So gefährlich sind
"Listenhunde" wirklich

Elf Hunderassen gelten in Wien als "Listenhunde". Seit diesem Jahr gilt für diese Tiere Maulkorb-und Leinenpflicht. News befragte Trainer, Tierschützer und Hundehalter, wie gefährlich diese Hunde wirklich sind

von Chronik - So gefährlich sind
"Listenhunde" wirklich © Bild: Ricardo Herrgott

Der kleine Mannix versteht die Welt nicht mehr. Seit Wochen darf der kleine Mischlingshund nicht mehr frei an der Seite von Dagmar, seiner Halterin, laufen. Er darf nicht mehr mit seinen menschlichen jungen Spielgenossen, Dagmars Kindern, ausgelassen auf der großen Wiese in der Hauptallee toben. Der Park ist ohne Leine und Maulkorb ein Tabu für ihn. Richtig kommunizieren mit seinesgleichen ist ihm verwehrt, denn der Maulkorb lässt nur eine begrenzte Kontaktaufnahme zu anderen Hunden zu. Warum ausgerechnet er seine Schnauze in einen Maulkorb stecken muss, bevor er mit seinen Haltern das Haus verlässt, und sein viel größerer Gefährte, der Schäferhund, mit einer Leine auskommt, versteht Mannix nicht. Er hat keine Ahnung, dass er zu den 3.000 angeblich gefährlichen Hunden zählt, die von der Stadt Wien als Listenhunde geführt werden.

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Gut trainiert und geprüft

Dass in seinen Adern das Blut eines Staffordshire Terriers fließt, war weder für Mensch noch Tier in seiner Familie ein Problem. Doch jetzt hat Mannix eines damit. Egal, wo er ins Stadtleben tritt, sind Maulkorb und Leine für ihn Pflicht. Und Dagmar, eine erfahrene Hundekennerin, die ihn von ihrer Mutter übernimmt, trainiert mit ihm bereits jetzt für den Hundeführschein. Denn der ist für Listenhunde in Wien gesetzlich vorgeschrieben. Der Hund müsse lernen, an der Leine zu gehen, und muss wissen, dass er Jogger, Radfahrer und andere Passanten ignorieren soll.

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Listenhunde

Bei Mannix zeigt das Training offensichtlich Erfolg. Dem News-Team hat sich der Hund nur mit Erlaubnis seiner Halterin genähert. Auch im Verkehr bleibt er gelassen. Am Donaukanal trabt er folgsam an der lockeren Leine seiner Halterin entlang. Ein Radfahrer, der so knapp an ihm vorbeifährt, dass er ihn fast zu streifen droht, lässt den kleinen Hund nicht die Contenance verlieren.

Einen kleinen Teil der Prüfung zum Hundeführschein hätte er so bereits bestanden, erklärt Trainer Bardhi Murati. Wie die meisten Hundehalter befürwortet Dagmar diese Prüfung. Ein Problem aber bleibt: die Liste. Die Stadt Wien führt eine Liste über jene Hunderassen, "die bei schlechter Haltung eine Gefährlichkeit aufweisen können", erklärt Ruth Jily, Dienststellenleiterin der MA 60, Veterinärdienste und Tierschutz. Folgende elf Rassen sind darauf angeführt: Bullterrier, Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Mastino Napoletano, Mastín Español, Fila Brasileiro, Mastiff, Bullmastiff, Tosa Inu, Pitbullterrier, Rottweiler, Dogo Argentino (Argentinischer Mastiff).

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Diese Liste spaltet die Hundehalter in Wien. Viele, die einen dieser "Listenhunde" halten, fühlen sich und ihre Gefährten diskriminiert. Auch Dagmar und ihre kleiner Mannix, dem man auf den ersten Blick seine Staffordshire-Vorfahren ansehen würde, wagen nicht einmal mehr, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen. Die Menschen werden immer aggressiver gegen Hunde, erzählt Dagmar. In der Straßenbahn bedrängen sie das Tier.

Pro und Contra

Ulli Sima, Stadträtin für Tierschutz der Stadt Wien, erklärt: "Wir haben in Wien 2010 eine Volksbefragung zum Thema Hundeführschein/Rasseliste gemacht. 89 Prozent der Befragten haben das unterstützt, diese Frage hatte die höchste Zustimmung. Alle großen europäischen Städte haben Rasselisten oder Rassenverbote von Kampfhunden."

Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins, widerspricht: "Diese Liste dürfte es nicht geben. Man kann auch einen Bernhardiner zur Bestie machen, und die gelten als Lebensretter. Hunde sind wie Kinder. Sie können von den Menschen das Beste oder das Schlechteste übernehmen."

