Kurz wirft SPÖ "Angstmache" vor

Kanzler: "Unredlich und auch nicht sinnvoll, mit falschen Zahlen zu hantieren"

Mögliche Änderungen bei der Mangelberufsliste stießen bei der SPÖ auf Kritik. Nun wehrt sich der Bundeskanzler und wirft der SPÖ widerum "Angstmache" sowie Hantieren mit falschen Zahlen vor.

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Mangelberufe - Kurz wirft SPÖ "Angstmache" vor

Die Mangelberufsliste dient der Zulassung von Fachkräften aus Drittstaaten über die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte. Die SPÖ warf der Regierung, insbesondere der FPÖ, vor, mit geplanten Änderungen bei der Liste 150.000 zusätzliche Zuwanderer ins Land zu holen. Die Regierungsspitze kann das nicht nachvollziehen: Die Entscheidung über die Ausweitung der Liste sei noch unter SPÖ-Minister Alois Stöger gefasst worden, meinte Kurz. Die SPÖ bezieht sich freilich auch auf Überlegungen, künftig regionale Aspekte einzubeziehen. Etwaige weitere Schritte werde man in Ruhe in der Regierung vorbereiten und dann diskutieren, sagte der Kanzler. Man solle nicht irgendwelche Zahlen nennen, bevor etwas am Tisch liege, bat er.

Schlagabtausch zwischen FPÖ und SPÖ

SPÖ und FPÖ lieferten sich in den vergangenen Tagen über die Medien überhaupt einen veritablen Schlagabtausch. Die Äußerungen aus der SPÖ seien "nur mehr als skurril" zu betrachten, befand FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Die rote Aussage, dass Jörg Haider jetzt SPÖ wählen würde, hat Strache zum Beispiel richtiggehend "amüsiert". Vizeparteichef Norbert Hofer stellte einen Streit zwischen den beiden Parteien in Abrede, ortete einen solchen aber innerhalb der SPÖ - diese müsse sich erst in ihrer neuen Oppositionsrolle finden, meinte er.

»Ich hab genug zu tun«

Kurz will sich mit den rot-blauen Scharmützeln nicht auseinandersetzen: "Ich hab genug zu tun", immerhin müsse er ein Regierungsprogramm abarbeiten, erklärte der Kanzler.

Kern weist Kurz' Vorwurf der "falschen Zahlen" zurück

SPÖ-Chef Christian Kern hat den Vorwurf von Kurz, die SPÖ operiere bei ihrer Warnung vor einer möglichen Änderungen bei der Mangelberufsliste mit falschen Zahlen, zurückgewiesen. Die Regierung habe eine Verdreifachung der Mangelberufsliste vorgeschlagen, das würde logischerweise in einer Verdreifachung der Rot-weiß-rot-Kartenbesitzer resultieren, so Kern.

Kern sagte im Ö1-"Mittagsjournal" am Dienstag, es gebe "heute schon in Österreich 47.000 Rot-Weiß-Rot-Kartenbesitzer". "Was die Regierung vorgeschlagen hat, ist eine Vervielfachung der Mangelberufsliste." Laut Expertenmeinung sei davon auszugehen, dass dies auch zu einer Vervielfachung der Rot-Weiß-Rot-Kartenbesitzer führen wird, nämlich zu einer Verdreifachung, so der Ex-Kanzler.

Und selbst wenn es "nur 100.000 sind, sind es viel zu viele. Weil unser Thema ist: Wie schaffen wir es, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen?", meinte der SP-Chef weiter. So gehe es beispielsweise beim Friseurberuf darum, diesen zu attraktivieren. Die Alternative sei, die Bedingungen unangetastet zu lassen - und sich "in der Ukraine, in Russland, in Moldawien, in Kroatien" Leute zu suchen, die bereits sind, zu diesen zu arbeiten.

Problem der Arbeitslosigkeit wird "verschärft"

"Fakt ist, wir haben in Österreich fast 400.000 Arbeitslose. Wenn man da jetzt die Türen noch weiter öffnet, in Berufen, wo es meinem Dafürhalten nach in Österreich keinen Mangel gibt, bedeutet das, dass man das Problem der Arbeitslosigkeit verschärft."

»Fakt ist, wir haben in Österreich fast 400.000 Arbeitslose«

Einen "ausländerfeindlichen Unterton" in der Argumentation der SP-Spitze bei diesem Thema sieht Kern nicht: "Mir geht es dabei nicht um expliziten Inländerschutz, sondern um den Arbeitnehmerschutz." Die SPÖ würde diese Linie seit Jahren vertreten. So habe man beispielsweise auch bei der EU-Osterweiterung Begrenzungen am Arbeitsmarkt eingefordert.

Gefragt nach der - auch innerparteilich kritisierten - Aussage von SP-Bundesgeschäftsführer Max Lercher ("Die Wahrheit ist, dass Jörg Haider heute wahrscheinlich SPÖ wählen würde") sagte Kern: "Offen gesagt, welche Toten wen wählen, ist mir persönlich gesagt auch ziemlich Powidl." Er verwies darauf, dass erst am Wochenende FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gemeint hatte, Ex-Kanzler Bruno Kreisky würde heute FPÖ wählen. "Der Max Lercher hat zugespitzt geantwortet und auf das Faktum hingewiesen, dass die FPÖ in die Regierung eingetreten ist als ein Vertreter des kleinen Mannes - und heute die Interessen der kleinen Leute, der Mittelschicht in Wahrheit verraten hat."

