Die Marke ÖVP ist schwer beschädigt

Wie tief kann die Partei fallen? Insider meinen, ins Bodenlose. In bekannter Form hat sie sich längst aufgegeben

von Die Marke ÖVP ist schwer beschädigt © Bild: Privat

Wenn es so weitergehe, drohe der ÖVP das gleiche Schicksal wie der "Democrazia Cristiana" twitterte der parteinahe PR-Berater Wolfgang Rosam, nachdem der Rechnungshof vernichtende Ausführungen zur ihrem Rechenschaftsbericht 2019 veröffentlicht hatte: Eine Wahlkampfkosten-Obergrenze könnte überschritten worden sein. So zu tun, als hätten Seniorenbund-Vereine und gleichnamige Teilorganisationen nichts miteinander zu tun, ist daneben und so weiter und so fort.

Die italienischen Christdemokraten haben ihr Land nach 1945 geprägt und auch die meisten Ministerpräsidenten gestellt. Von Alcide De Gasperi bis Giulio Andreotti. Mehr und mehr wurden der "DC" jedoch Korruptionsskandale zum Verhängnis. 1994 wurde sie aufgelöst.

Die ÖVP hat eine etwas andere Zäsur hinter sich: Sie hat über die Jahre so sehr an Attraktivität verloren, dass sie 2016 bei der Bundespräsidentschaftswahl mit ihrem Kandidaten Andreas Khol gerade einmal elf Prozent erreichte. Es folgte eine Art Selbstaufgabe bzw. Übertragung an Sebastian Kurz. Er änderte die Farbe genauso wie die Bezeichnung, sprach nur ungern von einer Partei, sondern lieber von einer Bewegung. Bei Mitarbeitern in der Parteizentrale und in den Ministerbüros waren eher persönliche Loyalitätsverhältnisse als die Parteizugehörigkeit maßgebend. Das war eine radikale Antwort auf die ÖVP-Krise.

Das Problem von Nachfolger Karl Nehammer ist, dass er weder einen Weg zurück noch einen nach vorne findet, der der Partei hilft, die nunmehrige, noch größere Krise nach dem Kurz-Abgang zu überwinden. Beobachter führen das darauf zurück, dass er selbst zu sehr Teil der türkisen Liste Kurz war. Bei der Nationalratswahl 2019 fungierte er als ihr Generalsekretär und war als solcher für die Wahlkampfkosten zuständig, für die sich der Rechnungshof nun interessiert.

In irgendeiner Form wird die einstige ÖVP wohl weiter existieren. Auf Bundesebene gibt es Stimmen für eine Neugründung. Auch das könnte lediglich bedeuten, dass sie sich um andere Zugänge und eine attraktivere Außendarstellung bemüht.

Krise auch in den Ländern

Vorerst aber stehen ihr noch harte Zeiten bevor. Auch in den Ländern: In Tirol tritt Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) nicht so sehr zurück, weil er müde ist, sondern weil ihm die 44 Prozent vom letzten Mal unerreichbar erscheinen. Im Winter waren laut einer TT-Umfrage 32 Prozent realistisch. In Vorarlberg bewegt sich die Partei aufgrund der Wirtschaftsbund-Affäre in eine ähnliche Richtung, und in Niederösterreich wird es für Johanna Mikl-Leitner schwierig, die Mandatsmehrheit bei der bevorstehenden Landtagswahl zu verteidigen. Eine Antwort darauf ist auch hier, die alte Marke ÖVP vergessen zu machen und mehr denn je eine blau-gelbe "Niederösterreich-Partei" drüberzulegen.