"Ich koche nicht, um geliebt zu werden"

Er ist ein Ausnahmekoch, bodenständig und nachhaltig. Er lebt Integration und führt ein soziales Leben. Trotzdem mag Max Stiegl nicht gefällig sein und es allen recht machen.

von Zeit für Genuss - "Ich koche nicht, um geliebt zu werden" © Bild: Ricardo Herrgott
Der gebürtige Slowene mit bürgerlichen Namen Željko Rašković kam schon als Kind nach Österreich. Er war mit 21 Jahren der jüngste Sternekoch der Welt, übernahm 2017 das Gut Purbach, leitet seit Kurzem die Küche im Knappenhof und wurde vom Gault & Millau mit vier Hauben ausgezeichnet und zum Koch des Jahres 2021 gewählt. In seinem neuem Buch "Wie schmeckt das Burgenland" werden traditionelle Produkte und Produzenten vorgestellt und Rezepte verraten.

Es ist nicht nur ein Genuss, bei Max Stiegl, 41, dem Koch des Jahres, im Gut Purbach oder dem Knappenhof zu speisen. Es ist auch ein Genuss, mit dem Rockstar der Gastroszene zu plaudern. Dabei spart der im slowenischen Koper geborene Sternekoch kein Thema aus. Er macht klare Ansagen zur Nachhaltigkeit, Regionalität der Küche, aber auch über sein Familienleben, die Integration und das aktuelle politische Geschehen. Dass er oftmals als Querdenker bezeichnet wird, gefällt ihm nicht mehr. "In Zeiten von Corona ist dieser Begriff leider negativ behaftet. Ich bin authentisch und sage, was ich mir denke."

Seine Bodenständigkeit hat Stiegl von zu Hause mitbekommen. Als er sechs Jahre alt war, packte die Familie Rašković ihr Hab und Gut und übersiedelte nach Salzburg. "Uns wurden Tür und Tor geöffnet, und wir bekamen alle Möglichkeiten, uns rasch zu integrieren. Damals war die Politik noch anders."

»Der neue Luxus ist nicht das Teure, sondern das Rare«

Seine Ausbildung zum Koch machte er im Gasthof Abfalter, legte seinen bürgerlichen Namen Željko Rašković ab und tauschte ihn gegen den Künstlernamen Max Stiegl. Der gleichnamigen Brauerei passte das gar nicht, und sie klagte auf Unterlassung des Namens Stiegl, allerdings mit wenig Erfolg. Bereits mit 21 Jahren erhielt Stiegl als Koch des Restaurants Inamera in Rust seinen ersten Michelin Stern und ging damit als jüngster Sternekoch in die Geschichte ein.

Doch was macht den Erfolg des dreifachen Familienvaters aus? Er zelebriert heimische Klassiker zur Perfektion und ist dabei durchaus experimentierfreudig. Sei es das Tatar vom Pferd, Serbische Kutteln, Truthahnhoden oder sein Huhn in der Blase. Letzteres hat bereits Kultstatus. Das Purbacher Hendl ist mit Gänseleber gefüllt und mit Trüffeln gespickt, reicht für vier Personen und kostet 195 Euro. Immerhin: Es gibt gut 400 Gourmets, die diese Delikatesse im Jahr bestellen. Die gängigsten Menüs sind allerdings Grammelknödeln, Zwiebelrostbraten und Halászlé oder die pannonische Fischsuppe (siehe Rezept). Was den Ausnahmekoch auch auszeichnet: Er verwertet immer das ganze Tier. "Das ist leider in unseren Köpfen noch nicht angekommen. Denn wenn ich mir so eine Sau anschaue, müsste theoretisch nach der Luxus Theorie das Schwanzerl oder das Herz mehr kosten als der Schlögl oder das Filet, weil es nur eines gibt."

