Marcel Hirscher:
Wie geht es weiter?

Wie geht es bei Marcel Hirscher weiter? Bleibt er dem Skizirkus eine weitere Saison erhalten, oder beendet Hirscher seine Karriere? Heute lud er zum Pressegespräch, wirklich in die Karten lassen schauen ließ er sich dabei aber (noch) nicht.

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Zum achten Mal in Folge gewann Marcel Hirscher diese Saison den Gesamtweltcup, zum jeweils sechsten Mal die Wertungen im Slalom und Riesentorlauf. Mit 20 Kristallkugeln hält er nun gemeinsam mit Lindsey Vonn den Rekord. Der 30-jährige Salzburger brachte es in seinen 22 Rennen auf neun Saisonsiege, er hält nun bei 67, womit dem regierenden Slalom-Weltmeister noch 19 auf die Rekordmarke des Schweden Ingemar Stenmark mit 86 fehlen. Trotz aller Erfolge ist nicht klar, ob Marcel Hirscher, der seit einigen Monaten Vater ist, seine beispiellose Karriere fortsetzen wird.

Hirscher muss noch nachdenken

Ski-Star Marcel Hirscher bekräftigte am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Wien sein Vorhaben, zeitnah eine Entscheidung über die Fortsetzung oder das Ende seiner Karriere zu treffen. "Ich möchte mir nicht all zu viel Zeit geben, aber mehr als 48 Stunden wären toll", sagte der Salzburger, der erst am Sonntag in Soldeu die Weltcupsaison mit dem achten Gewinn der großen Kristallkugel beendet hat.

»Ich möchte mir nicht all zu viel Zeit geben, aber mehr als 48 Stunden wären toll«

Es gebe eine Tendenz von "49:51", aber er wolle nicht sagen, in welche Richtung, meinte der 30-Jährige. Er benötige einige Tage Pause, die Zeit nach der WM in Aare habe ihm viel Kraft gekostet. "Ich bin heuer sehr, sehr müde, ich glaube, das hat man beim Saisonfinale sehr gut gesehen. Ich will schauen, wie die Regeneration fortschreitet. Ich bin jetzt zehn Jahre im Weltcup-Zirkus dabei, dass man da früher oder später mal Federn lässt, ist ganz klar", sagte er auf dem Termin seines Kopfsponsors Raiffeisen.

Er werde schauen, ob es körperlich und mental nochmals möglich sei, so eine Saison zu ziehen. Denn wenn, wolle er um die große Kugel fahren, das sei das Ziel, dafür brauche es hundert Prozent. "Man fährt nicht nur Rennen, man fährt um Kugeln, man fährt um eine Gesamtwertung. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob man sich für den Einzelwettkampf vorbereitet oder das gesamte große Projekt."

"Lebensentscheidung" für Hirscher

Er sei ein Gefühlsmensch, diese "Lebensentscheidung" werde er auf sich zukommen lassen und gemeinsam mit der Familie treffen. Hirscher ist seit vergangenem Jahr verheiratet und Vater eines Sohnes. Er werde viele Gespräche führen, es werde eine Bauchentscheidung werden, er werde aber keine Plus-Minus-Statistik aufstellen.

Die Frage nach dem Aufhören, wenn es am schönsten ist, habe er sich schon oft stellen dürfen: "Glücklicherweise bin ich diesem Leitfaden nie nachgegangen, sonst hätte ich 2012 in Schladming aufgehört." Er holte damals seinen ersten Gesamtweltcup, mittlerweile kamen sieben weitere in Folge dazu, sowie je sechs kleine Kristallkugeln in Slalom und Riesentorlauf, er hält bei 67 Weltcupsiegen.

"Erschreckender" Auftritt beim Finale

Die Rennen in Andorra seien auch eine Gelegenheit gewesen, zu sehen, dass "es ist nicht selbstverständlich sei, dass in jedem Rennen abgeliefert werden kann", es sei verrückt, wie schnell es sich drehen könne und man im Slalom letzte Laufzeit habe (gesamt Slalom-14.).

