Medien, Macht und Mäzene

Elon Musk hat Twitter gekauft, und niemand weiß, wohin das führen wird. Doch wozu in die Ferne schweifen, liegt Medien-Ohnmacht doch so nah? Österreich rätselt, was aus ORF, Servus TV und der "Wiener Zeitung" wird

von Medien & Menschen - Medien, Macht und Mäzene © Bild: Gleissfoto

Medien, Massen, Macht. Dieser Stabreim taugt nicht nur zur Demokratie. Deshalb ist der Besitz der ungeschriebenen vierten Gewalt ein ganz besonderes Eigentum. Und es gibt zumindest drei Anlässe, genauer zu beleuchten, wem Zeitungen, Radio, Fernsehen und digitale Nachrichtenkanäle gehören:
- Wegen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der eine neue Form der Finanzierung braucht
- Infolge eines Gesetzesentwurfs zur "Wiener Zeitung", der ihre Tagesaktualität auf Papier beendet
- Aufgrund des Todes von Dietrich Mateschitz, der Österreichs zweitgrößtes Medienhaus hinterlässt

Der ORF gehört uns allen, die "Wiener Zeitung" der Republik. Warum es ihn braucht, zeigt auch seine Stellung als TV-, Radio-und Online-Marktführer. Weshalb wir sie wie bisher benötigen, dafür sucht ein elitärer Empörungszirkel plötzlich mehr Verständnis, als das Blatt Leser hat. Bei Mateschitz' Servus TV hingegen, das über einen deutlich stärkeren Einfluss auf die nationale Meinungsbildung verfügt, ist die veröffentlichte Mainstream-Sorge, es könne so bleiben, wie es ist - ein Sammelbecken rechts der Mitte, auch jener Wutbürger, für die Intendant Ferdinand Wegscheider den Klassensprecher gibt.

In der Diskussion über diese inhaltliche Position kommt die Frage zu kurz, wohin dieses Publikum verschwände, wenn es Servus TV nicht gäbe, das ungeachtet der Tiraden seines operativen Chefs zweifelsohne innerhalb des demokratischen Spektrums agiert. In den USA vertraut nur noch jeder zehnte Republikaner herkömmlichen Medien - im Gegensatz zu zwei Dritteln der Demokraten. Neben dem Denksport, was diese Kluft über "New York Times" ("NYT") bis CNN aussagt, sei der Gedanke gestattet, Mateschitz hätte die "Wiener Zeitung" gekauft. Alles gut? Oder ginge gar nicht? Ein Blick über den Schnitzeltellerrand sähe das älteste noch gedruckte Tagblatt der Welt in zumindest illustrer Gesellschaft. Größter Einzelaktionär der "NYT" nach der eingesessenen Verlegerfamilie ist Carlos Slim. Der mexikanische Mehrheitsgesellschafter der A1 Telekom war schon der reichste Mann der Welt. So wie Amazon-Eigner Jeff Bezos, der die "Washington Post"(WP) gekauft und wohl auch gerettet hat.

Rupert Murdoch, wegen seiner Fox News und der "Sun" ein Inbegriff des Medien-Bösewichts, gehören neben großen Anteilen an Sky auch "Wall Street Journal" und "Times"."Evening Standard" und "Independent" wurden unter Alexander Lebedew zu puren Digitalzeitungen. In Frankreich lässt der Rüstungskonzern der verstorbenen Serge und Olivier Dassault "Le Figaro" hingegen weiter auf Papier erscheinen. MediaForEurope, das neue Konstrukt von Italiens Silvio Berlusconi, wiederum setzt weiter auf Fernsehen - u. a. als größter Gesellschafter von ProSiebenSat.1, der Mutter von Puls4 und ATV.

Österreich ist keine Insel der Seligen, sondern umgeben von Staaten, in denen Medien immer weniger Kontrolle über Politik ausüben, sondern Mittel der Macht werden. Nach Ungarn gibt es in Tschechien, in der Slowakei und in Slowenien ähnliche Entwicklungen. Das reicht von Übernahmen durch Oligarchen bis zur Einverleibung in parteinahe Holdings. Sogar in der Schweiz basteln rechte Wirtschaftsgrößen an Zeitungsketten. Die renommierte "Neue Zürcher Zeitung" ("NZZ") gehört hingegen seit jeher nur Aktionären aus der liberalen Partei. Wen wundert's also, dass der Tiroler Großinvestor René Benko bei erster Gelegenheit bei "Krone" und "Kurier" eingestiegen ist? Ausgerechnet über den Umweg des Gesellschafters aus Deutschland, das noch am wenigsten vom großen Medienfressen betroffen wirkt.

Die Auflistung zeigt aber vor allem eines: So wie es keinen idealen Eigentümer gibt, sind Oligarchen und Parteihintergrund nicht prinzipiell zu verteufeln. Das zeigen Beispiele von "WP" bis "NZZ". Zudem braucht eine Demokratie die Abbildung ihres gesamten Meinungsspektrums via Medien. Aus diesem Blickwinkel benötigt eine öffentlich-rechtliche Konstruktion größtmögliche Bandbreite und Unabhängigkeit, hat Mateschitz uns Servus TV als wichtigen Kontrapunkt spendiert und ist die "Wiener Zeitung" ein wirtschaftlicher Problemfall. Ein Mäzen könnte ihn lösen. Damit fangen andere Schwierigkeiten aber oft erst an. Schlag nach bei Twitter unter Elon Musk.