Lob für Österreichs
Regierung in Brüssel

Die Bundesregierung hat heute eine informelle Ministerratssitzung in Brüssel abgehalten und traf danach die EU-Kommission zu einem Arbeitsgespräch. Thema war Österreichs EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt.

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Lob für Österreichs Regierung gab es Mittwoch bei einem Besuch der gesamten ÖVP-FPÖ-Koalition in Brüssel durch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Vor allem beim Hauptthema Migration zeichnete sich eine deutliche Annäherung ab. So unterstrichen Juncker und Bundeskanzler Sebastian Kurz die Bedeutung des Schutzes der Außengrenzen.

Quotenfrage erübrigt sich bei funktionierenden Außengrenzen

Juncker erklärte, angesprochen auf die umstrittene Flüchtlingsquote, wenn es einen funktionierenden Außengrenzschutz gebe, "werden sich andere Fragen erübrigen". Wesentlich sei die "Abwehr der illegalen Einwanderung". Dies sei sowohl ein europäisches Anliegen als auch eines der betroffenen Staaten. "Ich habe mich nicht dagegen zur Wehr zu setzen."

Kurz erklärte zur Idee von Zentren für abgelehnte Asylwerber außerhalb der EU, dass er hier auf bilateraler Ebene mit einer kleinen Gruppe von Staaten in Kontakt sei. Es sei aber "kein Projekt des österreichischen Ratsvorsitzes, sondern eine Initiative im kleinen Kreis mit Dänemark".

Große Hoffnung in Österreichs EU-Ratspräsidentschaft

Juncker betonte, er setze jedenfalls große Hoffnungen in die österreichische Ratspräsidentschaft und habe auch einen guten Eindruck von Vizekanzler Heinz-Christian Strache gewonnen. Angesprochen auf die Aussagen Straches über eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit gab sich Juncker konziliant und meinte, "manches, was er gesagt hatte, wurde überspitzt übersetzt". Strache selbst hatte vor dem Treffen mit der Kommission in Brüssel erklärt, dass er "keine Einschränkung der Personenfreizügigkeit angeregt oder gefordert" habe. Doch müsse es möglich sein, über nicht positive Entwicklungen zu diskutieren, es dürfe keine Denkverbote geben.

Juncker: "Wir haben alle Themen behandelt - Westbalkan, Haushalt, Flüchtlingsfragen, Soziales, alles Mögliche". Sein Eindruck nach den Gesprächen mit Kurz und Strache sei, dass "die Kommission und die österreichische Bundesregierung sich Hand in Hand aufeinander zubewegen". Dies geschehe in gegenseitigem Respekt, "manchmal mit unterschiedlichen Vorstellungen. Aber die Vorstellungen sind nicht so unterschiedlich groß, dass es nicht eine große Schnittmenge" gebe, was die "deutlich proeuropäische Bundesregierung" betreffe.

»Wir sehen uns als Brückenbauer in der EU«

Kurz sagte, er wolle "Akzente setzen. Wir sehen uns als Brückenbauer in der EU". Er wolle einen Beitrag leisten, die Spannungen zu reduzieren, damit es wieder ein stärkeres Miteinander in der EU geben könne. Dabei setze Österreich auf das Konzept der Subsidiarität. Die EU-Kommission könnte schlanker werden in der Verwaltung. Das Motto der österreichischen Ratspräsident sei "Ein Europa das schützt". Es sei wichtig für die Bürger, dass die EU es schaffe, Sicherheit, Stabilität und Ordnung zu schaffen. Das bedeute vor allem, die Migrationsfrage zu lösen. Sollte im Juni beim EU-Gipfel keine Lösung möglich sein, "wird das Thema bei der Sitzung der Staats- und Regierungschefs am 20. September in Salzburg" auf der Tagesordnung sein. Wesentlich sei ein "Schritt nach vorn beim Außengrenzschutz. Nach wie vor wird es hitzige Diskussionen über die Umverteilung geben. Aber beim Außengrenzschutz gibt es mittlerweile Einigkeit."

Juncker sagte, er habe "nach den Gesprächen mit Bundeskanzler und Vizekanzler den Eindruck gewonnen, dass die österreichische Regierung es ernst meint mit dem Satz, sich definitiv in einen proeuropäischen Kurs einzuweisen". Er sei auch sehr zufrieden darüber, dass Kurz die Subsidiarität zum Zentralthema des österreichischen Wirkens machen werde.

"Unterschiedliche Wahrnehmungen" bei EU-Haushalt

Zur Debatte über den mehrjährigen EU-Haushalt von 2021 bis 2027 - die Kommission hat 1,11 Prozent des BIP vorgeschlagen, das EU-Parlament 1,3 Prozent und Österreich will bei 1,0 Prozent bleiben - sagte Juncker, es gebe hier "unterschiedliche Wahrnehmungen" zwischen Brüsseler Behörde und Regierung. Er glaube aber, dass es sich nicht um ein "sich endgültig entwickelndes Disputthema" handle.

Kurz sprach ebenfalls von unterschiedlichen Positionen. "Ich glaube, dass bei einem Budget immer zwei Aspekte am Ende des Tages zum Tragen kommen. Verhandlungen sind immer ein Kompromiss. Man wird am Ende des Tages Prioritäten setzen müssen. Niemals werden alle Wünsche erfüllt, egal von woher sie kommen". Kurz zeigte sich überzeugt, dass es EU-Budgetkommissar Günther Oettinger gelingt, einen Konsens zustande zu bringen. "Wann ihm das gelingt, kann derzeit keiner vorhersagen". Alle wären froh, wenn dies zügig erfolge und vor den EU-Wahlen möglich sei.

Kurz: Treffen mit Merkel ist Grund für Berlin-Reise

Sebastian Kurz hat sich in Brüssel auch zu seinem kommenden Berlin-Besuch geäußert. Er bezeichnete den Besuch bei Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel als "Grund für die Berlin-Reise". Auf die Frage, ob er die Einladung des US-Botschafters in Berlin Richard Grenell annehmen werde, antwortete er ausweichend.

"Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Gespräche geführt. Ich halte Dialog grundsätzlich immer für positiv. Gestern hatten wir (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin bei uns zu Gast. Es gibt auch Bestrebungen Österreichs, mit anderen Supermächten ordentlichen Kontakt zu pflegen. Nach Berlin zu fahren, hat einen Grund: Merkel zum Gespräch zu treffen und mit ihr das Wirtschaftsforum zu besuchen", so Kurz.

Zuletzt hatte das österreichische Außenministerium eine Meldung von "Spiegel Online" bestätigt, dass Kurz im Rahmen eines Deutschland-Besuchs zum Mittagessen bei Grenell eingeladen ist. Grenell hatte sich kürzlich als "Fan" von Kurz bezeichnet und den Kanzler als "Rockstar" bezeichnet.

Grenell hatte durch ein Interview mit der rechtskonservativen US-Internetseite Breitbart scharfe Kritik in Deutschland ausgelöst. Darin betonte er, dass er andere Konservative in ganz Europa stärken wolle - was als Einmischung empfunden wurde. "Wir haben die US-Seite um Aufklärung gebeten, ob sie tatsächlich so gefallen sind, wie sie wiedergegeben werden", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Zuvor hatte Grenell bereits deutsche Unternehmen dazu ermahnt, keine Geschäfte mehr im Iran zu machen.

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