© Ricardo Herrgott Produkte von Max Stiegl wie Beuschel vom Kalb oder Kalbsrahmgulasch gibt es jetzt auch bei gurkerl.at oder Billa Plus

Nachhaltigkeit bedeutet für Stiegl auch, regionale Zutaten aus dem Pannonischen zu verwenden. Er versteht nicht, weshalb in unseren Breiten exotische Speisen der Vorzug gegeben wird. "Ich habe noch nie an der Côte d'Azur Grammelpogatschen oder ein Mangalitza Schwein bekommen. Aber bei uns servieren wir Jakobsmuscheln. Ich frage mich, was läuft da schief? Dass ein Gansl butterweich, nach Stiegls Definition "barrierefrei", sein muss, stimmt ihn nachdenklich: "Eine Freilandgans ist immer fest, weil sie sich bewegt. Wir haben das Kauen verlernt." Wenig bringt er auch rein veganen Gastronomen entgegen. "Wer bei uns fleischlose Kost wünscht, bekommt sie. Geht man allerdings in ein veganes Lokal, können Kids, die einen Toast wollen, verhungern. Da frage ich mich: Wo bleibt die Toleranz?"

Stiegl will nicht gefällig sein und es allen recht machen. Sozial ist er allemal. "Wir jammern herum, ob wir Fisch oder Muscheln essen, und vier Autostunden entfernt verhungern die Kinder." Er selbst spendet an diverse Vereine und kocht gratis für die katholische Kirche Fastensuppen, "weil er etwas zurückgeben möchte". Diese Wertevermitteln er und seine Frau Sabine auch den drei Kindern.

Wenn außer Haus gegessen wird, geht die Familie ins Landgasthaus Schiller, genießt Streetfood im All Reis oder im Gasthof Quell. "Sabine ist eine coole Frau. Wir haben auch in der Pandemie nichts zum Jammern gehabt. Wir hatten ein Dach über dem Kopf und konnten warm duschen. Nicht zum Wirten gehen zu können, war ein Luxusproblem. Wenn es aber keine Pflegerinnen und Krankenschwestern gibt, dann ist die Kacke am Dampfen."

Zu guter Letzt hat Stiegl noch eine Message an die Politik: "Ich wünsche mir mehr Menschlichkeit und nicht, dass das Ich vor das Wir in der Politik gestellt wird. Auch sollten ausländischen Gastronomen wie dem Sofra mit seiner Balkanküche oder der Backstube Pitawerk eine mediale Bühne gegeben werden."

HALÁSZLÉ - Pannonische Fischsuppe für 4 Personen

Fischfond

Karkassen von einem Zander, Wels oder Hecht gut waschen.

1 l Weißwein 2 l Wasser ½ Sellerie, in Würfel geschnitten 3 Karotten, in Würfel geschnitten 2 Schalotten, geschnitten Weiße Pfefferkörner, Lorbeer, Ingwer

Fischkarkassen mit allen Zutaten einmal kurz aufkochen, dann bei geringer Hitze 1 h ziehen lassen. Abseihen.

Fischsuppe

1,5 l Fischfond 100 g Ingwer, frisch geschnitten 2 Schalotten, geschnitten 2 Stk. rote Spitzpaprika, würfelig geschnitten 4 Scheiben Mangalitzaspeck, in Würfel geschnitten je 1 EL Curry, Kurkuma und Tomatenmarmelade oder Ketchup 4 cl Pernod

Speck, Ingwer, Schalotten anschwitzen, dann den Safran dazugeben und langsam weiter rösten. Zur Seite stellen. Curry, Kurkuma, Paprika und Tomatenmarmelade dazugeben. Mit Fischfond aufgießen und langsam köcheln lassen. Pernod beigeben. Alles aufmixen (Mixbecher) und abpassieren.

Einlage

200 g Fischstücke (Hecht, Zander, Wels) klein schneiden 2 EL Fenchel, klein geschnitten 4 Stk. getrocknete Paradeiser klein schneiden 2 EL. Belugalinsen, vorgekocht

Die Einlage mit der Fischsuppe einmal aufkochen, dann abpassieren und die Fischsuppe mit Butterflocken aufmontieren. Die Einlage auf 4 Teller verteilen und die Suppe darübergießen.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 38/2021.