Das Herz von Guido Gualdoni schlägt für die Forschung. Als er nach sieben Jahren Forschungsarbeit gemeinsam mit seinem Kommilitonen Johannes Stöckl an der Medizinischen Universität Wien durch Zufall eine weltweit einzigartige Entdeckung machte, stand er vor der größten Entscheidung seines Lebens.

1. Damit will er die Welt verändern
Guido Gualdoni beschloss die Welt zu verändern. Sein lang gehegter Wunsch, eine akademische Laufbahn einzuschlagen mit dem krönenden Abschluss eines Professorentitels, wich seinem neuen Ziel. Er will als derjenige in die Geschichte eingehen, der eine Therapie gegen Schnupfen und andere virale Atemwegserkrankungen gefunden hat. Und noch mehr, seine medikamentöse Therapie in Form von Nasensprays soll auch Covid-19-Viren unschädlich machen.
Was macht G.ST Antivirals? Erklärung:
Das Start-up hat eine wirksame Therapie gegen Rhinoviren identifiziert, die 2-Deoxyglukose. Rhinoviren sind die häufigsten Erreger, die Erkältungen, Schnupfen, aber auch Atemwegserkrankungen hervorrufen können. Die neu entwickelte, stark wirksame Substanz ist weltweit einzigartig und soll als Nasenspray auf den Markt kommen. Das Medikament hemmt die Zuckerverwertung der Wirtszelle und hungert so das Virus innerhalb der Zelle aus.

Wichtig: Das Start-up widmet sich auch der Forschung zur Behandlung von COVID-19. Je nachdem, wie sich die Corona-Pandemie bis zum ersten Halbjahr 2022 entwickelt, sind medikamentöse Therapien gegen Coronaviren geplant.
2. Der steinige Weg bis zur Gründung
Heute freut sich der Gründer über verhältnismäßig schnelle Fortschritte. "Vor eineinhalb Jahren hat es unsere Firma noch nicht gegeben, jetzt planen wir schon die erste klinische Studie", sagt Guido Gualdoni begeistert. Aber der Weg dorthin war kein leichter. Vor allem die Zeit vor der Gründung war intensiv. Wie lange das Gründer-Duo schon am Projekt gearbeitet hat, bevor es überhaupt zur Gründung kam werde unterschätzt.
Geboren wurde das Projekt bereits im Jahr 2012 - damals als reines Forschungsprojekt. Das heutige Gründer-Duo war damals schon gemeinsam am Werk. Guido Gualdoni und Johannes Stöckl haben nämlich mit ihrer Forschung zwischen zwei Arbeitsgruppen an der MedUni Wien begonnen. "Was wir damals primär herausfinden wollten, war, wie die Interaktion zwischen Viren (Rhinoviren) und dem Stoffwechsel ihrer Wirtszelle funktioniert", erklärt er.
3. So profitierte er vom Umfeld der Hochschule
In den Anfängen beschäftigte das Duo eine rein grundlagenwissenschaftliche Frage. Durch Zufall haben die beiden dann herausgefunden, dass die Viren gut zugänglich sind für ihren neuartigen Therapieansatz. "Wir haben rund sieben Jahre daran geforscht, diesen Mechanismus zu entschlüsseln", sagt er. Dafür sei die Uni der beste Ort gewesen. "Wir hatten Laboreinrichtungen und alle notwendigen Freiheiten, uns wissenschaftlich zu betätigen."
4. Die Beweggründe für das eigene Unternehmen
Als sie danach aus ihren Erkenntnissen eine Therapie abgeleitet haben, kam das Umdenken. Und der schwierige Prozess der Gründung startete. Aber warum hat sich der heutige CEO Guido Gualdoni überhaupt dazu entschlossen, ins kalte Wasser zu springen und eine Firma zu gründen, anstatt weiter an der Uni zu forschen?
News.at: Hatten Sie schon als Student vor, ein Unternehmen zu gründen? Wie kam es dann dazu?
