Medienmann des Schattenkanzlers

Shilten Joseph Palathunkal ist für Alexander Schallenberg, was Gerald Fleischmann für Sebastian Kurz war -der Medienbeauftragte des Bundeskanzlers. Auf den ausgewiesenen Spezialisten folgt ein bestens ausgebildeter Branchenneuling

von Medien & Menschen - Medienmann des Schattenkanzlers © Bild: Gleissfoto

Der Stellenwert von Medien offenbart sich durch den Zuständigen in der Koalition. Unter Rot-Schwarz waren das Josef Ostermayer und Thomas Drozda - die engsten Vertrauten von Werner Faymann und Christian Kern. Sebastian Kurz setzte das unter Türkis-Blau mit Gernot Blümel fort und schien es mit Türkis-Grün sogar noch zu steigern. Seitdem liegt das Medienthema direkt beim Bundeskanzler -lediglich durch einen Beauftragten gefiltert. Das war für Kurz Gerald Fleischmann, gegen den sich viel sagen lässt. Doch er gehörte wie zuvor die einschlägigen Minister zum innersten Kreis der Regierung. Im Gegensatz zu den Methoden stand sein professionelles Know-how immer außer Zweifel.

Durch die Chat-Affäre wurde Fleischmann allerdings so untragbar wie Kurz. Der unerwartete Nachfolger Alexander Schallenberg brauchte einen neuen Medienzuständigen. Der verblüfft noch mehr als die Kanzlerüberraschung: Denn Shilten Joseph Palathunkal ist in der Medienbranche nahezu unbekannt. Seinen Lebenslauf zieren Eliteunis wie John Hopkins, Wharton und Oxford sowie Jobstationen bei McKinsey, OMV und Deutsche Bank. Er lehrt an der FH Wiener Neustadt "disruptive finanzielle Technologien", ist in einem Beirat der Finanzmarktaufsicht und war Antonella Mei-Pochtlers Stellvertreter in der Stabsstelle Strategie im Bundeskanzleramt. Aber Medien? Fehlanzeige.

Das ist eine schwer verständliche Besetzung. Denn ungeachtet seiner eindrucksvollen Biografie kann der 29-Jährige sich kaum schnell genug in die neue Materie einarbeiten. Sie ist eines der blockadeträchtigsten Politikthemen. Im Mediensektor brennen seit mindestens 15 Jahren die Hüte von ORF, Zeitungen und Privatsendern. Die aktuelle Wehklage über die Inseratenkorruption schwarzer Schafe ignoriert, dass die Branche sich zwangsläufig mit einer Politik arrangiert hat, die Medien selten als unverzichtbaren Teil der Demokratie, aber oft als potenzielles Propagandainstrument verstanden hat. Dabei unterschieden sich Schwarz-Blau, Rot-Schwarz, Türkis-Blau und Türkis-Grün höchstens graduell, aber nicht prinzipiell.

Für Schallenbergs Wahl von Palathunkal gibt es zwei Erklärungsmodelle. Wenn er es gut mit den Medien meint, hat er bewusst einen grundsätzlich Hochqualifizierten, aber Außenstehenden betraut, der ohne Vorprägung die verfahrenen Fronten auflösen soll. Falls das aber bloß ein Signal an die ungeliebte Branche sein soll, wirkt es vollkommen undiplomatisch wie ein nobler Stinkefinger. Die Medien hätten nun einen Karriere-Überflieger, aber sachlich Ahnungslosen als Ansprechpartner.

Noch gefährlicher als diese Ignoranz wäre des Beauftragten mögliche Schlagseite. Manch ORF-Mensch hat ihn als Begleiter seiner Chefin erlebt, als sie im April an Patricia Pawlickis "Drei am runden Tisch" saß. Die Kurz-Vertraute Antonella Mei-Pochtler ist Aufsichtsrätin bei ProSiebenSat.1, dem Mutterkonzern von Puls 4 und ATV, an dem das Familienimperium von Silvio Berlusconi mehr Aktien als jeder andere hält. Auch der polyglotte Palathunkal wird wohl davon gehört haben.

Was Kurz den Bürgern durch Schallenberg sagen wollte, wird von Tag zu Tag deutlicher: Ihr werdet mich noch zurückwünschen. Was Schallenberg den Medien durch Palathunkal sagen will, ist noch unklar: Die Möglichkeiten reichen vom ehrlichen Versuch, einen gordischen Knoten zu zerschlagen, bis zu: Ihr seid mir nicht einmal eine Expertise wert. Das wäre letztlich bloß die logische Fortsetzung dessen, wie sein Vorgänger die Chefsache "Medien" interpretiert hat: neben den Brosamen der offiziellen Förderungen eine Schattensubvention durch Inserate, um Abhängigkeit zu schaffen.

Shilten Joseph Palathunkal steht unter dem Anfangsverdacht, eines Schattenkanzlers personifizierte politische Missachtung von Medien zu sein. Anders als Alexander Schallenberg genießt er aber den fragwürdigen Startvorteil, dass von ihm ohnehin niemand etwas erwartet hat. Das ist seine Chance.