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Leo Dekrout, Leiter der Wiener Hundeschule "Hundefragen", zeigt Verständnis für das Vorgehen, meldet aber auch Bedenken an: "Ich verstehe, dass die Politik solche Gesetze erlässt. Sie gibt den Menschen das Gefühl, dass sie etwas für sie getan hat. Aber das Leben für Hunde, die auf der Liste stehen, ist eine Qual. Jeder Experte, jeder Hundekenner weiß, dass die Gefährlichkeit eines Hundes nicht an der Rasse festgemacht werden kann." Karl Weissenbacher, Leiter der Prüf-und Koordinierungsstelle Assistenzhunde und Therapiebegleithunde am Wiener Messerli-Institut, bestätigt das: "Bei uns gibt es keine Rassenbegrenzungen. Wir haben im Bereich der Assistenzhunde einige geprüfte sogenannte Listenhunde, die hervorragende Arbeit leisten. Allerdings muss man dazusagen, dass diese Hunde eine besondere Ausbildung haben. Sie sind sehr gut sozialisiert und auf spezielle Dienstleistungen spezialisiert."

Ein wissenschaftlicher Hintergrund, weshalb ausgerechnet jene Hunderassen auf der Liste angeführt sind und andere nicht, obwohl sie nachweislich mehr Bisse zu verbuchen haben, ist ihm nicht bekannt. "Listen von gefährlichen Hunden sind eine politische Entscheidung. Und weshalb manche Bundesländer eine Liste führen und manche nicht, ist eine politische Entscheidung", sagt Weissenbacher. Hundekenner Jochen Stadler nennt in seinem Buch "Guter Hund, böser Hund", das am 22. August im Ecowin Verlag erscheint, Rasselisten "rassistisch"."Sie sind Grundlage für Gesetze, die einige wenige Hunderassen gezielt benachteiligen." Leo Dekrout, Leiter der Wiener Hundeschule "Hundefragen", ergänzt: "Bemerkenswert ist diese Eindeutigkeit, mit der gewisse Gefährlichkeit gewissen Rassen zugeordnet wird. Aufmerken lässt auch, dass jede Beißstatistik total ignoriert wird. Der Schäferhund führt seit Jahrzehnten die Beißstatistik an. Aber dafür müsste ich ansehen, wann welcher Biss warum passiert ist", sagt Dekrout.

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Eine Studie, die bereits im Jahr 2006 am Kinderunfall-Forschungszentrum der Universität Graz durchgeführt wurde, untersuchte 341 Unfälle und 5.873 Akten aus dem städtischen Hunderegister: 58 Prozent aller Bisse stammen von großen Hunden, also von jenen, die mehr als 44 Zentimeter Stockmaß erreichen. 40 Prozent davon gehen auf einen Schäferhund oder einen Dobermann zurück. Weshalb diese Hunde aber zugeschnappt haben, ist nicht aus der Studie zu ersehen. Tatsache ist, dass die Bisse von Listenhunden durch den Hundeführschein reduziert werden konnten. Ruth Jily erklärt: „2013 wurde der verpflichtende Hundeführschein von der Veterinärmedizinischen Universität evaluiert: Die Zahl der Bisse durch Listenhunde ging um 63 Prozent zurück, wobei Bisse von Listenhunden an Menschen von 2010 bis
2013 sogar um 70 Prozent abgenommen haben.“

Nur mit Maulkorb und Leine

Seit Jahresbeginn herrscht für jene Hunderassen, die unter dem Begriff „Listenhunde“ erfasst wurden, in Wien im öffentlichen Raum Maulkorb- und Leinenpflicht. Für die Besitzer ist eine Alkoholgrenze von 0,5 Promille einzuhalten, wenn sie ihre Tiere auf der Straße ausführen. Auslöser für diese Maßnahmen, war der tragische Vorfall im Oktober 2018, als ein Kleinkind durch den Biss eines Rottweilers zu Tode kam. Wie das Tier von seiner Besitzerin gehalten worden ist, lässt sich heute nicht mehr eruieren. Dass sie keineswegs
alkoholisiert mit ihrem Hund das Haus hätte verlassen dürfen, ist für die meisten Hundebesitzer, die News befragte, eine Selbstverständlichkeit. Leo Dekrout hielte sogar ein absolutes Alkoholverbot für sinnvoll. „Dadurch, dass ich mich nicht betrinke, gebe ich demHund dieselbe Wertigkeit wie einem anderen Familienmitglied“, sagt Dekrout. Die Maulkorbpflicht aber hält er für korrekturbedürftig. Etwa jene für Welpen. „Das widerspricht jeder Logik. Das Problem ist, dass es Unwissende, meist Nichthundehalter verlangen, dass jeder Hund, egal wie groß oder wie alt, immer und überall einen Maulkorb trägt.“

