Das "Alphatier" und sein "Junior"

Wie Michael Ludwig und sein neuer Vize Christoph Wiederkehr harmonieren - und was den beiden fehlt

Michael Ludwig und Christoph Wiederkehr. Sie sind das neue Wiener Bürgermeister-Duo, das der erstmaligen Koalition aus SPÖ und NEOS vorsteht. Doch wie harmonieren der erfahrene Politiker Ludwig und der Jungspund Wiedekehr? Experte Stefan Verra analysiert die Wirkung der Körpersprache dieses ungleichen Paares.

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Körpersprache-Analyse - Das "Alphatier" und sein "Junior"
Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Europa. Der in München lebende Österreicher beschäftigt sich seit 20 Jahren intensiv mit der menschlichen Körpersprache. Er hält heute weltweit Vorträge, ist Gastdozent an mehreren Universitäten und tourt immer wieder mit seiner humorvollen Körpersprache-Show. Stefan Verra arbeitet auch mit Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Autismus zusammen sowie mit Hospizen und in der Kinderkrebshilfe.

Viel gab es von Michael Ludwig und Christoph Wiederkehr gemeinsam noch nicht zu sehen, die rot-pinke Koalition in Wien ist dafür noch zu jung. Doch bei der Verkündung dieser standen der pinke Vizebürgermeister und der rote Stadtchef gemeinsam vor der Presse. Und diesen Auftritt fand Körpersprache-Experte Stefan Verra „ganz interessant“. Die Wirkung der neuen Wiener Regierungsspitze nach Außen sei nämlich „ganz stark“: „Man sieht ganz klar, wer Juniorpartner ist – im doppelten Wortsinn. Also wirklich Junior!“, so Verra.

Wiederkehr buhlt immer noch

Gemeint ist damit der 30-jährige Christoph Wiederkehr. Dieser befinde sich laut Verra noch in einer Körpersprache, die versuche alles richtig zu machen: „Er versucht jedem einzelnen Wort Bedeutung zu verleihen, er versucht, alles korrekt zu machen, er schaut immer wieder ins Publikum, er versucht immer wieder zu lächeln, wobei dieses Lächeln fast ein Unterwürfigkeitssignal ist, ein Signal von ‚Ich will nur ja nicht anecken'." Kurz: Er versuche, immer noch um die Gunst der Medien, die Gunst des Publikums zu buhlen.

In seinem Buch "Leithammel sind auch nur Menschen: Die Körpersprache der Mächtigen" analysiert er die Körpersprache von Politikern wie Donald Trump, Angela Merkel und widmet auch Sebastian Kurz ein ganzes Kapitel.
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Der eindeutige Junior

Das sei zwar ganz normal, denn in seinem Alter seien andere gerade mit dem Studium fertig und agieren in ihren ersten Jobs vor dem Chef ganz genauso. Das sei, so Verra, zwar natürlich, aber Wiederkehr sei im Gegensatz zu anderen eben direkt in das Amt des Vizebürgermeisters der zweitgrößten deutschsprachigen Stadt katapultiert worden, ein ganz anderes Kaliber von Job also, voll im Rampenlicht. Und der Körpersprache nach zu urteilen, sei einfach klar: Wiederkehr ist hier der Junior.

Die fehlende Lässigkeit

Bei seinem Bedürfnis, alles korrekt machen zu wollen, zu gefallen, fehle Wiederkehr zudem die Lässigkeit in der Körpersprache, das Saloppe. Und das sei durchaus ein Nachteil, denn „wenn ich Wiener wäre und ich müsste mich darauf verlassen, dass er für mich etwas tut, sollte er etwas mehr Selbstverständlichkeit zeigen in seiner Körpersprache“, so Verra.

»Ich habe den Eindruck, der wird nie die Rampensau werden«

Dies sei zwar erlernbar, aber nur bis zu einem gewissen Grad. „Auch wenn ich nicht in die Zukunft schauen kann, habe ich ein bisschen den Eindruck, Christoph Wiederkehr wird der brave Körpersprachler bleiben. Der wird nie die Rampensau werden.“

Alphatier Ludwig

Die bei Wiederkehr fehlende Lässigkeit, bringt dafür sein neuer Partner, Bürgermeister Michael Ludwig mit. „Ludwig buhlt überhaupt nicht um die Medien, er steht da und ist sich offensichtlich seiner Sache als großer Wahlgewinner unglaublich sicher.“ Etwas, das als Alphatier auch wichtig sei, wolle man in dieser Rolle ohnehin vielmehr jemanden, an dem man sich anlehnen könne als jemanden, der sich ständig um einen bemühe, so Verra.

»Wenn man in seiner Körpersprache so wenig Zuneigung zu seinem Gegenüber zeigt, dann muss man das mit Selbstironie oder Humor kompensieren. «

Diese große Selbstsicherheit, fast ein wenig ins „Bonzen-hafte“ gehend, war durchaus auch ein Merkmal von Ludwigs Vorgänger, doch im Gegensatz zu Michael Häupl fehle Ludwig der dazugehörige Schmäh, der Humor. Diesen würde es aber dringend brauchen, denn „wenn man in seiner Körpersprache so wenig Zuneigung zu seinem Gegenüber zeigt, dann muss man das mit Selbstironie oder Humor kompensieren. Sonst bleibt es in einer Bonzen-haften Überheblichkeit hängen.“

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Fehlender Publikumsmagnet

Wenn die beiden also so unterschiedlich sind, dann ergänzen sie sich wohl gut, würde man meinen. Doch Verra winkt ab. Wiederkehr fehle die Kraft. Die Kraft, wie etwa ein Barack Obama sie hatte, der bei Betreten einer Bühne das Gefühl vermittle, das sei sein Terrain. So sei Wiederkehr für Ludwig zwar ein guter Juniorpartner, der ihm nicht die Show stiehlt, aber gepaart mit Ludwigs nicht vorhandener Ironie, fehle in dieser Paarung einfach der Publikumsmagnet, den Wien so lange hatte.