Guido Gualdoni: "Nein, ich hatte das nicht vor. Ich war angestellt bei der MedUni Wien und habe eine akademische Karriere angestrebt. So wie die meisten Forscher an einer Universität wollte auch ich Professor werden. Ein Unternehmen zu gründen, habe ich damals nicht einmal in Erwägung gezogen."
"Erst im Jahr 2018 wurde uns klar, dass unsere Therapie ganz großes Potential hat und tatsächlich Krankheiten behandeln kann. Erst dann haben wir uns gedacht: Wenn wir es nicht tun, tut es keiner. Und es wäre so schade um das Projekt. Das war der Grund, warum wir uns dazu entschlossen haben, uns reinzuknien und es selbst auf Schiene zu bringen."
Warum war es auf der Uni nicht möglich, Ihre innovative Idee zu verwirklichen?
"Die Aufgabenstellung der medizinischen Universität ist die Patientenversorgung, die Lehre und die Forschung. Ein Medikament dort zu entwickeln gehört nicht dazu. Im akademischen Umfeld gibt es einfach keine Forschungsförderung, die Medikamentenentwicklung unterstützen würde. Dafür muss man ein Start-up oder Spin-off gründen oder man überträgt das Projekt als Ganzes an ein pharmazeutisches Unternehmen."
Was war ihr Motor für die Gründung - wirtschaftlicher Erfolg oder Innovationslust?
"Für mich ist der Hauptmotor, dass wir die Substanz weiterentwickeln möchten. Wir sind in einer so einzigartigen Situation, dass wir über einen Mechanismus selbst eine Therapie entwickeln konnten. Wir haben es entdeckt und können es jetzt tatsächlich an den Patienten bringen. Das ist für mich als Forscher eine einmalige Gelegenheit im Leben."
"Eine eigene Therapiemöglichkeit zu entdecken, das ist so etwas Seltenes, das war unser Ansporn. Einfach der Gedanke, das mein Team und ich diejenigen waren, die den Schnupfen oder andere virale Atemwegserkrankungen geheilt haben."
Wie alt waren Sie bei der Gründung?
"Bei der Firmengründung war ich 31. Die ersten Gedanken, diesen Weg einzuschlagen, hatte ich mit 29."
5. Ein anspruchsvoller Weg mit Hürden
Sein Herzensprojekt sei entstanden, als er noch seine Dissertation am Institut für Immunologie geschrieben habe. Ein bisschen später habe er auf das AKH gewechselt und dort als klinischer Arzt sowohl Patienten betreut als auch Forschung betrieben.
Das Projekt sei nebenher langsam immer weiter gewachsen. "Jede Sekunde, die man dem Start-up widmet, widmet man nicht der Forschung, die einen dann zum Professor macht", berichtet der Mediziner wehmütig. Denn: Das System der Universität sehe schlicht nicht vor, dass man eine Firma gründet. Stattdessen liege der Fokus darauf zu forschen und Arbeiten zu schreiben. Irgendwann stand er dann vor der Entscheidung.
6. Die Vorteile eines Start-ups
Er hat sich für das Unternehmertum entschieden. Und bereut seine Entscheidung nicht. Im Gegenteil: "Mir persönlich gibt die Arbeit im Start-up sehr viel zurück. Man lernt ungeheuer viel dabei. Es gibt eigentlich nichts Dynamischeres als ein Start-up." Von der Website-Gestaltung über Buchhaltung und das Einstellen von Mitarbeitern bis hin zur Investoren-Pflege - alles völlig neue Themenfelder, in die er sich einarbeiten musste.
7. Die Nachteile eines Start-ups
Trotz der vielen Freiheiten birgt die Gründung auch viele Tücken. Zusätzlicher Zeitdruck, Stress im Gründer-Team oder mit der Finanzierung: Während des Studiums ein Start-up aufzuziehen, ist nicht ohne. Zudem werde die akademische Laufbahn unterbrochen.
Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche?