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Auch Madeleine Petrovic übt Kritik: „Der Maulkorb ist für jeden Hund eine Qual, denn er muss schnüffeln können. Und ein ganz großer Hund istauch mit Beißkorb gefährlich. Eine Dogge etwa kann einen Menschen umstoßen.“ Ruth Jily von der Stadt Wien sieht das anders. Bereits junge Hunde würden sich durch das richtige Maulkorbtraining an den Beißkorb wie an jeden anderen Alltagsgegenstand gewöhnen können. Auch für erwachsene Hunde, wie man bei Mannix erleben kann, ist das Tragen eines Maulkorbs kein Vergnügen. Dagmara Loader, die vor fünf Jahren ihren Staffordshire Urwis aus dem Wiener Tierquartier geholt hat, gibt zu bedenken, dass ein Maulkorb perfekt passen müsse, nicht jeder aber verfüge stets über die nötigen finanziellen Mittel, den anzuschaffen. Im gut sortierten Fachhandel kosten hochqualitative Maulkörbe je nach Größe zwischen 80 und 150 Euro. Folglich rät Thomas Benda, Betriebsleiter des Wiener Tierquartiers, dass man vor der Anschaffung durchaus den Taschenrechner zücken sollte: „Jeder, der sich einen Hund nimmt, sollte sich vor der Anschaffung überlegen, ob er sich den Hund und auch die Kosten für Futter, Ausstattung und Tierarzt auch wirklich leisten kann – und dies auch längerfristig.“

Um künftige Halter über das Leben mit einem Hund zu informieren, muss jeder Halter – gleich von welcher Rasse – zudem einen Sachkundenachweis erbringen. Kostenpunkt: 40 Euro. In einem Block von vier Stunden erfahren Menschen, die ein Zusammenleben mit einem
Hund eingehen wollen, was in dieser Partnerschaft auf sie zukommt.

Gefährlich oder gut?

Derzeit leben 114 Hunde im Wiener Tierquartier, 40 stehen auf der Liste. Im Wiener Tierschutzverein sind es 164 – 40 davon sogenannte Listenhunde. Bleibt zu klären: Sind jene Hunde, die auf dieser Liste stehen, tatsächlich so gefährlich? Wäre es besser, die Partnerschaft mit einem dieser Hunde gar nicht zu wagen? „Nein, weil sie fantastische Hunde sind“, sagt Dekrout. Das sei wie bei Kindern. „Kinder, die nie Gewalt erfahren haben, werden auch meistens keine Gewalttäter. Das Problem aber ist, dass sie sich so leicht durch ihre ausgesprochene Menschenfreundlichkeit misshandeln, ja missbrauchen lassen.“ Bardhi Murati erklärt, der Pitbullterrier sei früher gezüchtet worden, um Kinder zu schützen. „Wer meint, dass Pitbullterrier ein erhöhtes Aggressionspotential gegen Kinder aufweisen, irrt.“

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Karl Weissenbacher sieht das ähnlich. Staffordshire Terrier arbeiten sehr überlegt, erklärt er. Für Ressentiments sehe er keinen Grund. "Die Problematik, die ich bei der Haltung von Hunden sehe, ist, dass oft sehr sorglos mit Ausbildung und Haltung umgegangen wird. Wenn ein Hund einer dieser Rassen zubeißt, werden gewisse Vorurteile bestätigt. Aber man kann feststellen, dass es eine gewisse Gruppe von Menschen ist, die diese Hunde besitzt. Was früher Rottweiler oder Dobermänner waren, sind jetzt die Staffs, und die kommen dadurch in Verruf", erklärt Weissenbacher. Man müsse auch den Hund vor dem Menschen schützen, erklärt er. Wichtig seien Rückzugsgebiete für den Hund. Und jene Halter, die behaupten, man könne dem Hund alles zumuten, würden das Tier missbrauchen. "Der Hund erträgt gewisse Dinge zwar in einem Moment, aber irgendwann kann es ihm zu viel werden", sagt Weissenbacher.

© News/Ricardo Herrgott

"Wenn ein Hund beißt, ist immer der Mensch schuld", sagt Brigitte Schneider. Sie lebt mit ihren Hunden in Wien. Vor wenigen Monaten kreierte sie mit Freunden die Facebook-Seite "Wir sagen Wau". 3.500 Follower konnte sie auf ihrem Forum für Hundefreunde bereits verbuchen. "Seit ein Rottweiler ein Kind tödlich verletzt hat, werden Hunde als böse angesehen. Wir wollen zeigen, dass ein Hund kein böses Tier ist. Wir wollen Hunden helfen."

Mögen viele diesem Beispiel folgen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (32+33/2019) erschienen.

Im Video: Diese 9 Lebensmittel sind für Hunde giftig

© Video: News.at

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