»So schlecht war ich noch nie. Das ist erstaunlich und schon fast erschreckend«

"Eine ganz neue Seite, die ich bis jetzt noch nicht kenne. So schlecht war ich noch nie. Das ist erstaunlich und schon fast erschreckend. Die wirkliche Erklärung habe ich nicht, aber das sollte meine Entscheidung für die Zukunft nicht maßgeblich beeinflussen", sagte Hirscher. So wie er früher lernen musste, sich mit dem Sieg auseinanderzusetzen, müsse er sich jetzt der Enttäuschung und Niederlage genauso stellen.

Viel Arbeit, aber auch große Motivation

Sollten die Grundparameter stimmen und er sich mental und körperlich in der Lage sehen, weiterzumachen, dann würde viel Arbeit auf ihn warten. "Das ist auf der anderen Seite aber auch wieder eine große Motivation. Es war in den letzten Jahren schon sehr oft der Fall, dass ich hinterher gefahren bin, vielleicht nicht so dramatisch wie jetzt, aber das war immer Anstoß, selbst wieder einen Schritt nach vorne zu machen. Man sieht es oft während der Saison. Diejenigen, die den Takt vorgeben, da muss man fast dankbar sein, die bringen alle miteinander das Skifahren wieder auf ein neues Level."

Sein Team würde sich nie zufriedengeben, man wollte jeden Tag das Maximum rausholen, aber auch bei einem gewonnenen Rennen heiße es nicht, dass alles perfekt gewesen sei. "Wir sind nie müde geworden, uns weiterzuentwickeln. Es ist wie eine Selbsthilfegruppe, wir schauen sehr gut aufeinander. Alle Personen geben wahnsinnig Gas. Du musst ein bisschen einen Fanatismus haben und das auch wollen", sagte der Slalom-Weltmeister und Riesentorlauf-Vizeweltmeister von Aare.

© imago images / Sammy Minkoff

Hirscher, der in den sozialen Netzwerken (Facebook, Instagram, Twitter) zusammengezählt 1,5 Millionen Fans hat, kritisiert öfter den großen Reisestress und die dichte Rennansetzung, wie die anderen Athleten fügt er sich dem aber auch. "Wenn du um eine Kugel mitfahren willst, lässt du kein Rennen aus." Änderungen sind trotzdem erwünscht, der TV-Zuseher müsse nicht jeden Tag Rennen im Fernseher haben.

Zur von den Speedfahrern kritisierten Unausgewogenheit von Technik- und Speedrennen meinte Hirscher: "Es kann schon sein, dass das eine oder ander Speed-Wochenende mehr nicht schaden kann, um mehr Gleichheit zu schaffen. Aber ich muss auch hin und wieder einen Super-G fahren und einen Parallel-Event, mir taugt das auch nicht." Wollen Speedfahrer um die Kugel mitfahren, müssen sie dazu auch bereit sein. Er wies auch auf seine geringe Ausfallsquote hin.

Neureuther: Hirscher soll weitermachen

Felix Neureuther hofft auf eine Fortsetzung der Karriere des achtfachen Gesamtweltcupsiegers Marcel Hirscher. "Ich würde ihm noch zu gerne beim Skifahren zuschauen. Das macht er zu gut, als dass er jetzt schon aufhören sollte", sagte Neureuther einen Tag nach seinem eigenen Karriereende und der Ankunft in München.

»Das macht er zu gut, als dass er jetzt schon aufhören sollte«

Er werde Skirennen in Zukunft auch als Zuschauer vor Ort besuchen, sagte der 34-jährige Deutsche, der sich einen Job als TV-Experte vorstellen kann. "Ich bin ein Riesen-Fan und werde das immer sein und werde mitfiebern. Da freue ich mich sehr drauf." Sein langjähriger Konkurrent aus Österreich hat noch nicht entschieden, ob er weiterhin im Weltcup aktiv sein wird. Wie Neureuther ist Hirscher Vater eines kleinen Kindes.