Ein Freiheitspreis und
sein Propagandawert

Bundeskanzler Sebastian Kurz erhält in Deutschland einen "Freiheitspreis der Medien". Österreich rückt unterdessen in der Weltrangliste der Medienfreiheit einen Platz nach vorn. Das ist der Stoff, aus dem die türkisen PR-Träume sind -aber doppelt irreführend

von Medien & Menschen - Ein Freiheitspreis und
sein Propagandawert © Bild: Gleissfoto

Es war gerade wieder eng in Wien. Da traf sich die Entlastung aus München besonders gut. Sebastian Kurz erhält den "Freiheitspreis der Medien": Balsam auf des Kanzlers Wunden von Ibiza-Untersuchung bis Corona-Impfrückstand. Und gleich danach Österreichs Verbesserung im globalen Ranking der Pressefreiheit. Sogar Reporter ohne Grenzen lieben unseren Kanzler. Bitte ins Chatprotokoll!

Die Preisverleihung ist kein Aprilscherz, sondern statt im Jänner nun erstmals erst im Wonnemonat. Er bietet gleich nach dem Lockdown Ost den Welttag der Pressefreiheit. Findige Köpfe haben ihn auf den Geburtstag von Niccolò Machiavelli gelegt, der schon vor 500 Jahren gegen Moral als Motiv politischen Handelns anschrieb. Aber am 3. Mai 2021 wird davon nichts zu hören sein, sondern von den Medien und ihrer Freiheit sowie über Kurz, den Preisträger, der acht Tage später in den Bavaria-Filmstudios ausgezeichnet wird. Die Laudatio hält der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, dessen Land soeben auf Rang 70 in der Weltrangliste der Pressefreiheit zurückgefallen ist.

Auch Ungarn (92) und Slowenien (36), mit deren Regierungschefs Viktor Orbán und Janez Janša Kurz besonders enge Kontakte pflegt, haben weitere Plätze verloren. In diesem Umfeld wirkt die Austro-Verbesserung vom 18. auf den 17. Rang wirklich nach großer Freiheitspflege. Doch die Position vom Vorjahr war Österreichs zweitschlechteste seit dem ersten Ranking 2002. Das Vorrücken ist lediglich dem Rückfall von Luxemburg zu verdanken. Der aktuelle rotweißrote Indexwert ist schlechter als 2020. Vor zehn Jahren hingegen war Österreich noch Fünfter von 180 gelisteten Staaten. Seitdem hat es im Index kontinuierlich an Freiheitswert verloren. Keine gute Grundlage für die Preisverleihung.

Um die Kirche im Dorf zu lassen, bedarf es ohnehin einer Einordnung der Auszeichnung. Unter bisher sechs Gewürdigten sind drei von großer internationaler Bekanntheit: Michail Gorbatschow, Jean-Claude Juncker und Albert von Monaco. Den Preis verleiht die Mediengruppe des Ehepaars Wolfram Weimer und Christiane Goetz-Weimer im Rahmen seines Ludwig- Erhard-Gipfels. Er war Chefredakteur der Tageszeitung "Welt" und des Wochenmagazins "Focus" und hat dazwischen die Politikzeitschrift "Cicero" gegründet. Sie war Redakteurin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Diese bürgerlichen Elite-Biografien sind Grundlage eines Netzwerks für die nicht ganz neue Geschäftsidee "Verbinde Kongress mit Preisverleihung". Das Prinzip dahinter ist einfacher als die Umsetzung:

Du brauchst vorerst einen Prominenten, der sich auszeichnen lässt. Das sorgt für einen zugkräftigen Laudator. Die beiden sind Köder für weitere Zelebritäten als Redner und Gäste -in diesem Fall aus Politik, Medien und Wirtschaft. Und wenn die Erstaustragung funktioniert, wird es zum Dauerläufer und Stelldichein. Jury und Kriterien sind so überflüssig wie die inhaltliche Relevanz. Es geht um Namedropping.

Der Preis sorgt für Schlagzeilen, ist aber nichts wert. Das unterscheidet ihn von der Weltrangliste zur Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen: Journalisten, Wissenschaftler, Juristen und Aktivisten beantworten dazu 70 Fragen auf 16 Seiten. Das ergibt ein globales Puzzle nationaler Zustände. Wenn der Kanzler aus seinem Preis etwas machen will, muss er darauf eingehen. Denn die Weimers schreiben: "Mit Sebastian Kurz würdigen wir einen Brückenbauer Europas und Kommunikator der Freiheit." Viktor Orbáns Staatsfernsehen hat soeben Journalisten des "profil" unzulässig angegriffen, Janez Janša auf Twitter einen ARD-Korrespondenten in Wien beschuldigt, er übe "Zensur im Stil von ,Prawda' oder ,Der Stürmer'". So darf es in Europa nicht weitergehen, wo ab Juli Slowenien den EU-Vorsitz übernimmt. Kurz hat den Anfängen nicht gewehrt. Sein Aufstehen als österreichischer Medienminister gegen fortschreitende Einschränkungen der Pressefreiheit in der Union ist überfällig.