"Im Zentrum" ist dort nicht mehr

Die 2019 eingeführte "ZiB 2 am Sonntag" ist ein Fixpunkt für das Info-Fernsehen zum Wochenausklang geworden. Doch "Im Zentrum" verliert den Anschluss an sein Zugpferd, während die private TV-Konkurrenz immer mehr Polit-Talk sendet

von Medien & Menschen - "Im Zentrum" ist dort nicht mehr © Bild: Gleissfoto

Die Aufregung zur Einladung von Sebastian Kurz hat sich gelegt. Die Krise von "Im Zentrum" bleibt. Auch die jüngste Folge mit Altpolitikern zur Salzburg-Wahl war ein Flop. Die müden Kommentare vom Muppet-Balkon zeugten fast so wenig Zuschauer wie der Möchte-Gern-Skandal zuvor. Nun führen drei der 13 Ausgaben 2023 im jahrelangen Negativ-Ranking der publikumsärmsten Sendungen des Polit-Talks von Jänner bis April. Das Format ist am Tiefpunkt. Ein Eingeständnis dafür fehlt, weil die Ursachen nicht so einfach sind, wie Twitter-Attacken auf Moderatorin Claudia Reiterer glauben lassen.

Bei der von Tarek Leitner geleiteten Ruhestandsrunde schien das Desinteresse aufgrund der Personen vorhersehbar. Doch in der Vorwoche war es umgekehrt: Bis dorthin galt Kurz als Quotengarant. Ausgerechnet die am wenigsten gesehene Sendung Ende Februar hatte einerseits das vermeintlich hochaktuelle Thema "Vollzeit, Teilzeit, Freizeit – Wie viel Arbeit muss sein?" und zum anderen ein relativ unverbrauchtes Gästetrio: ÖVP-Staatssekretärin Claudia Plakolm, SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner und Zukunftsforscher Tristan Horx. Dazu noch den streitbaren Neos-Hotelier Sepp Schellhorn für das ältere Stammpublikum. Von der Papierform hätte da nichts schiefgehen sollen.

Unterdessen entzündete sich die Kritik an Kurz als Gast, weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen ihn als Beschuldigten ermittelt. Der Sendungsverantwortliche Matthias Schmelzer entgegnet dazu: "Einen Ex-Bundeskanzler und -Außenminister zu diesem Thema einzuladen, braucht nicht viel Erklärung." Kurz habe immerhin erstmals zur Russlandpolitik in seiner Verantwortungsphase geantwortet. Der Titel dieses "Im Zentrum" lautete allerdings: "Europa am seidenen Faden – Wie groß ist Chinas Macht?" Und am Ende wurde der Ex-Kanzler harmlos zu den Ermittlungen der WKStA befragt. Letztlich bleibt der Eindruck einer Mogelpackung des Themas für eine auftrittswillige Person.

Das erinnert fatal an einen einstigen Quotenrekord von "Im Zentrum": 2011 war Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser eingeladen, gegen den schon damals ermittelt wurde. Politologe Peter Filzmaier, PR-Guru Wolfgang Rosam und Staatsanwalt Gerhard Jarosch dienten als Staffage für die 660.000 Zuschauer. Mittlerweile ist Jarosch ein Partner von Rosam und ein Ex-Kanzler, gegen den ermittelt wird, bringt nur 354.000 Sehr. Jede Zeit hat ihre Formate. Die von Kurz und "Im Zentrum" wirkt vorbei.

Das stärkste Argument für diese Behauptung ist ein staubtrockener Zahlenvergleich – und zwar zur "ZiB 2 am Sonntag", die es seit 2019 gibt und von den Machern der Diskussionssendung ursprünglich gefürchtet wurde. Die Sorge, dadurch würde dem Talk etwas weggenommen, war eine komplette Fehleinschätzung. Das Nachrichten-Magazin davor ist eher ein Zugpferd für Info-Fernsehen zum Wochenausklang. Im ersten Jahresdrittel 2020 und 2021 lag die "ZiB 2" beim Marktanteil nur 1,2 Prozent vor "Im Zentrum". Beide übertrafen zudem klar den Gesamtwert von ORF 2. 2022 deutlicher denn je. Da lagen sie in der Zwischenwertung mit 27,9 und 25,4 vor den 22,2 Prozent des Senders. Aber schon damals hatte sich der Abstand zwischen den Sendungen verdoppelt. Nun ist das Quoten-Niveau für die ORF-Info nach der Pandemie grundsätzlich wieder etwas tiefer, aber die Kluft von der "ZiB 2" zu "Im Zentrum" wächst kontinuierlich weiter. Aktuell steht es bei den Marktanteilen 25,77 zu 21,69 Prozent. Letzteres ist noch kein Debakel, aber eine klare Aufforderung zur raschen Reform.

Dabei sind die Probleme nicht unbedingt hausgemacht. Das Umfeld hat sich verändert. Während ARD und ZDF in Deutschland führend im Polit-Talk sind, führen Puls4/24 und Servus TV den ORF oft vor. Das liegt sowohl an Formaten, Moderatoren wie Gästen von "Talk im Hangar 7" und "Links. Rechts. Mitte" bis zu "Milborn" und "Wild umstritten". Unterdessen ist der hausinterne Konkurrenzdruck bescheiden. Der "Talk 1" mit Lisa Gadenstätter wurde 2022 nach zweieinhalb Jahren zu schnell eingestellt. Barbara Stöckl und auch Patricia Pawlicki spielen in einer anderen Gesprächsliga. Ein situativ einberufener "Runder Tisch" wirkt geradezu hilflos gegen das Talk-Stakkato der Konkurrenz. Die Schwäche des öffentlich-rechtlichen Anbieters in diesem Segment erhöht die Relevanz seiner privaten Mitbewerber. Daneben wirkt schon der Sendungstitel "Im Zentrum" wie pure Anmaßung.