Dr. Wegscheider
und Mr. Mateschitz

Ferdinand Wegscheider kehrt am Samstag zurück aus seiner Kommentarpause seit dem dritten Advent. Seine Kritik an Corona-Maßnahmen hat den Sport-, Natur-und Heimatsender Servus TV zum Auffanglager obskurer Gruppen positioniert.

von Medien & Menschen - Dr. Wegscheider
und Mr. Mateschitz © Bild: Gleissfoto

Er hat es schon am 12.12. bilanziert, das "Annus horribilis, wie alte weiße Männer, die noch des Lateinischen kundig sind, dieses Schreckensjahr bezeichnen würden." Er, das ist "Dr. Ferdinand Wegscheider". So lautet die Einblendung zu seinen satirischen Kommentaren auf Servus TV. Er ist aber auch der Chef des Senders. Intendant heißt das dort. So wie früher im ORF. Doch Servus hat keinen General. Zumindest nennt er sich nicht so. Der Sender gehört Red Bull, dessen Chef, Dietrich Mateschitz, auch 49 Prozent besitzt. Der Intendant hat den kürzesten Draht zu ihm -einem dieser alten weißen Männer, die des Lateinischen kundig sind. Mateschitz ist 76.

Wegscheiders Zielgruppenbeschreibung ist also keine reine Selbstironie, die Einschätzung vom Schreckensjahr aber pure Außensicht. Denn der 60-Jährige hatte 2020 einen wahren Lauf. Seit "Der Wegscheider" als Wortführer gegen Corona-Maßnahmen agiert, sehen bis zu 200.000 Menschen seine Erstausstrahlung am Samstag. Ein Viertel des "ZIB 2"-Publikums. Dazu kommt die Verbreitung via Facebook. Mehr als 800.000 Abrufe schaffte er dort mit harscher Schelte an Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der ihm zwei Wochen davor noch das Ehrenzeichen des Landes überreicht hatte.

Wegscheider wütet gegen die da oben. Das sind Bundeskanzler und Landesregierung, Grüne und "Corona-Blockwarte", der mit "Zwangsgebühren" finanzierte "Staatsfunk" und "regimetreue" Zeitungen, "Lohnschreiber ohne jede Expertise" sowie vor allem "Mainstream-Medien". Er verhunzt Minister Rudi "Angstschober" namentlich, und er stellt den renommierten Internisten Richard Greil an den Pranger. Der hatte sich zuvor tapfer im letzten Corona-Quartett gegen dessen Galionsfigur, den Epidemiologen Sucharit Bhakdi, gewehrt, der noch zu Nikolo "Runter mit den Masken!" predigte.

Dadurch wird Servus TV zum Sammelbecken einer obskuren Masse von Verschwörungstheoretikern bis politisch weit Rechten. Sie vermengen sich mit breitem Publikum für Sport-Events, Naturdokus und Heimatsendungen. Technisch und handwerklich auf hohem Niveau. Doch so wie "Der Wegscheider" und "Das Corona-Quartett" sind auch die Servus-Nachrichten anders. Das Austro-Vollprogramm vereint ähnlich wie der amerikanische Nachrichtensender Fox News eine Klientel, die von Parteien per Rechtspopulismus angesprochen wird. In den USA reichte das schon für die Präsidentschaft Trumps. Dort trauen drei Viertel der Demokraten, aber nur noch zehn Prozent der Republikaner herkömmlichen Medien. Fox News sind das einzige, das sie mehrheitlich als glaubwürdig erachten.

Wegscheider geht diesen Weg per "Austria first" und Polarisierung. Er steigert die Quoten, indem er gegen Eliten wettert. Anders als Puls 4 und ATV gewann Servus TV im Herbst Marktanteile. Für den Intendanten ist das Mission. Kein anderer Privatfernsehpionier hat sein Leiden unter dem überlangen Monopol des ORF, wo er einst begonnen hatte, derart zelebriert. Das ging bis zum Hungerstreik für sein Salzburg TV, worüber er sich bei Zeitungen mehr Beachtung erwartet hätte. Diese Wunden leckt Wegscheider heute, wenn er wettbewerbsfähig und -willig gegen die Konkurrenz wütet. Er will dazugehören und mitspielen. Doch sie lassen ihn nicht. Die Wahl der Journalisten des Jahres durch die Leser eines Fachmagazins brachte Servus TV in keiner der 14 Kategorien unter die Top Ten. Die wichtigsten Auszeichnungen gingen ausgerechnet an die Rivalen Armin Wolf und Corinna Milborn. Und das nur drei Tage nach der Jahresbilanz von "Der Wegscheider" über das "Annus horribilis".

Er wird sich rächen. Das ist gewiss. Schwankend zwischen seinen selbst gewählten Rollen als Intendant und Till Eulenspiegel. Ebenso passend wäre eine Anleihe bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Doch das geht sich in der Rollenverteilung zwischen Dr. Wegscheider und Mr. Mateschitz kaum aus.