Diskussion im
Gesundheitsausschuss

Im parlamentarischen Gesundheitsausschuss stand am Dienstag eine Diskussion zur Frage von medizinischem Cannabis in Österreich auf der Tagesordnung.

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Medizinisches Cannabis - Diskussion im
Gesundheitsausschuss

Bei einer Pressekonferenz zuvor verlangte Liste JETZT-Gesundheitssprecherin Daniela Holzinger einen neuen "unabhängigen" Expertenbericht und die Legalisierung der medizinischen Cannabinoiden aus natürlicher Herkunft und Cannabisblüten auf Arztrezept.

Heftige Kritik am Expertenbericht

Dem Gesundheitsausschuss liegt ein vom Parlament eingeforderter Expertenbericht vor, den Daniela Holzinger heftig kritisierte: "Es ist in elf Seiten die Linie der FPÖ und der Ministerin (Beate Hartinger-Klein/FPÖ; Anm.) festgeschrieben. So eine Arbeit hätte ich mir im zweiten Semester meines Studiums nicht vorzulegen getraut. Das ist Wissenschafts-Chauvinismus." In dem seit Ende des Jahres vorliegenden Bericht haben sich österreichische Experten zurückhaltend zur wissenschaftlichen Evidenz für den Einsatz von Medizinalhanf bei vielen Erkrankungen und Beschwerden geäußert.

Demnach gibt es eine ausreichend gute Evidenz für die Wirksamkeit von Cannabinoiden (zumeist Studien mit THC/CBD-Gemischen) bei chronischen Schmerzzuständen von Erwachsenen, Übelkeit/Erbrechen durch Chemotherapie und Spastizität bei Multipler Sklerose. Moderate Evidenz bis limitierte Evidenz bestehe für die Kombination THC/CBD für eine kurzzeitige schlafverbessernde Wirkung bei gewissen Erkrankungen (z.B: chronischer Schmerz, Multiple Sklerose) sowie für Cannabinoide bei Gewichtsverlust im Rahmen von HIV/Aids, Tourette Syndrom und Sozialphobien. Ähnliche Aussagen gab es vergangenes Jahr auch in einem Expertenpapier deutschen Techniker Krankenkasse und in einem Report der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA/Lissabon).

"Es geht um die Versorgung der Patienten"

Doch für die JETZT-Gesundheitssprecherin wären auch die eingeschränkten und in dem Papier vermerkten möglichen Indikationen für die Anwendung von medizinischem Cannabis bzw. von Cannabinoid-Produkten aus natürlichen Quellen in die Realität umzusetzen: "Dann frage ich mich, warum nichts passiert." Es gehe ja um die Versorgung der Patienten. Wenn die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) als im Grunde staatliche Stelle Cannabisblüten für den Pharmakonzern Bionorica kultiviere, sei nicht einzusehen, "warum man den Pharmakonzern nicht herausbringt." Und schließlich sollte das Parlament einen neuen Expertenreport eines "unabhängigen Instituts" bestellen. "Auf der einen Seite gibt es Evidenz aus zahlreichen Ländern, dass der Einsatz von (Cannabis-)Naturprodukten großen Nutzen bringt, auf der anderen Seite will man (in Österreich; Anm.) am Status quo festhalten."

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Die JETZT-Gesundheitssprecherin kündigte an, im Gesundheitsausschuss ein Verlangen auf "Nicht-Enderledigung" der Causa einzubringen: "Es gibt Mitstreiter und Mitstreiterinnen." Gemeinsam mit Abgeordneten anderer Fraktionen wolle man weitere Schritte setzen. Die Frage sei, ob Parlamentarier anderer Fraktionen dem Klubzwang in der Frage gehorchten.

Ärzte sprechen aus ihrer Erfahrung

JETZT-Gesundheitssprecherin Daniela Holzinger bot bei der Pressekonferenz am Dienstag in Wien zwei Ärzte als Verschreiber von Cannabinoiden etc. auf: die NÖ Gynäkologin Iris Pleyer und den Wiener Allgemeinmediziner Kurt Blaas. Das Verlagshaus der Ärzte - bei der Pressekonferenz samt Werbeplakat vertreten - stellte Pleyers Buch "Cannabidiol - Ein natürliches Heilmittel des Hanfs" zur Verfügung.

Daniela Pleyer nannte eine ganze Palette von möglichen Anwendungsgebieten für Cannabidiol. Sie kam zu dem Thema über eine private Tragödie: "Mein Sohn hat 2012 im Internat seinen besten Freund nach der Einnahme synthetischer Drogen tot aufgefunden." Daraufhin habe sie, Pleyer, sich mit natürlichen Drogen beschäftigt und sei auf die Cannabinoide gestoßen. "Cannabidiol überzeugte mich, es wäre ein sehr gutes Mittel, das man in der Geburtshilfe benutzen könnte. CBD hat vielfältige Wirkungen." Schlafstörungen, Regelschmerzen, Bauchschmerzen, Angstzustände, Nervosität von Marathonläuferinnen vor dem Starttermin, Mamma-, Lungen- und Prostatakarzinome, bösartige Hirntumore (Gliome) etc. seien als Indikationen zu nennen.

»Es ist kein Allheilmittel, es ist in der Hand des Arztes ein wunderbares Mittel«

"Es ist kein Allheilmittel, es ist in der Hand des Arztes ein wunderbares Mittel. Cannabis wurde in Kanada zugelassen. Es gibt Tausende Studien zu CBD und THC. Wir brauchen nur über die Grenze zu schauen", sagte die Gynäkologin. Das Problem sei, dass CBD-Kapseln in Österreich nicht mehr verfügbar seien, Öle nur mehr zum Teil.

In das sprichwörtlich gleiche Horn blies Allgemeinmediziner Kurt Blaas, allerdings in Sachen des medizinischen Einsatzes von Cannabisblüten. "Es gibt in Österreich rund 15.000 bis 20.000 Patienten (mit Cannabinoid-Therapie; Anm.) und rund 50.000 Patienten, die gerne mit Cannabis behandelt werden wollen." Darüber hinaus würden sich in Österreich derzeit schon 200.000 bis 300.000 Menschen mit Cannabis aus Eigenzucht, illegalen Quellen oder aus dem Ausland bezogenen Produkten versorgen. Die auf dem Arzneimittelmarkt zugelassenen pharmazeutischen Produkte bezeichnete er als "2CV", die Patienten wollten aber den "Mercedes 500" in Form von Produkten aus den natürlichen Substanzgemischen der Cannabisblüten oder in Form der Blüten selbst verwenden. "Es wird wohl allen im Raum klar sein, dass hundert Cannabinoide besser wirken als ein oder zwei (CBD und THC als Wirkstoffe in Arzneimitteln; Anm.)." Es gehe einfach darum, den Ärzten und Patienten eine legalisierte Möglichkeit zur Verwendung der Produkte über die Apotheken zu ermöglichen.

»Rauchen ist out. In ist Vaporisieren und Inhalieren«

"Rauchen ist out. In ist Vaporisieren und Inhalieren", sagte Blaas. Viele Patienten würden aber auch Tees oder Öle verwenden. Zwar verschreibe er natürlich die pharmazeutischen THC-, CBD-Produkte bzw. Gemische, doch dann kämen die Patienten mit folgenden Worten: "Wir verwenden die Blüte. Sie wirkt allumfassender, sie wirkt stärker. Die Patienten müssen sich die Blüten auf dem Schwarzmarkt besorgen, über Stecklinge irgendwoher" oder über Auslandskontakte. "Wir brauchen für die Patienten eine legale Lösung", sagte Blaas.

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