Luger verkündet Ende
von Rot-Blau in Linz

Der Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger hat heute als Konsequenz des Ibiza-Videos die Zusammenarbeit mit der FPÖ aufgekündigt.

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Regierungskrise - Luger verkündet Ende
von Rot-Blau in Linz

Ab sofort solle im Gemeinderat das freie Spiel der Kräfte herrschen. Die zwei FPÖ-Stadträte bleiben jedoch in ihren Funktionen, da Luger "nichts von Strafaktionen hält". Zudem forderte er in Oberösterreich Neuwahlen, sowie die Abschaffung des Proporzsystems.

»Das System FPÖ hat eine Grenze von Moral und Anstand überschritten«

"Das System FPÖ hat eine Grenze von Moral und Anstand überschritten", begründete der Bürgermeister das Ende von Rot-Blau. Die "wahren Grundfesten der Demokratie der Zweiten Republik" seien erschüttert worden. Daher reiche es nicht aus, wenn die beiden Protagonisten Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache zurücktreten, erklärte Luger. So habe er FPÖ-Vizebürgermeister Markus Hein Montagvormittag in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, das Arbeitsübereinkommen in "sachpolitischen Feldern wie Budget und Infrastruktur zu beendigen".

Linzer FPÖ sieht "parteipolitisches Manöver" Lugers

Für die Linzer FPÖ ist die Aufkündigung des Arbeitsübereinkommens durch Bürgermeister Luger "ein bedauerliches parteipolitisches Manöver im Auftrag der Bundes-SPÖ". Beim künftig freien Spiel der Kräfte werde die freiheitliche Handschrift "noch klarer sichtbar" sein als bisher, so Vizebürgermeister Markus Hein und Stadtrat Michael Raml, man werde die "konstruktive Arbeit fortsetzen".

ÖVP-Vizebürgermeister Bernhard Baier hält die Aufkündigung des Arbeitsübereinkommens mit der FPÖ für "wenig glaubwürdig" und für einen "Etikettenschwindel". Denn eine Zusammenarbeit mit einer Partei zu beenden, hieße im Umkehrschluss auch, Gespräche mit anderen Fraktionen zu führen. Er erwarte sich vom freien Spiel der Kräfte keine großen Sprünge.

Die Grüne Stadträtin Eva Schobesberger verlangte von Luger, die Ressortverteilung im Stadtsenat zu ändern: Das "Schlüsselressort" Stadtplanung sowie das Sicherheitsressort dürften nicht länger in den Händen der FPÖ liegen. "Jetzt lediglich Oberflächenkosmetik zu betreiben, ist zu wenig", so Schobesberger.

Die NEOS begrüßten das freie Spiel der Kräfte: "Die rot-blaue Koalition war von Anfang an ein schädlicher Bremsklotz für unser Linz. Dieses Packeln hat in erster Linie dem persönlichen Machterhalt von Klaus Luger gedient", so die pinke Fraktion in einer Aussendung.

Für die KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn ist es Fakt, "dass sich die SPÖ und vor allem der Bürgermeister als Person mit der Packelei mit der insbesondere in Linz als besonders rechtsextrem positionierten FPÖ massiv selbst beschädigt hat".

Oö. FPÖ-Sicherheitslandesrat tritt zurück

Seinen Rücktritt hat indes Oberösterreichs Sicherheitslandesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) erklärt. Er befürchte, "bei der nun einsetzenden oppositionellen Schmutzkübelkampagne anlässlich der sogenannten 'Ibizaaffäre' erneut zur Zielscheibe medialer Angriffe zu werden", hieß es. Podgorschek stand nach einer Rede bei der deutschen AfD im Vorjahr stark in der Kritik.

Er hatte laut Video in dieser Rede die "Neutralisierung des ORF" gefordert und erklärt, dass die FPÖ ihr eigenes Fernsehen gegründet habe, denn "mit den herkömmlichen Medien ist kein Staat zu machen". Die Justiz bezeichnete er als "völlig linksgepolt" und er warnte vor der ÖVP, mit der man in einer "Vernunftehe" sei: "Traue keinem Schwarzen". SPÖ und Grüne forderten seinen Rücktritt, für LH Thomas Stelzer (ÖVP) war das Thema nach einer Aussprache vom Tisch.

Rücktritt Bedingung für Koalition

In Oberösterreich will die ÖVP offenbar weiter mit der FPÖ koalieren. Wie aus ÖVP-Kreisen durchdrang, war Podgorscheks Rücktritt Grundbedingung für ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer, die Koalition mit den Blauen im Land fortzusetzen. Der Sicherheitslandesrat begründete seinen Rücktritt mit "nun einsetzenden Unsachlichkeiten" und der "Polemik der Oppositionsparteien in Oberösterreich".