"Das ist ganz unterschiedlich, aber es ist irgendwie immer mehr, als man glaubt. Es gibt Wochen, die sind völliger Wahnsinn, und dann geht es wieder leichter. Wenn eine Investitionsrunde ansteht, arbeiten wir quasi Tag und Nacht. Man muss ständig daran denken, wie spät es gerade an einem anderen Ort der Welt ist, weil man häufig mit Menschen in Kontakt ist, die ganz woanders sitzen."
"Auch vor der Gründung war es sehr intensiv. Gerade der Aufbau und die gesamte Konzeption verschlingen viel Zeit und das passiert ja alles zusätzlich zum eigentlichen Job. Ich habe damals 60 Stunden pro Woche in der Klinik gearbeitet und mir nebenher die Firma aufgebaut. Erst als die Mitarbeiter eingespielt waren, gab es wieder Zeiten, in denen ich mit einer 40-Stunden-Woche auskomme."
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag heute aus?
"Ich habe nie aufgehört Forscher zu sein, auch wenn mein Arbeitsplatz nicht mehr das Labor ist. Es ist definitiv ein Vorteil, wenn der CEO eines Unternehmens sich bis ins letzte Detail auskennt. Dennoch liegt meine Hauptaufgabe jetzt in der Repräsentation und Organisation des Unternehmens. Ich bringe mich dennoch sehr stark ein und warte auf die Ergebnisse jedes Experiments, als ob es meine eigenen wären."
Drei essentielle Tipps für Gründer
- Nicht auf einen Karriereweg festlegen. Immer offen bleiben gegenüber Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich auftun. Es lohnt sich!
- Das Gründen als Privileg ansehen. Mit dem Start-up wird man Teil einer innovativen Branche, in der es sich viele Menschen zum Ziel setzen, bessere Lösungen für die Menschen zu finden. Das fühlt sich gut an!
- Ohne Team ist man machtlos. Niemand sollte glauben, dass man ein Start-up alleine gründen kann. Es braucht ein gutes Team mit Menschen, die in diesem Bereich bereits Erfahrung haben. Allein schon psychologisch. Denn egal, welches Unternehmen man gründet, es geht nie immer nur bergauf. Auch ein Netzwerk, um die richtigen Investoren zu finden, ist hilfreich.
8. Woher kommt das Geld?
Die richtige finanzielle Unterstützung zu finden, ist anfangs gar nicht so leicht. Dabei gibt es viele öffentliche Förderstellen in Österreich, wie etwa den Austria Wirtschaftsservice. Im Endeffekt würden die meisten Jungunternehmer bei denselben Förderprogrammen landen. "Wir sind in den Start-Up Labs der Wirtschaftsagentur Wien am Vienna Biocenter angesiedelt", erklärt Gualdoni. Im Vorjahr konnte das Unternehmen bereits erfolgreich eine Seed-Finanzierungsrunde abschließen und habe so das IST Cube als Lead Investor gewonnen.
Seine Zentrale Botschaft: Wer ein Start-up gründen möchte, soll versuchen, Leute an Bord zu holen, die das schon einmal gemacht haben oder sich in der Szene auskennen. Dieses Netzwerk helfe enorm, denn auch hierzulande gebe es viele motivierte Privatpersonen und Fonds, die Investitionen in diesem Bereich tätigen möchten.
9. Wann wird der Schnupfen geheilt sein?
Die Hürde der Finanzierung hat das BioTech Startup gemeistert. Der Blick in die konkrete Zukunft ist jedoch schwierig. Die Medikamentenentwicklung sei bekanntlich ein sehr langwieriger Prozess. Die Hälfte habe "G.ST Antivirals" dabei schon geschafft. Wie schnell es jetzt weitergeht, sei schwer einzuschätzen. Das hänge stark davon ab, gegen welche Erkrankungen im Detail das neue Medikament einsetzbar sei.
Im Fall von Corona arbeiten die Behörden schneller. Doch der Gründer bleibt realistisch: "Wir gehen nicht davon aus, dass wir vor 2023 ein marktzugelassenes Medikament herausbringen können."