Senior-Senderchef mit Vorzeige-Filiale

Markus Breitenecker pflegt auch im 55. Lebensjahr einen jugendlichen Stil. Es gehört zum Profil von ProSiebenSat.1Puls4, das bei den unter 50-Jährigen mehr Marktanteile hat als der ORF. Nun macht Breitenecker gemeinsame Sache mit dem Medien-Öffi

von Medien & Menschen - Senior-Senderchef mit Vorzeige-Filiale © Bild: Gleissfoto

Der Trend geht zur Videobotschaft. Herbert Kickl hat eine nach Budapest zu Viktor Orbán geschickt, der Gastgeber für ein internationales rechtes Treffen war. Unterdessen nahm der FPÖ-Chef massive Kritik des Publizisten Michel Friedman entgegen - beim Holocaust-Gedenktag im österreichischen Parlament. Er war also bei der richtigen Veranstaltung. Aber irgendwie auch bei der falschen.

Schon tags zuvor hatte Roland Weißmann eine Videobotschaft geschickt. Vom Küniglberg zum Media Quarter Marx. Dort präsentierte die ProSiebenSat.1 Puls4-Gruppe (P7S1P4) ihre Streaming-Plattform Joyn; inklusive der Programme des ORF. Sein Generaldirektor freut sich über diesen "Schulterschluss der Medienbranche". Auch ServusTV macht mit. Dessen sonst so videoaffiner Intendant Ferdinand Wegscheider geizte diesmal aber komplett mit sich. Distributionschef David Morgenbesser vertrat den stärksten einzelnen österreichischen Privatsender - quasi in der Höhle des Löwen.

Für Wegscheider wäre es sicher die falsche Veranstaltung gewesen. Für Weißmann wohl auch. Die ORF-Beteiligung an Joyn ist nur der kleinste gemeinsame Nenner von dem, was P7S1P4-Chef Markus Breitenecker seit Jahren als Partnerschaft propagiert und wie es das Regierungsprogramm unter dem Titel "Kooperation der dualen Medienlandschaft - Medienstandort Österreich stärken" vorsieht. Ein "gemeinsamer ORF-Player zwischen ORF und Privaten mit öffentlich-rechtlich relevanten Inhalten und nach Etablierung der Plattform Einbeziehung weiterer öffentlicher Einrichtungen" steht darin. Der bald 55-Jährige darf aber auch das Minimalergebnis als Erfolg feiern. Er musste zwar das gut eingeführte Zappn der Konzernmarke Joyn opfern, hat aber dessen Austro-Variante deutlich besser ausgestattet als die deutsche Plattform. Dieses Übertrumpfen ist durchaus typisch für Österreichs längst dienenden Senderchef. Breitenecker steht im September bereits 25 Jahre an der Spitze des Tochterunternehmens von Europas mittlerweile zweitgrößtem TV-Anbieter (hinter RTL). Als er 1998 als Geschäftsführer von ProSieben Austria begonnen hat, war sein Chef in München-Unterföhring noch der Südtiroler Georg Kofler und der Küniglberg erlebt seine letzten Tage unter Gerhard Zeiler.

Der acht Monate ältere Roland Weißmann ist trotz Rekord-Dienstzeit von Alexander Wrabetz (nach Gerhard Weis und Monika Lindner) schon der fünfte ORF-General als Gegenüber für Breitenecker, der ursprünglich nur ein Werbefenster anbieten konnte. Daraus wurden flugs mehr, als ProSieben mit Sat.1, Deutschlands erstem Privatfernsehen, fusionierte (P7S1). 2007, mit Übernahme des Wiener Stadtsenders PulsTV, entwickelte sich die Gruppe zum Austro-Content-Macher und übernahm zehn Jahre später auch ATV, Österreichs erstes Privatprogramm. Mittlerweile hat sie mit all ihren Angeboten in der besonders umworbenen Zielgruppe der unter 50-Jährigen schon mehr TV-Marktanteile als der ORF (26,1 % zu 25,2 % im Jahr 2022). Für immerhin 11,4 Prozent davon sorgen die vier hausgemachten Programme. Und bei den Werbeeinnahmen sollte P7S1P4 bereits mit der Einverleibung von ATV den öffentlich-rechtlichen Platzhirschen überholt haben. Die Österreich-Tochter liefert zweistellige Millionengewinne nach Bayern, wo das an der Frankfurter Börse notierte Unternehmen residiert.

Dort fehlt die Kontinuität von St. Marx. Breitenecker erlebt den siebenten CEO im Mutterhaus. Zuletzt vier in fünf Jahren. Ebenso wechselhaft ist die Eigentumsstruktur. P7S1 stand einst unter Kontrolle des berühmt-berüchtigten Medienmoguls Leo Kirch. Dann wollte es der Axel-Springer-Verlag kaufen. Das untersagten die Kartellwächter. Heute ist MediaForEurope der größte Aktionär mit 22,7 Prozent und noch mehr Stimmrechten - das Familienunternehmen von Ex-Premier Silvio Berlusconi. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnte deshalb schon vor einer Zukunft als italienischer Abspielstation. Nun kommt noch die tschechische Milliardenerbin Renáta Kellnerová mit rund neun Prozent dazu.

Der trotz diesem Hin und Her verlässlich Rendite bringende Breitenecker hätte wohl Chancen gehabt, von der Donau-Filiale in die Isar-Zentrale aufzusteigen. In Umsatzzahlen wäre das ein Sprung von 175 Millionen zu 4,5 Milliarden Euro - viermal so viel wie der ORF. Dass es ihn weder da- noch dorthin zog, dürfte an den Zwängen von Unterföhring und Küniglberg liegen. Der unbeirrbare Hoody-Träger macht offenbar lieber sein eigenes Ding. Für die nächste Gewinnüberweisung empfiehlt sich eine begleitende Videobotschaft. Um bei der richtigen Veranstaltung zu bleiben. Aber irgendwie auch bei der falschen zu sein.