'Mann ohne Gesicht': Ex-DDR-Spionagechef Markus Wolf im Alter von 83 Jahren gestorben

War 30 Jahre lang Chef der DDR-Auslandsagenten

Wenn ein Agent des Kalten Krieges den Titel "Meisterspion" verdient hatte, dann war es wohl Wolf. Obwohl er schon 1952 die Leitung des DDR-Auslandsnachrichtendienstes übernahm, gelang es westlichen Aufklärern erst 1978 in Stockholm, ein Foto von ihm zu machen. Bis dahin galt Wolf als "der Mann ohne Gesicht". Noch heute geraten seine früheren Mitstreiter, aber auch seine einstigen Gegner geradezu ins Schwärmen, wenn sie über Wolfs Aktivitäten berichten. Mit der "Präzision eines Uhrwerks", "der Schlaue eines Fuchses" und "der Logik eines Schachspielers" habe er seine bis zu 4000 Leute im Ausland agieren lassen.

Bis zuletzt stand der Sohn des Dichters Friedrich Wolf zu seiner Tätigkeit für die SED-Machthaber und seinem Schwur, frühere Helfer nicht zu verraten. Das maßgeblich von ihm errichtete System der Auslandsspionage wird mit einer Krake verglichen: beweglich, vielarmig und rundum präsent. "Er war ein Meisterspion, dessen Wirken viel schlimmer war als sein Ruf", sagte der englische Historiker Timothy Garton Ash der Nachrichtenagentur Reuters. Der Professor an der Universität Oxford ist daher auch bestürzt, dass Wolf inzwischen als "glanzvoller Intellektueller und kommunistischer Reformer" idealisiert werde.

Wolf - Spitzname Mischa - gelangen immer wieder spektakuläre Coups. Er rekrutierte den persönlichen Mitarbeiter von Bundeskanzler Willy Brandt, Günter Guillaume. Nach dessen Enttarnung 1974 musste Brandt zurücktreten - Wolf erhielt den Karl-Marx-Orden, die höchste Auszeichnung im SED-Staat. Auch im Brüsseler NATO-Hauptquartier konnte der "Mann ohne Gesicht" einen Spitzenagenten mit dem bezeichnenden Decknamen "Topas" - ein wertvoller Edelstein - unterbringen. Bis Ende 1989 lieferte "Topas" der Stasi gut zwei Jahrzehnte lang brisantes Material.

Wolf war bekennender Kommunist. Mit seiner Familie floh er nach der Machtergreifung der Nazis 1933 über Frankreich und die Schweiz in die Sowjetunion. 1945 kehrte Wolf aus dem Exil zurück, engagierte sich als SED-Mitglied der ersten Stunde für den "Aufbau des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden". 1986 quittierte Wolf als stellvertretender Minister für Staatssicherheit im Range eines Generaloberst den Dienst. Er zog sich als Buchautor ins Privatleben zurück.

Da gegen Wolf in der Bundesrepublik ein Haftbefehl bestand, floh er nach der Wende 1990 über Österreich, das ihm Asyl verweigerte, nach Moskau. 1991 kehrte er in das nun wiedervereinte Deutschland zurück. Gleich bei Grenzüberschreitung wurde der frühere DDR-Spionagechef festgenommen. 1993 wurde ihm in Düsseldorf der Prozess wegen Landesverrats gemacht. Er bekam sechs Jahre Gefängnis. Wolf erhielt aber Haftverschonung, weil ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts über die strafrechtliche Verfolgung von Ex-DDR-Spionen ausstand.

Da die Karlsruher Richter dann hohe Hürden für eine Verurteilung ehemaliger DDR-Agenten festlegten, hob der Bundesgerichtshof die Strafe für Wolf auf. 1997 begann ein weiterer Prozess. Nun wurde Wolf zur Last gelegt, die Entführung eines abtrünnigen Stasi-Offiziers aus der Bundesrepublik in die DDR unterstützt zu haben. Er wurde zu einer zweijährige Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

1998 musste der einstige Meisterspion doch noch ins Gefängnis: Drei Tage kam Wolf in Beugehaft, weil er sich weigerte, im Prozess gegen einen früheren DDR-Spion auszusagen.

(APA/red)