Annäherung an einen Unnahbaren

Enkelsohn von Fritz Muliar versucht die Beziehung zu seinem Großvater aufzuarbeiten

Markus Muliar, der Enkelsohn der Schauspiellegende Fritz Muliar versucht die Beziehung zu seinem Großvater aufzuarbeiten. In seinem Buch „Damit wir uns verstehen!“ gibt er Einblick in sein Familienleben.

von Markus Muliar © Bild: www.sebastianreich.com

NEWS: Warum haben Sie das Buch geschrieben?
Markus Muliar: Ich habe vor etwa vier Jahren angefangen mich mit den Tagebüchern meines Großvaters zu beschäftigen. Er hatte sie mir eines Tages in einem Schuhkarton verpackt in die Hand gedrückt mit den Worten: „Vielleicht kannst später einmal was damit anfangen“. Die Tagebücher entstanden während des Krieges und beschreiben seinen Alltag, seine Hoffnungen und auch seine Ängste. Dadurch habe ich meinen Großvater von einer neuen Seite kennengelernt und verstehe auch Verhaltensmuster von ihm besser. Dieses Großvater - Enkel Verhältnis das wir hatten, gibt es glaube ich sehr häufig. Ich habe versucht dieses Nichtreden oder dieses Unverständnis der Generationen nachzuzeichnen. Ich habe immer auf dem Standpunkt gestanden, dass ich ihn nicht verstanden habe. Während der Arbeit an dem Buch bin ich draufgekommen dass er mich genauso wenig verstanden hat. Ich hoffe dass mein Buch dem einen oder anderen auch einen Anstoß gibt, sich mit der eigenen Familiengeschichte und den Kriegsjahren auseinanderzusetzen.

Markus Muliar
© www.sebastianreich.com Markus Muliar im Interview mit NEWS.

NEWS: Was hat die Familie zu ihrem Plan gesagt ein Buch zu schreiben?
Muliar: Es gab natürlich auch Überlegungen ob ich das Buch überhaupt machen soll. Meine Mutter hat mich nicht gebremst. Sie ist dem gegenüber sehr neutral eingestellt. Ich habe sie auch oft zum Buch befragt und habe mit ihr so einen Faktencheck gemacht. Es kommen doch viele Personen darin vor und ich wollte wissen ob es richtig ist, wie ich es schreibe. Im Grunde genommen hat die Familie das Buch noch nicht gelesen. Das ist also sehr frisch für sie.

NEWS: Sie beschreiben im Buch viele Zurückweisungen, auch von ihrem Großvater. War es für sie auch so eine Art Therapie das alles niederzuschreiben?
Muliar: Das was sich in meinem Elternhaus abgespielt hat, hat mich natürlich sehr geprägt und mich zu dem gemacht was ich heute bin. Die Zurückweisungen meines Großvaters waren mir geläufig. Das heißt, es hat mir insofern nicht wehgetan. Das Aufarbeiten seiner Tagebücher hat mich friedlich werden lassen mit ihm. Man könnte es schon als Therapie oder Analyse ansehen. Ich finde das Buch hat die Emotionalität, die da drinnen steckt gebraucht. Ich wollte kein abgeklärtes, analytisches Sachbuch schreiben. Ich schildere Ereignisse aus der Sicht des Kindes, das ich damals war. Ich hatte einen sehr berühmten Mann als Großvater und seine erste Frau, die Gretel ist ihm um nichts nachgestanden. Da ich aber nur den einen Großvater und die eine Großmutter hatte, konnte ich nicht vergleichen und sagen die einen sind meine seriösen Großeltern und die anderen sind halt ein bisschen crazy. Ich kann nicht sagen, ob ich mir das anders gewünscht hätte. Ich blicke heute auf diese Zeit zurück, und es ist meistens sehr amüsant.

