Wollen Männer wirklich immer?

Dem Klischee nach wollen Männer immer und steht das für Potenz und Mannesstärke. Aber wenn dem wirklich so ist, dann wäre doch äußerst beunruhigend, dass in Beziehungen manchmal buchstäblich "tote Hose" ist.

von Liebes Leben - Wollen Männer wirklich immer? © Bild: Nathan Murrell

In allen Partnerschaften bleibt das Liebesleben stets ein Thema. Gerade wenn die Häufigkeit zurückgeht, ist Sexualität wichtig, auch wenn man nicht mehr so oft miteinander schläft. Wissenschaftlichen Studien zufolge betrifft diese ganz normale Entwicklung wirklich jedes Paar: Manchmal schon nach einem halben Jahr oder in Zusammenhang mit einschneidenden Ereignissen wie Hausbau, Geburt der Kinder, neuem Job und Ähnlichem. Meist zeitgleich mit dem Rückgang der Glückshormone nach den sogenannten "Flitterwochen" einer Beziehung, die durchschnittlich sechs Wochen bis sechs Monate währen. Ein interessantes Studienergebnis: Je stabiler eine Partnerschaft, desto weniger Sex im engeren Sinne, also im Sinne von Beischlaf, braucht es fürs Beziehungsglück.

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Schauen wir genau hin: Der Dopaminspiegel steigt ja irgendwann nicht mehr so gewaltig im Angesicht der geliebten Person. Sie ist aber nicht weniger begehrenswert geworden, sondern, und jetzt die wirklich gute Nachricht: Der Mann, aber auch die Frau leidet nicht mehr unter solcher Verlustangst, dass er oder sie ständig "Sex wollen muss". Häufige Ängste, wenn die Libido abnimmt: Kann er denn nicht mehr seinen Mann stehen? Oder ist die Frau schuld daran und bemüht sich zu wenig um Erotik? Solche Befürchtungen führen Paare wie Elisa und Wilhelm in eine Sexualtherapie. Elisa sagt: "Wilhelm und ich sind seit ein paar Jahren zusammen, aber es kommt fast nie mehr zu Sex." War das denn anfangs anders? Und wie! Beide erzählen, wie testosterongesteuert er gewesen sei. Und sie habe sich angesichts seiner rasenden sexuellen Begierde und steten Potenz unsagbar sexy und feminin gefühlt. Aber jetzt, jetzt wolle er einfach nicht mehr so oft. Früher taten sie es überall. Da sei er ein ganzer Mann gewesen, habe sie sich als ganze Frau gefühlt. Spätestens hier fahre ich die therapeutische Stopptafel auf und frage die beiden, ob seine sexuelle Begierde als Nachweis dient, dass ihre Partnerschaft noch das Gütesiegel "Prädikat wertvoll" hat. Ob Sex zu haben der beruhigende Hinweis sei, dass das Haltbarkeitsdatum der Beziehung noch nicht abgelaufen sei. Oder worum es wirklich gehe, wenn nicht um einen völlig kontraproduktiven Leistungsdruck. Sich mit Sex als Mann zu beweisen beziehungsweise als ganze Frau?

Männer leiden tatsächlich unter diesem evolutionsbiologischen Klischee des ewigen Samenverstreuens und sind verdammt, immer zu wollen, so wie die Prinzessin im Märchen nur eine richtige Prinzessin ist, wenn sie durch einen Stapel Matratzen eine Erbse spürt. Mein Rat: sexuelles Intervallfasten! Nicht gegen die Lust, sondern um mit dem Klischee des "ganzen Mannes, der stets will", und der "ganzen Frau, die ihren Selbstwert aus seiner Begierde zieht", aufzuräumen, empfehle ich Paaren meist für ein paar Wochen Sexkarenz. Markus wurde sein Tinder-Date ohne Vorwarnung los, als er nach einem entspannten Abend mit gemeinsamem Kochen eben nicht das erwartete "Soll" erfüllte. Und sich nicht Hals über Kopf auf Julia stürzte. Diese deutete das als Zeichen der Ablehnung und stürmte tränenreich von hinnen nach dannen. Ganz anders Edita: Nichts wünscht sie sich mehr, als einmal von ihrem Gatten Thomas wertneutral gehalten statt immer nur sexuell befriedigt zu werden. Und, nein, Männer wollen nicht immer! Sie wollen ankommen. Als ganzer Mann bei einer ganzen Frau, wie die Prinzessin auf der Erbse bei ihrem Prinzen dann auch keine weiteren Beweise erbringen muss.

Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin
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