Matteo Salvini: Vom Putin-Fan
zum "Capitano" unter Druck

Vom Separatisten zum Schlüsselelement der neuen Regierung in Rom: Matteo Salvini, Chef der Lega, ist der neue Frontmann der italienischen Rechten. Mit heftigen Slogans a la US-Präsident Donald Trump - "Italien zuerst" und "Stopp der Migranteninvasion" - ist Italiens Innenminister mit seiner Lega zur stärksten Kraft rechts der politischen Mitte aufgerückt.

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Porträt - Matteo Salvini: Vom Putin-Fan
zum "Capitano" unter Druck

Steckbrief

  • Vorname: Matteo
  • Name: Salvini
  • Geburtstdatum: 9. März 1973
  • Geburtstort: Mailand
  • Sternzeichen: Fische
  • Familienstand: geschieden und Vater von zwei Kindern

Redegewandt, aggressiv und technologisch versiert: Der bärtige Salvini baute seine politische Karriere auf dem Unmut des Nordens gegen die Zentralregierung in Rom auf. Während er gegen die Brüsseler Bürokratie wettert, pflegt er etwa zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, zur französischen Rassemblement National (früher Front National) sowie zur FPÖ und der deutschen AfD beste Kontakte.

Der 1973 in Mailand geborene Salvini ist ein versierter Politprofi, der bereits seit den Jugendjahren an seiner politischen Karriere arbeitet: Schon als 17-Jähriger trat er der Lega Nord - später nur mehr Lega - bei. Damals wurde noch für die Abspaltung Norditaliens vom Rest des Landes gekämpft. Nach der Schule belegte er an der Universität Mailand Geschichte, brach das Studium aber ab.

Journalist bis zum großen Durchbruch

1997 wurde Salvini Journalist und zwei Jahre später Redakteur bei Radio Padania Libera, dem Sender der Lega Nord für einen norditalienischen, autonomen Staat namens "Padanien". Als Stadtrat in Mailand tat sich Salvini mit Kampagnen gegen Moscheen und Roma-Siedlungen hervor, als EU-Parlamentarier wetterte er in Straßburg gegen das "Europa der Technokraten", das Kleinunternehmer und Handwerker in den "tüchtigen" Regionen Norditaliens erdrossle. Im Europaparlament gehört die Lega, wie auch die Freiheitlichen, der rechtspopulistischen und EU-kritischen Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) an.

Den großen Durchbruch schaffte Salvini im Dezember 2013, als er den Lega-Nord-Gründer Umberto Bossi nach einem Skandal um veruntreute Parteigelder beerbte. Der geschiedene Vater von zwei Kindern und Lebensgefährte einer glamourösen RAI-Moderatorin nahm die nach dem Bossi-Skandal schwer gebeutelte Lega Nord in die Hand und verpasste ihr eine Neuausrichtung. Aus der separatistischen Partei mit Stammgebiet in Norditalien wurde eine Rechtspartei nach dem Modell der Front National. Das Wort "Nord" strich Salvini mittlerweile aus dem Parteiennamen.

Vom Wahlsystem gedrängt ging Salvini eine Koalition mit Silvio Berlusconis Forza Italia ein. Bei den Parlamentswahlen am 4. März 2018 überrundete die Lega mit 17 Prozent die Forza Italia. Die Allianz mit dem Medienunternehmer ist in die Brüche gegangen, nachdem sich die Lega zu Regierungsverhandlungen mit der Fünf-Sterne-Bewegung entschlossen hatte.

Euro? "Gescheitertes Experiment"

Den Euro bezeichnete Salvini als "gescheitertes wirtschaftliches und soziales Experiment". Zwar könne kein Land alleine aus dem Euroraum aussteigen, die gemeinsame Währung sei jedoch "kein Dogma". Im Koalitionsentwurf mit der Fünf-Sterne-Bewegung setzte Salvini eines seiner Hauptanliegen durch: Die Einführung einer Flat Tax von 15 Prozent für Personen und Unternehmen. Wie die Maßnahme konkret finanzierbar ist, ist zwar noch unklar. Salvini lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: "Von nun an wird es immer heißen: Italiener zuerst".

Der "Capitano", wie seine Anhänger Salvini nennen, ist "einer wie wir", lautet die Botschaft. Italiens Innenminister und Vizepremier ist immer für ein Selfie zu haben. Damit vermittelt er den Eindruck, dass er trotz seiner Führungsposition in der populistischen Regierung in Rom weiterhin ein Mann des Volkes ist. Denn Salvini weiß, dass der Kontakt zur Wählerschaft seine Stärke ist. Sein Bauchgefühl sagt ihm, was sich die Italiener erhoffen, sein politisches Gespür ist instinktiv und berechnend zugleich.

Der Ansturm von Anhängern und die Liebeserklärungen seiner Fans bei jeder Wahlveranstaltung trösten Salvini über die zunehmenden Schwierigkeiten hinweg, mit denen er als Staatsmann konfrontiert ist. Denn eins steht fest: der 46-jährige Populist liebt mehr den Kontakt zur Wählerschaft als die zermürbenden Verhandlungen mit den Koalitionspartnern in Rom, um die Regierungslinien in Sachen Wirtschaft oder Einwanderung zu bestimmen. Differenzen mit der Fünf-Sterne-Bewegung sind an der Tagesordnung und trüben Salvinis Laune.

Der "Capitano" steht unter Druck

Harten Widerstand bekommt der Innenminister dieser Tage zu spüren. So wartet er seit über einer Woche darauf, dass Regierungschef Giuseppe Conte und die verbündete Fünf-Sterne-Bewegung grünes Licht zu seinem neuen Sicherheitsdekret geben, mit dem saftige Geldstrafen für private Rettungsorganisationen eingeführt werden sollen. Das Zurückziehen des Dekrets verlangen dagegen mit Nachdruck das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge und mehrere NGOs. Staatspräsident Sergio Mattarella informierte darüber hinaus die Regierung, dass Salvinis Sicherheitsdekret seiner Meinung nach in mehreren Punkten gegen die Verfassung verstoße.

Auch mit seiner Einwanderungspolitik der "geschlossenen Häfen" bekommt Salvini Ärger. Während er mantraartig wiederholte, dass kein Rettungsschiff ohne seine Genehmigung in Italien eintreffen wird, ordnete ein sizilianischer Staatsanwaltschaft kürzlich die Landung von 47 Migranten an Bord der "Sea Watch-3" auf Lampedusa an. Für den Innenminister war die Schmach groß. "Salvini ist für die Einwanderung zuständig, er muss erklären, warum es zu dieser Situation gekommen ist", sagte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio.

Der lange Wahlkampf nagt an den Beziehungen zwischen den ungleichen Regierungspartnern. Die Rivalität der Koalitionsparteien blockiert die Politik. Während Salvini mit seinen Slogans gegen die EU-Budgetregeln in Europa für Aufregung sorgt, profiliert sich Di Maio als vernünftiger Staatsmann, der sich für eine ausgeglichene Bilanz einsetzt. Während Salvini seinen skandalumwitterten Staatssekretär Armando Siri verteidigt, stellt sich der Fünf-Sterne-Chef als Damm gegen Korruption dar.

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