NEWS: Ihr Großvater wird im Buch doch etwas anders gezeigt, als man ihn in der Öffentlichkeit kannte. Er hat lustig gewirkt. Im Buch wirkt er gar nicht lustig.
Muliar: Ja klar zeige ich meinen Großvater von einer anderen Seite. Aber das ist halt die Seite wie ich ihn kannte. Dem Opapa jauchzend in die Arme zu stürzen wäre undenkbar gewesen. Wenn er da war, schlichen wir auf Zehenspitzen durch die Wohnung, um ihn nicht zu stören.

NEWS: Jetzt wo sie die Tagebücher ihres Großvaters gelesen haben und einen anderen Zugang zu ihm haben, tut es ihnen leid, dass sie nicht mehr mit ihm darüber reden können?
Muliar: Ich weiß nicht, ob die Auseinandersetzung mit ihm funktionieren würde. Er hat nicht reflektiert. Er hat sich nicht damit auseinandergesetzt warum er so ist. Was seine Geschichte mit ihm gemacht hat. In den 80er Jahren war er der berühmte Schauspieler. Was er gesagt hat, war Wort - und Ende. Er musste nicht einmal überlegen wie er es sagt. Er hat es einfach gesagt und die Leute haben das hingenommen.

NEWS: Hat ihr Vater, der ja ein sehr gutes Verhältnis zu ihrem Großvater hatte, nie versucht die Verhaltensweisen seines Vaters zu erklären?
Muliar: Nein. Mein Vater und mein Großvater waren mehr wie Brüder oder Freunde miteinander. Mein Großvater hat uns häufig besucht. Aber wenn er nicht da war, war er auch nicht Thema. Es war halt so: Er ist wie er ist, nehmt ihn so und Ende.

NEWS: Mein Vater ist sehr früh gestorben, da war ich gerade 14 Jahre alt. Das ist die Zeit wo man eigentlich erst anfängt Fragen zu stellen. Ich hatte diese Möglichkeit also nicht. Mein Großvater hat aber auch nicht die Vaterrolle übernommen. Das war ihm fremd. Die Lücke die mein Vater hinterlassen hat, wurde nicht gefüllt.

NEWS: Haben Sie Ähnlichkeiten mit ihrem Großvater?
Muliar: Ich habe sicher viele Dinge von ihm mitbekommen. Seine Härte, auch mit sich selber habe ich ganz sicher von ihm übernommen. Das Meinung haben und Meinung vertreten habe ich auch von ihm. Das kommt manchmal nicht gut an bei den Leuten, aber so ist es eben. Die Sturheit die er hatte, die hat er genützt. Was wir auch gemeinsam haben, ist dass wir nichts vergessen. Mein Großvater hatte ein Hirn wie ein Elefant. Wenn ich grantig bin, bin ich ihm auch sehr ähnlich.

NEWS: Wie war Ihr Verhältnis zueinander, als Sie erwachsen wurden?
Muliar: Im Alter ist mein Großvater dann weicher geworden. Er war sehr häufig bei mir im Kaffeehaus. Wenn er in den Kammerspielen gespielt hat, hat er mich oft besucht. Da hatten wir einen ganz guten Draht zueinander. Er hat immer dazu tendiert einen in der Familie besonders hervorzuheben. Alle anderen in der Familie waren dann nix. Das hat immer gewechselt zwischen seinen Söhnen und mir. Als ich das Kaffeehaus übernommen habe und es auch positiv geführt habe war dann ich dieses weiße Schaf. Erstmals in meinem Leben hat er mir gezeigt das er das gut findet, dass ich meinen eigenen Weg habe. Da haben wir schon eine gute Basis gehabt. Nicht dass er mit etwas von sich erzählt hätte. Es ist ihm auch schwer gefallen mit mir über den frühen Tod meines Vaters, der an Lungenkrebs gestorben ist, zu reden. So war er halt.

Markus Muliars Buch
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Zum Buch:
Markus Muliar
Damit wir uns verstehen! Mein Großvater und ich
Kremayr & Scheriau
256 Seiten
22,00 Euro
ISBN: 978-3-218-00965-2

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