Maria-Luise Mathiaschitz:
"Dieser Lockdown ist sehr schmerzhaft"

Österreichs Landeshauptstädte sind auch heuer gefordert, dem Druck der Coronakrise standzuhalten. Wo gibt es Probleme, was sind die größten Herausforderungen 2021? In Teil 2 unserer Serie erklärt die Klagenfurter Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz, wie es ihrer Stadt geht und was die Akzeptanz in der Bevölkerung zu den Corona-Maßnahmen der Regierung erhöhen würde.

von Bürgermeister im Gespräch - Maria-Luise Mathiaschitz:
"Dieser Lockdown ist sehr schmerzhaft" © Bild: Stadt Klagenfurt
Dr. Maria-Luise Mathiaschitz (* 27. Jänner 1957 in St. Georgen im Lavanttal) ist eine österreichische Politikerin der SPÖ und Humanmedizinerin. Sie ist seit April 2015 erste Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee und ist österreichweit die erste Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt.

Frau Mathiaschitz, als gelernte Ärztin und praktizierende Politikerin: Kann oder muss man den Corona-Impfstoffen vertrauen?
Man kann ihnen vertrauen. Wenn sie in Europa zugelassen sind, kann man ihnen absolut vertrauen.

Gibt es oder wird es in Klagenfurt Impfaufpasser geben, wie es für Vorarlberg zumindest laut angedacht worden ist?
Das wird es nicht geben. Ich muss ganz ehrlich sagen, wir werden in Klagenfurt absolute Transparenz bei unseren Impflisten haben. Es gibt ja die Möglichkeit, dass man sich beim Land anmeldet, also für alle ab einem Alter von 16 Jahren, die sich impfen lassen möchten. Älteren Personen, die sich damit vielleicht ein wenig schwer tun oder keinen Internetzugang haben, werden wir beim Magistrat helfen. Ich vertraue jedenfalls darauf, dass die Impfliste abgearbeitet wird, wie es mit dem Landeshauptmann abgesprochen und von der Bunderegierung vorgegeben worden ist.

Wie stehen Sie zur Thematik der „Impfvordrängler“ unter den Bürgermeistern?
Ich finde das sehr unsensibel und es wäre mir selbst nicht in den Sinn gekommen.

Also keine „Priorität I“ für Bürgermeister?
Es gibt natürlich verschiedene Zugänge. Wie man es macht, ist es nicht richtig, das sollte man sich schon auch vor Augen führen. Impft man sich als Politiker zuerst, heißt es, man drängelt sich vor. Impft man sich nicht, heißt es, man habe Angst und lässt andere ausprobieren.

Ich glaube, dass die Vorgangsweise, wie sie jetzt vom Bund festgelegt worden ist, ein sinnvoller Zugang ist. Und das sollte man so beibehalten. Wenn ich dementsprechend einmal an der Reihe bin, lasse ich mich natürlich auch impfen.

»Es versteht niemand, dass man mit anderen Leuten in einer Gondel sitzen, andererseits aber nicht in einem Geschäft einkaufen darf«

Wie ist Klagenfurt bis jetzt durch die Corona-Krise gekommen?
Die Krise ist für uns alle eine unglaubliche Herausforderung und es sind sehr, sehr schwierige Zeiten. Vor allem – und das soll kein Vorwurf an Land oder Bund sein – weil es Situationen gibt, die sich fast täglich ändern. Und das dann auch tatsächlich zu kommunizieren, ist sehr schwierig.

Gerade die Kommunen sind den Bürgern am nächsten und somit die ersten Ansprechpartner. Etwas zu kommunizieren, warum es jetzt anders ist, ist sehr schwierig. Ich merke es zunehmend, dass einfach auch bei uns gerade die Einhaltung des Lockdowns nicht mehr zu 100 Prozent funktioniert, dass die Menschen sich einfach nicht mehr daran halten.

Ich glaube, man hat hier eine gewisse Transparenz verabsäumt. Man muss den Menschen klarmachen, warum das notwendig ist. Und es versteht niemand, dass man mit anderen Leuten in einer Gondel sitzen, andererseits aber nicht in einem Geschäft einkaufen darf, wo man sehr wohl einen vorgegebenen Abstand einhalten kann. Irgendwann einmal lässt die Akzeptanz dann nach.

Würden Sie dem Bregenzer Bürgermeister Ritsch zustimmen, dass sich die Bürgermeister Österreichs von der Regierung im Stich gelassen fühlen?
Nein. Die Menschen haben es einfach satt. Es ist gut, dass wir eine Demokratie haben, selbstverständlich, es ist gut, dass es verschiedene Meinungen gibt. Aber in einer Krise sollte man zusammenstehen und in einer Krise sollte man auch gemeinsam mit den Ländern kommunizieren - da hat der Bund jetzt, spät aber doch, den richtigen Weg eingeschlagen. Das ist etwas, das dringend notwendig war. Es ermüdet einfach sehr, wenn einer eine Idee hat, und dann stehen sofort drei da, die meinen, das sei falsch. Deswegen ist das Zusammenstehen der Landeshauptleute mit dem Bundeskanzler und dem Gesundheitsminister so wichtig.

