Übergang ins Erwerbsleben betrifft, bin ich sicher: Das war meinerzeit einfacher. Wir haben uns ­deswegen jedenfalls wenig Sorgen gemacht.

4

Sie beklagen im Buch den Verlust von Anarchie, Sprache und Satire in Zeiten der allwaltenden Korrektheit. Betrachten Sie die als Plage?

Das ist übertrieben. Noch weht die Fahne der Blödelei – weißer Adler auf weißem Grund –, aber ihr Hoheitsgebiet wird enger. Kommt mir jedenfalls so vor. Vielleicht deshalb, weil es sich in meinen Anfängen, etwa um 1970, so schnell erweitert hat: Tabu-­Grenzen wichen wie von selbst zurück, Autoritäten wankten nicht – sie fielen einfach um: Bums, weg waren sie.

5

Was blieb von den prägenden späten Sechzigerjahren? Ist Metoo ein notwendiges Regulativ oder ein Killer der damals erkämpften sexuellen Freiheit?

Dazu kann ich als Nichtbetroffener wenig sagen. Metoo ist ein Sammelbegriff für viele verschiedene Einzelfälle, bei denen es fast immer um die Glaubwürdigkeit der Beteiligten geht. Ich kenne keinen einzigen dieser Fälle gut genug, um ihn beurteilen zu können. Das würde ich lieber den zuständigen Gerichten überlassen.

6

Wo hat Satire ihre Grenzen? Darf man z. B. über Auschwitz Scherze treiben? Wurden Kollegah und Kollege zu Recht durch das Dorf getrieben?

Ihr Beispiel ist extrem – ich würde es nicht tun. Wenn andere naiv oder dumm genug sind, es zu versuchen, gibt es auch dafür Grenzen – sowohl juristische als auch ­geschmackliche.

7

An welche Grenze haben Sie selbst sich gewagt? Wäre z. B. Böhmermanns „Ziegenficker“-Gedicht in Ihrem literarischen Portfolio denkbar?

Nicht aus dem Anlass – und aus welchem Anlass sonst sollte man solche Verse machen? Nein, ich bleibe bei den reichen Reimen: „Angeklagte, Ihnen wird zur Last gelegt, Sie hätten an dem Mast gesägt …“ usw. Ich habe es immerhin mit dem „Schniedelwutz“ in den Duden geschafft.

8

Wurden Sie durch Kritiker ernstlich verletzt?

Sie haben anfangs mein Selbstbewusstsein etwas angekratzt. Später hat es mich dann getröstet, dass in der Masse der Kritiken so unterschiedliche Urteile für dasselbe Produkt auftauchten. Letztlich sind Kritiker wohl auch Menschen. Allerdings solche, die ihre Vorurteile schlüssiger begründen können.

9

Betrachten Sie sich privat als gescheitert? Haben Sie dem Beruf zu viel geopfert?

Privat bin ich nicht gescheitert, sondern durch harte Erfahrungen etwas gescheiter geworden – hoffe ich zumindest. Heute weiß ich, wie schwer sich das Leben eines fahrenden Gauklers mit dem eines sesshaften Familienvaters verbinden lässt. ­Eigentlich hätte ich darauf auch früher kommen können …

10

Frage von Vater zu Vater: Haben Sie im Leben Ihres Sohnes die Rolle gespielt, die Sie gern gespielt hätten? Und er in Ihrem?

Welche Rolle ich in seinem Leben gespielt habe, kann nur Benjamin selbst beurteilen. Für mich war er sehr wichtig, ein Vorbild, da ich mir von ihm lange abschauen konnte, wie man nicht so schnell erwachsen wird. Heute ist er’s und spielt eine andere Rolle: Als Geschäftsführer für Ottifanten und Chefkameramann bei meinen Shows.

11

Kinder (auch meine) lieben Sie über alles. Was sagen Sie, das Idol der Achtundsechziger- Intellektuellen, zu dieser Klientel?

Ich weiß nicht, wie man sich die Liebe von Kindern verdient. Vielleicht, indem man sie behandelt wie jeden Älteren auch? Auf Zielgruppen habe ich eigentlich nie gezielt oder geschielt – ich mache, was mir Spaß bringt. Dass so viele Kinder daran auch Spaß haben, verstehe ich nicht wirklich – genauso wenig wie damals die Zuneigung der Achtundsechziger.

12

Ihr größter Triumph?

Ein Interview mit News durchzuhalten, ernsthaft.

13

Ihre größte Niederlage?

Beim Tennis schmerzen Niederlagen am unmittelbarsten, vor allem, wenn sie unverdient sind – und das sind doch die meisten.

14

Sind Sie ein glücklicher Mensch?

Glück ist genauso schwierig zu definieren wie Komik. Denn jeder hat da seine eigene Vorstellung und empfindet anders. Ich hatte eine glückliche Kindheit, meine ­Karriere war auch eine Kette von Glücks­fällen – nein, das wirkt jetzt ja geradezu unverschämt.

Dieses Interview erschien ursprünglich in der Printausgabe 19 2018