Medientage München, während Wien wartet

Sebastian Kurz suchte vergeblich Auswärtsspiele in Deutschland, um Heimniederlagen in Österreich zu vermeiden. Seine in der Regierung verbliebene Wegbegleiterin Susanne Raab spricht in München über Mediengesetze, deren Begutachtung sie in Wien verzögert.

von Medien & Menschen - Medientage München, während Wien wartet © Bild: Gleissfoto

Wahrscheinlich ist es bloß ein Missverständnis des politischen Modeworts "zeitnah", das ungeduldig macht. Susanne Raab hat es im Ministerratsvortrag für den Start der Begutachtung des Medienpakets verwendet. Aber auch zwei Wochen danach waren diese drei Gesetzesentwürfe noch ausständig -obwohl der Duden als Synonyme für "zeitnah" nur anbietet: "im Handumdrehen, prompt, rapide, rasch, schnell, sofort, sofortig, unverzüglich, zügig." Allenfalls wäre "shortly - without von delay", der ministeriale Geniestreich von Maria Fekter (2011), in diese Auflistung hineinzureklamieren.

Kammern, Gewerkschaften, Interessenverbände - alle Adressaten zur Begutachtung - sind solche Verzögerungen zwischen Verkündung und Lieferung gewohnt und ertragen sie in stoischer Langmut. Medien und Journalisten fehlt diese Bedächtigkeit insgesamt und insbesondere bei eigener inhaltlicher Betroffenheit. Deshalb diskutieren sie seit 5. Oktober intensiv, was Raab für drei schüttere Seiten folgendermaßen übertiteln ließ: "Weichenstellung in der heimischen Medienförderung, Schaffung lückenloser Medientransparenz und neues Geschäftsmodell für die 'Wiener Zeitung' (Medienpaket)."

Klingt gut, doch nichts Genaues weiß man nicht. Das gilt auch für alle in die Öffentlichkeit gespielten Schreckensszenarien zur "Wiener Zeitung". Am Letztstand feilt das Ministerium noch. Nicht einmal die Chefin spricht darüber, sondern nur zu den anderen Vorhaben. Aber auch darüber nicht daheim, sondern in Deutschland: "Die GVK begrüßt ( ) Susanne Raab, welche die erst kürzlich in Österreich vorgestellten Eckpunkte zur kommenden Reform der Presseförderung sowie der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Inseratenbuchungen der öffentlichen Hand vorstellen () wird." Die Ankündigung für Mittwoch bei den Münchner Medientagen brüskierte die hiesigen Begutachter.

Die avisierte Runde war aber nichts Besonderes: GVK bezeichnet die Gremienvorsitzendenkonferenz der deutschen Landesmedienanstalten. Österreichs Ministerin sollte mit fünf Vertretern dieser Einrichtungen diskutieren. Doch genau darin liegt das Problem: Hierzulande scheut sie die öffentliche Diskussion. Kaum etwas ist so intransparent wie Medienpolitik. Ausgerechnet die Bannerträger aller Transparenzwünsche, die journalistisch gestalteten Nachrichtenmedien beteiligen sich am politischen Versteckspiel - aus Eigeninteresse in der irrigen Annahme, so mehr für sich herausschlagen zu können.

Das gilt im Großen für die nach oben offenen Einschaltungen der öffentlichen Hand, die weiter Medien beglücken darf, die nicht einmal den Presserat anerkennen. Das gilt im Kleinen, wenn zur "Wiener Zeitung" Fantasiezahlen kursieren, weil niemand Vergleichsdaten fordert -sondern alle immer bloß Förderung. Springer-Chef Mathias Döpfner hingegen hat in seiner letzten Rede als Deutschlands Verlegerpräsident erklärt, wenn "besorgte Politiker Hilfspakete und Staatsstiftungen anbieten, um 'journalistische Qualität und Vielfalt' zu erhalten", sei das "die rote Linie, die nie überschritten werden darf". Er zeichnete das Schreckensbild einer zwar öffentlich-rechtlich wie privat beackerten Medienlandschaft, in der aber alle eines gemeinsam haben: "Sie hängen am Tropf der jeweiligen Regierung." Wie weit das in Österreich schon der Fall ist, darüber gehen die Meinungen auseinander, doch speziell diese Diskussion ist öffentlich zu führen -und zwar nicht nur am Beispiel des ORF.

Medien befinden sich in einem Abwärtssog, der sie an jenen Tiefpunkt bürgerlichen Vertrauens zieht, wo Parteien bereits sind. Politik und Journalismus wirken aber wie das Yin und Yang der Demokratie. Geraten sie ans Ende (ihres Lateins), ist unser aller bisher erfolgreichste Gesellschaftsform gefährdet. Ein Schlupfloch aus dem Teufelskreis ist mehr Respekt voreinander. Ihn lässt Raab vermissen, wenn sie auf deutschen Events über etwas redet, dessen Wortlaut österreichische Betroffene noch nicht kennen. Sie nimmt damit ihrem Gesetzespaket auch ein Stück Wohlwollen, das es vielleicht sogar verdient und eventuell auch braucht. Aber so "zeitnah" wie angekündigt, also "shortly - without von delay".