»Bitte weniger auf Lobby hören und mehr in Richtung Verständnis gehen«

Was wäre insbesondere als Stadt Klagenfurt Ihr Appell an die Regierung?
Entscheidungen müssen für Menschen nachvollziehbar sein. Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass ich auf der einen Seite Ski fahren, aber auf der anderen Seite nicht ins Theater gehen darf. Das sind Dinge, die ich nicht verstehe. Oder wenn Abstandsregeln eingehalten werden, warum ich kein Geschäftslokal besuchen darf. Mein Appell an die Regierung wäre es daher, bitte weniger auf Lobbys zu hören und stattdessen mehr in Richtung Verständnis zu gehen. Dann erhöht sich auch die Akzeptanz der Bevölkerung.

Was fehlt besonders?
Wir werden schauen, wie es mit dem Lockdown weitergeht, aber ich muss schon sagen, dass mir die Entscheidungen für Kunst und Kultur schon sehr wehtun. Ich glaube, dass das einfach etwas ganz Wesentliches für eine Stadt ist, auch die Atmosphäre einer Stadt beeinflusst. Dieser Lockdown ist sehr schmerzhaft – für die Künstler natürlich auf der einen Seite, aber auch für die Bevölkerung ist das nicht zu unterschätzen.

© Stadt Klagenfurt

Ihre Liste für die kommende Gemeinderatswahl weist eine 50-prozentige Frauenquote auf. Hat Österreich Ihrer Ansicht nach ein Problem damit, dass die Bürgermeisterinnen-Quote in Städten knapp über und am Land sogar knapp unter 10 Prozent liegt?
Es ist ein schwieriger Weg, dass eine Frauenquote von 50 Prozent in einer Regierung erreicht wird. Ich habe es bei meiner Listenerstellung gemerkt, dass es immer noch schwierig ist, Frauen zu motivieren. Frauen sind immer noch viel kritischer zu sich selbst als Männer und sich oft nicht sicher, ob sie sich das zutrauen können. Bei einem Mann hätte ich so etwas noch nie gehört, da ist die Hemmschwelle wesentlich niedriger. Da ist noch sehr viel Arbeit notwendig, und ich sehe mich als Bürgermeisterin in dieser Rolle, Frauen zu motivieren, sich für politische Ämter zur Verfügung zu stellen. Ergänzen möchte ich, dass die Rahmenbedingungen schon auch passen müssen, Stichwort fehlende Karenzzeit.

Stichwort Gemeinderatswahl: Am 28. Februar wird in Klagenfurt gewählt. Rechnen Sie damit, dass das Ergebnis eindeutiger ausfallen wird als 2015? Sie konnten sich ja erst in einer Stichwahl gegen Christian Scheider von der FPÖ durchsetzen, der heuer auch wieder antreten wird.
Ich sehe uns in Klagenfurt auf einem sehr guten Weg. Ich bin sehr stolz, was uns in den letzten sechs Jahren gelungen ist. Wir haben es wirklich geschafft, die Stadt vor dem Konkurs zu bewahren. Gemeinsam als Dreierkoalition SPÖ-ÖVP-Grüne ist es uns gelungen, die Stadt wieder auf sichere finanzielle Beine zu stellen. Gerade in einer Krisenzeit wie jetzt ist das sehr wichtig, weil wir von einer guten Position aus starten können und nach Corona investieren können und müssen.

Ob es wieder eine Stichwahl wird oder nicht, lässt sich nicht vorhersagen, weil es in Klagenfurt 11 Parteien gibt, die antreten und davon zehn Parteien einen Bürgermeisterkandidaten stellen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass dieser Weg, den wir eingeschlagen haben, fortgesetzt wird.

»Ich glaube, dass es finanziell nur mit einem bundesweiten Schulterschluss gelingen wird«

Wie stark macht Ihnen die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung, was das Budget betrifft?
Natürlich macht sie einen großen. Da geht es mir und den Kommunen in Österreich gleich, es fehlt uns das Geld für das operative Geschäft. Wenn die Haupteinnahmequellen der Kommune, nämlich die Ertragsanteile und die Kommunalsteuer, wegbrechen, dann ist das auch das Geld, das wir für das laufende Geschäft der Stadt bräuchten. Da reden wir noch gar nicht von Investitionen, da haben es größere Städte sicher leichter. Bei kleineren Gemeinden sieht man aber gut, dass einfach nichts mehr übrig bleibt und das bedeutet eine sehr fordernde Zeit für Österreich. Ich glaube auch, dass es finanziell nur mit einem bundesweiten Schulterschluss gelingen wird, aber ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass es notwendig sein wird, nach der Krise die Wirtschaft zu stärken und zu investieren, um somit auch wieder Arbeitsplätze schaffen zu können.