Kern wehrt sich gegen Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit

Die Frage, ob die SPÖ weiterhin auf dem "ausländerfeindlichen Klavier" spielen werde, verneinte Kern klar: "Nein, es ist nicht ausländerfeindlich, ich widerspreche ihnen vehement. Deshalb werden wir auch nicht weiterspielen, weil wir nicht darauf gespielt haben." Sogar Karl Marx habe vor der "industriellen Reservearmee" gewarnt, und davor, dass das Kapital Interesse habe, möglichst viele Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt zu holen, um dann Lohn- und Sozialdumping zu betreiben.

"Das will ich nicht. Ich will, dass in Österreich alle die Chance kriegen auf ein gutes Einkommen für faire Arbeit", so Kern. "Jeder, der das in Zusammenhang mit Ausländerfeindlichkeit stellt, der irrt und hat die wesentliche Diskussion übersehen".

Regierung weist Kern-Zahlen zurück

Regierungssprecher Peter Launsky hat am Mittwoch Aussagen von SPÖ-Chef Christian Kern zurückgewiesen, wonach die ÖVP-FPÖ-Regierung eine Verdreifachung der Mangelberufsliste vorgeschlagen habe, was zu einer Verdreifachung der Rot-Weiß-Rot-Kartenbesitzer führen würde. Die nahezu Verdreifachung der Mangelberufe gehe auf noch auf Ex-SPÖ-Minister Alois Stöger zurück, erklärte Launsky in einer Aussendung.

"Die Ausweitung der Mangelberufsliste von 11 auf 27, also die nahezu Verdreifachung der Mangelberufe wurde von SPÖ-Sozialminister Alois Stöger erlassen. Der Erlass wurde am 15. Dezember 2017 verabschiedet, drei Tage vor der Angelobung der neuen Bundesregierung. Der Erlass ist zugänglich und erhältlich im behördlichen Rechtssystem unter https://www.ris.bka.gv.at", so Launsky. "Die neue Bundesregierung hat zudem noch keinerlei Maßnahmen zum Fachkräftebedarf beschlossen. Ich hoffe, damit einen Beitrag zur Versachlichung geliefert zu haben", betonte der Regierungssprecher von ÖVP und FPÖ.

Für WKÖ SP-Zahlen "völlig aus der Luft gegriffen"

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) sieht die von SPÖ-Chef Christian Kern am Dienstag in der Debatte um die Mangelberufe ins Spiel gebrachten Zahlen als "völlig aus der Luft gegriffen". Die Zahl der Rot-Weiß-Rot-Karten-Bewilligungen belaufe sich seit 2011 insgesamt auf etwa 12.000, und nicht wie von Kern im "Mittagsjournal" behauptet auf rund 47.000.

Und seit Einführung der Fachkräfteverordnung im Jahr 2013 (die festlegt, welche Tätigkeiten als "Mangelberufe" gelten) wurden laut WKÖ rund 1.700 Fachkräfte in Mangelberufen bewilligt.

Die von Kern vorgerechnete zu erwartende Verdreifachung der Zahl der Karteninhaber sei "nicht nachvollziehbar". Denn schon die Basis der 47.000 würde nicht den Tatsachen entsprechen. Auch die vom SP-Chef angenommene Verdreifachung würde "jeder Grundlage" entbehren, so die Kammer in einer Aussendung.

"Diese Zahlen sind schlicht und einfach absurd", sagte der Arbeits- und Sozialrechtsexperte der Wirtschaftskammer Martin Gleitsmann. "Die von der SPÖ behaupteten 150.000 zusätzlichen Zuwanderer würden knapp eine Verhundertfachung der derzeitigen Bewilligungen für Fachkräfte in Mangelberufen bedeuten."

Statt "Phantasie-Zahlenspiele" anzustellen sollte man sich "stärker auf die Nöte der Betriebe konzentrieren", so Gleitsmann. Für die heimischen Betriebe sei der Fachkräftemangel mittlerweile "prioritäres Problem und Hemmschuh für Wachstum" geworden. Bereits rund drei Viertel der Unternehmen hätten Schwierigkeiten damit, ihre offenen Stellen mit geeigneten Personen zu besetzen.

Gleitsmann forderte daher, "sämtliche Maßnahmen im Inland auszuschöpfen". Dazu zähle ein Ausbau der überregionalen Vermittlung - was alleine aber nicht ausreichen werde. "Nachdem der internationale Wettbewerb um die besten Köpfe bereits in vollem Gange ist, wird es kaum möglich sein, in Österreich oder den benachbarten EU-Ländern ausreichend Fachkräfte zu bekommen." Denn auch Länder wie Rumänien, Ungarn oder Deutschland würden ebenso unter Fachkräftemangel leiden. "Daher muss künftig verstärkt auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten gesetzt werden."

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