Es sei zu befürchten, "dass ich erneut zur Zielscheibe für oppositionelle Anfeindungen werde. Ich will meiner Frau und meinen Kindern diesen Druck nicht noch einmal zumuten - Der Schutz meiner Familie hat für mich höchste Priorität", so der Innviertler. In einer Pressekonferenz der oö. Grünen am Vormittag hatte Landessprecher Stefan Kaineder festgestellt, dass es in Oberösterreich "ein ähnliches Video gegeben hat" wie das Ibiza-Tape, nämlich jenes, das eine Rede von Podgorschek bei der AfD in Thüringen zeige. SPÖ-Landesvorsitzende Birgit Gerstorfer hätte sich Podgorscheks Rücktritt schon früher gewünscht. Es sei der richtige Schritt, aber zu wenig, sagte sie in einer Stellungnahme.

Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner zeigte Verständnis für Podgorscheks Abschied und kündigte eine Pressekonferenz für Dienstag an.

Rendi-Wagner kündigt vorgezogene Wahlen in Linz an

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner hatte bereits am Sonntag in der ORF-Diskussion "Im Zentrum" vorgezogene Wahlen in Linz angekündigt. Hier präzisierte Luger, dass die SPÖ generell Neuwahlen in ganz Oberösterreich wolle. Würde nur Linz allein wählen, müsste man bereits 2021 - den regulären Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen - wieder zur Urne schreiten.

Mit den Freiheitlichen hatte Luger nach den Kommunalwahlen 2015 ein Arbeitsübereinkommen abgeschlossen. Ende April dieses Jahres gab es erste größere Unstimmigkeiten zwischen Rot und Blau, als bekannt wurde, dass Identitäre in der Villa Hagen Veranstaltungen abgehalten haben. In jener Linzer Villa residiert auch die Burschenschaft "Arminia Czernowitz", der zwei FPÖ-Stadtregierungsmitglieder und einige blaue Gemeinderäte angehören. In diesem Zusammenhang hatte der Linzer Bürgermeister in einem Interview mit dem "Standard" die Zusammenarbeit mit der FPÖ als "Zwangsregierung" bezeichnet.

SPÖ kündigt Neuwahlantrag in OÖ an

Die oberösterreichische SPÖ verlangt eine Neuwahl im Bundesland. Sie kündigte einen Neuwahlantrag an, dieser bräuchte allerdings die Zustimmung der ÖVP. Ein Angebot für einen fliegenden Wechsel von Blau nach Rot habe man auf Landesebene noch nicht bekommen, so Parteivorsitzende Landesrätin Birgit Gerstorfer und Klubvorsitzender Christian Makor in einer Pressekonferenz am frühen Nachmittag,

Das Ibiza-Video zeige "welches Sittenbild in der FPÖ durchgängig vorhanden ist", so Gerstorfer. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) trage die "volle Verantwortung" für die derzeitige "Destabilisierung", etwa die Isolierung Österreichs durch andere Nationen in Europa. Sie betonte, dass die SPÖ nach der Nationalratswahl 2017 durchaus zu Gesprächen mit der ÖVP bereit gewesen wäre, diese hätte aber das Angebot nicht angenommen.

FPÖ in OÖ "nicht regierungsfähig"

Auch in Oberösterreich sei die FPÖ "nicht regierungsfähig", sagte Gerstorfer. Die SPÖ erhebe daher die "klare Forderung nach einer Neuwahl". Ein fliegender Wechsel in der Proporzregierung - der rechnerisch möglich wäre - könnte ihrer Ansicht nach nur ein "Übergangsszenario" sein, denn auch wenn das Arbeitsübereinkommen aufgekündigt würde, wären immer noch dieselben handelnden Personen im Landtag und der Landesregierung.

Makor listete auf, dass es von 2013 bis Anfang dieses Jahres "39 rechtsextreme Vorfälle" in Zusammenhang mit der FPÖ in Oberösterreich gegeben habe, zudem "enge Verbindungen der Identitären mit der FPÖ in Linz", das "Rattengedicht" oder die Berufung Odin Wiesingers in den Landeskulturbeirat. Hinzu komme, dass "Oberösterreich sein Ibiza-Video bereits vor einem Jahr hatte" - jenes Video, das eine Rede von Landesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) vor der AfD in Thüringen zeigt. "Was war die Reaktion von Stelzer? Ein ernstes Gespräch", so Makor.

Die Nachricht von Podgorscheks Rücktritt platzte dann mitten in die SPÖ-Pressekonferenz. Dem Vernehmen nach soll der Abgang des Landesrats für die ÖVP die Grundbedingung für die Fortführung der Koalition mit den Freiheitlichen in Oberösterreich gewesen sein. Für die SPÖ ist der Rücktritt zwar ein richtiger Schritt, der aber viel zu spät komme.