Landeshauptmann Kaiser damals hat bei Ihrer Angelobung gemeint, dass Sie den Staub vieler Baustellen in Klagenfurt abschütteln würden. Wie würden Sie Bilanz ziehen: Welche „Baustellen“ sind in Ihrer Amtszeit in Klagenfurt beendet worden?
Wirklich sehr viele. Die wichtigste Baustelle war die bereits erwähnte mit den Finanzen der Stadt. Es ist auch gelungen, Rechtssicherheit für das Wörthersee-Stadion zu Wege zu bringen, das ja österreichweit Schlagzeilen gemacht hat. Es ist wirklich ein multifunktionales Stadion geworden, das neben Fußball auch andere internationale Stars von Bon Jovi bis Ed Sheeran nach Klagenfurt geholt hat.

© tinefoto.com | martin steinthaler

Wir haben auch sehr viel Bürgerbeteiligung gelebt in meiner Amtszeit, unter anderem Verkehrs- und Standortlösungen gefunden, die teilweise jahrzehntelang offen waren. Gemeinsam mit der Bevölkerung haben wir auch ein Leitbild für Klagenfurt entwickelt, das die Vision für die Stadt konkretisiert und das wir auch mit Kunst und Kultur umzusetzen versuchen.

Was sind Ihrem Ermessen nach derzeit die größten Sorgen der Klagenfurterinnen und Klagenfurter?
Ich denke, dass die Corona-Krise einen massiven Einbruch im Lebensgefühl gebracht hat. Und ich glaube, dass es uns die nächste Jahre einfach beschäftigen wird, wie wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen können.

Angenommen, Sie bleiben Bürgermeisterin: Was würden Sie heuer für Klagenfurt unbedingt erreichen wollen?
Ein wesentlicher Punkt ist tatsächlich der Neubau des Hallenbads, mit dem wir zum Spatenstich und dann zum Bau kommen wollen. Ich möchte auch das städtische Pflegeheim neu bauen, die Lebensqualität soll in Klagenfurt erhalten bleiben. Das heißt aber auch, dass der Klimawandel vor Klagenfurt nicht Halt gemacht hat. Das heißt, dass wir in der Stadt Grünoasen errichten werden, dass wir Plätze fit für den Klimawandel machen. Dementsprechend werden wir auch verstärkt auf die Themen Fassadenbegrünung und die Integration von Wasserflächen im Stadtbild setzen.

Auf welches Projekt Ihrer Stadt sind Sie besonders stolz?
Wir beziehen in Klagenfurt fast zu 100 Prozent Energie aus Biomasse, hier sind wir auf einem sehr guten Weg und haben sehr viele Fernwärme-Anschlüsse. Sehr stolz bin ich auch darauf, dass wir die Radwege in Klagenfurt attraktiver gestalten konnten. Wie im Übrigen auch den öffentlichen Personen-Nahverkehr. Mit den gut 100.000 Einwohnern Klagenfurts ist eine attraktive Gestaltung für den öffentlichen Verkehr finanziell sehr schwierig. Trotzdem haben wir jetzt begonnen, eine Linie im 10-Minuten-Takt zu führen. Das mag für Wienerinnen und Wiener nichts sein, aber bei uns steigert das die Akzeptanz für den öffentlichen Personennahverkehr schon enorm.

© tinefoto.com | martin steinthaler

Wir haben auch ein eigenes Verkehrskonzept für den Bus entwickelt und sind derzeit dabei, dieses Konzept auch umzusetzen, verbunden mit einer Dekarbonisierung der gesamten Busflotte. Mir als Frau auch ganz besonders wichtig war eine Beleuchtungsoffensive in meiner Amtszeit, weil es zu meinem Antritt immer noch Straßen gab, die nicht beleuchtet waren. Auch die Radwege und Laufstrecken wurden beleuchtet. Ein wichtiger Schritt in Richtung Sicherheitsgefühl, den wir weiter fortsetzen werden.

Gibt es umgekehrt Projekte anderer Landeshauptstädte, die Sie in ähnlicher Form auch gerne für Ihre Stadt sehen würden?
Ich bin mit allen Städten sehr gut in Kontakt und im Städtebund als Vizepräsidentin neben Michael Ludwig fix verankert. So ein Austausch über Parteigrenzen hinweg ist ein ganz wichtiger und ich gebe Ihnen Recht, dass man das Rad nicht immer neu erfinden muss. Dennoch muss man sich gut überlegen, wie sich Projekte anderer Städte auf die eigene Stadt übertragen lassen, 1:1 funktioniert das nicht.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.