Von Anfang 2007 bis Ende 2021 zog er alle Register der "größten Medienorgel des Landes" - wie Gerd Bacher (2015) seinen ORF einst genannt hatte. Doch anders als der insgesamt längst dienende General des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verharrte Alexander Wrabetz, 62, fast stets in der klischeehaften Rolle des Organisten. Der bleibt dem breiten Publikum meistens verborgen, während alles nach seinen Pfeifen singt. Auch diese Rolle des virtuosen Netzwerkers im Hintergrund sicherte ihm den Rekord der längsten ununterbrochenen Funktionszeit. Im Vergleich zum zweimal geschassten streitbaren "Tiger" Bacher - zwischendurch auch Berater des späteren deutschen Kanzlers Helmut Kohl († 2017) - und dessen enormer öffentlichen Wirkung war Wrabetz immer ein Schattenmann.
Die Eitelkeit des Machers im Hintergrund funktioniert aber nur auf Dauer der Macht. Neun Monate nach 15 Jahren an einem der wichtigsten Schalthebel der Republik muss es demütigend sein, in den Adabei-Spalten neben seiner neuen privaten Begleitung Leona König, 41, beruflich bloß als Ex zu firmieren. Wrabetz ist zwar noch Präsident der Wiener Symphoniker, Aufsichtsrat der Österreichischen Lotterien und Vorsitzender des Kulturbeirats von ORF III, doch das sind Bagatellposten für einen einstigen Herrscher vom Küniglberg. Also hat er der Nation geschrieben: Via "Standard" forderte er: "Private an ORF ON beteiligen!" Da staunt der Laie, warum dieser Vorschlag nie vom Generaldirektor kam, doch der Fachmann wundert sich nicht nur: Sechs Tage später verkündete Nachfolger Roland Weißmann die Halbierung des Textangebots auf ORF.at. Ein Rohrkrepierer des Vorgängers? Nicht ganz: Der Gastkommentar gilt als Bewerbungsbrief fürs Medienministerium in einer SPÖ-Regierung.
Ausgerechnet einer der fünf ORF-Generale mit nur einer Funktionsperiode hat Wrabetz aber noch vor der Weißmann-Überrumpelung die Show gestohlen. Gerhard Zeiler, 67, erst Bacher-Ablöse, dann RTL-Boss und nun als Präsident von Warner Discovery der global wichtigste Medien-Österreicher erklärte auf einer Branchentagung, dass kein Weg an Haushaltsabgabe statt Rundfunkgebühr für den ORF vorbeiführe - wenngleich es einen neuen Namen brauche. Der frühere Sprecher der Kanzler Fred Sinowatz († 2008) und Franz Vranitzky, 84, hatte schon 2018 bei der großen Medienenquete des damaligen Ministers Gernot Blümel, 40, den zweiten Hauptvortrag neben Deutschlands Verlegerpräsidenten, Springer-Chef Mathias Döpfner, 59, gehalten. Es war ein spannender Schlagabtausch auf Augenhöhe. Noch eine Bewerbung als Medienminister in spe?
Was für Wrabetz eine Querbewegung für Image und Einkommen, wäre für Zeiler nicht nur ein finanzieller Abstrich. Den hätte er schon 2016 in Kauf genommen, als er mit einer Kampfkandidatur gegen Christian Kern, 56, als Nachfolger von Werner Faymann, 62, als SPÖ-Chef und Bundeskanzler geliebäugelt hatte. Anlässlich seiner Buchveröffentlichung "Leidenschaftlich Rot" drei Jahre später gestand er, diesen Konflikt-Verzicht schon bedauert zu haben. Falls er für ein tieferes politisches Amt in Österreich überhaupt (noch) zur Verfügung steht, müsste er wohl sehr inständig gebeten werden. Für Medienbranche und -standort wäre es allerdings das Beste, was ihnen widerfahren könnte. Auch oder gerade weil die aktuellen Hauptakteure auf diesem Feld das skeptisch sähen. Denn Zeiler gilt trotz seiner kurzen Generalsphase von 1995 bis 1998 nach Bacher als wichtigster ORF-Chef der Unternehmensgeschichte. Nur diese beiden waren auch international gefragt. Er vereint zudem die Erfahrung aus privaten deutschen und US-Konzernen mit der Spezialisierung auf Bewegtbild und dem Wissen um öffentlich-rechtliche Ausnahmebedürfnisse. Genau diese vielfältige Expertise wäre notwendig für das politische Match gegen Google, Facebook, TikTok &Co.
Und Wrabetz? Bis Ende 2022 ist er im Board der European Broadcasting Union. Davor wählt noch der SK Rapid Wien seine neue Führung, und der Ex-ORF-Chef gilt als Favorit. Präsident des ruhmreichsten Fußballklubs in Österreich: Das wäre schon auch etwas. Internationale Erfahrung braucht es dafür nicht.