Ohne Reform bleibt Lothar allein zu Haus

Per Sideletter hat die aktuelle Koalition den Vorsitz im ORF-Stiftungsrat den Grünen zugeschanzt. Die Kür von Lothar Lockl war planmäßig, seine Wahl ohne Gegenstimme aber eine Überraschung. Ungeachtet dieser Bestätigung bleibt vor allem ein Reformauftrag

von Medien & Menschen - Ohne Reform bleibt Lothar allein zu Haus © Bild: Gleissfoto

Um zu verstehen, warum Lothar Lockl (53) trotz allem ein Hoffnungsträger für die Zukunft des ORF ist, genügt ein Blick auf seine Vorgänger als Vorsitzende des Stiftungsrates und in dessen Geschichte. Dieses oberste Aufsichtsgremium des öffentlich-rechtlichen Medienriesen besteht seit 2001. Davor hieß es Kuratorium und war noch offensichtlicher parteipolitisch besetzt. Das beweist ein Blick auf sein Personal vor 25 Jahren. 1997 reichte es von Rudolf Edlinger bis Christian Kern und Ernst Strasser bis Franz Morak. Ein rot-schwarzes Who's who von aktiven und späteren Ministern bis zu einem künftigen Kanzler - dazu noch jeweils ein prominentes Blitzlicht von FPÖ, Grünen und dem Liberalen Forum: Walter Meischberger, Pius Strobl und Friedhelm Frischenschlager. Gegen ein solches Stelldichein ausgewiesener Parteienvertreter wirkt die aktuelle Namensliste geradezu politikfern.

Es war also schon schlimmer. Das Gesetz vom 2001 brachte nicht nur eine Umbenennung. Doch bereits den ersten Vorsitzenden der 35-köpfigen Runde belastete eine Hypothek. Klaus Pekarek, im Brotberuf Kärntner Raiffeisenchef, wurde dem blauen Freundeskreis zugeordnet. Dies geschah aufgrund der ursprünglichen Empfehlung von Jörg Haider, der ihn 2007 - schon orange - vergeblich abberufen wollte. Monika Lindner und Alexander Wrabetz wurden unter Pekarek zu ORF-Generalen gewählt. Dem Klagenfurter Juristen, der einst sub auspiciis an der Uni Graz promoviert hatte und heuer als Uniqua-Vorstand in Pension geht, folgten weniger versierte Stiftungsratsvorsitzende aus dem roten Freundeskreis: Brigitte Kulovits-Rupp von der AK Burgenland und Dietmar Hoscher von den Casinos Austria, der im Zuge der gleichnamigen Affäre mehr Bekanntheit erreichen sollte. Unter den beiden wurde Wrabetz wiedergewählt. Seine Ablöse und die Kür von Roland Weißmann zum neuen ORF-Generaldirektor vollzogen sich dann unter Norbert Steger, dem Ex-FPÖ-Vizekanzler.

Lothar Lockl ist also der fünfte Stiftungsratsvorsitzende und der erste mit grüner Patina. Kurios daran wirkt, dass bisher noch keiner der ÖVP zugerechnet wurde und die neue Funktionsperiode vor der Direktoriumswahl endet. Aus diesem Blickwinkel erhält die Personalie Lockl mehr Brisanz, als seine diplomatischen An- und Aussagen vermuten lassen. Der bisher sehr erfolgreiche Präsidentenmacher bzw. Strategie-, Kommunikations- und Politikberatungsunternehmer ist viel zu ehrgeizig, um bloß als Randnotiz in die ORF-Chronik einzugehen. Dafür spricht schon sein Umstieg von einem Regierungs- auf ein Parteimandat bei der Entsendung in den Stiftungsrat. Dadurch ist er beim 2024 erwarteten Koalitionswechsel weniger gefährdet. Doch wenn das vom türkisen Bundeskanzleramt ohne Gremienreform geplante ORF-Gesetz ohne Änderung des Wahlmodus zum Stiftungsrat bleibt, könnte sein Vorsitzender im Mai 2026 dennoch einsam zurückbleiben. Falls die Grünen dann in Opposition sind, fallen sie von sechs auf nur einen Sitz im Stiftungsrat zurück. So erging es gerade auch der FPÖ.

Lockl muss aus persönlichem und parteilichem Interesse eine Reform des Gremiums und seiner Bestellung anstreben. Dass er dieser Frage anfangs öffentlich ausweicht, ist klug. Langfristig kann er aber nur mit Hilfe der Zivilgesellschaft eine Veränderung bewirken. Denn das aktuelle System bevorzugt, wenngleich abwechselnd, ÖVP und SPÖ. Die FPÖ in der Regierung versuchte deshalb, das Kind mit dem Bade auszuschütten - durch Unterwerfung der ORF-Finanzierung unter die jeweilige Koalitionsgnade. Dass die Grünen mehr Respekt vor der Funktion des öffentlich-rechtlichen Medienhauses haben, war glaubwürdig bis zu ihrem Machtpoker um die aktuelle Führung des ORF, bei dem sie letztlich zwei Direktorinnen und Lockl bestimmen konnten. Die Glaubwürdigkeit kann aber zurückkehren, wenn es nun gelingt, dieses demokratiepolitisch unwürdige System zu verändern. Dafür sollten sich in Österreich größere Mehrheiten finden lassen, als Regierungen hinter sich haben.