Wer muss was?

Tür zu, Licht aus, Heizung runter. Wann, wenn nicht jetzt?

von Leitartikel - Wer muss was? © Bild: News/ Matt Observe

Viel traut die Regierung den Menschen in diesem Land nicht zu. Das Aufnahmevermögen der hier Lebenden scheint ihr begrenzt, das Mitdenken potenzial unterbelichtet. Dafür glaubt man, einen leichten Hang zur infantilen Sprache zu erkennen. So ein Augenzwinkern, ein Schenkelklopfer, das Abgleiten in die Lächerlichkeit - das geht immer. Ernsthaft agieren andere. Auf Augenhöhe miteinander reden? Völlig überbewertet. Nur für uns wurde seinerzeit ein putziger Babyelefant erfunden, der am Höhepunkt seines Wirkens mit Kanzler und Vizekanzler im Kanzleramt posieren musste, weil man uns in Pandemiezeiten nicht zugetraut hat, den erforderlichen Eineinhalb-Meter-Abstand zum Gegenüber richtig einzuschätzen. Mit Hilfe des Babyelefanten und einer 3,17 Millionen Euro teuren Kampagne hat es jeder kapiert. Oder auch nicht.

Und jetzt also die "Mission 11": Vernünftige Energiespartipps, verpackt in halblustige Sprüche. Bis März 2023 gehen wir gemeinsam auf "Mission" - und sparen im besten Fall pro Haushalt elf Prozent unseres bisherigen Energieverbrauchs. 3,6 Millionen Euro kostet die Kampagne. Wie viel Energie am Ende tatsächlich eingespart wird? Unklar. Auch weil der parallel dazu eingezogene Strompreisdeckel für Haushalte eher für weniger Anreiz zum Sparen sorgt. Der guten Ordnung halber: 2021 lag der Stromverbrauch in Österreich laut E-Control bei knapp 60.000 Gigawattstunden; 26 Prozent davon haben private Haushalte konsumiert. Erfüllt die Mission ihre Mission, können damit knapp drei Prozent am Gesamtverbrauch eingespart werden.

Aber nur darum geht es gar nicht. Energieeffizienz in der aktuellen Krise ist wichtig. Punkt. Das zu vermitteln, scheint freilich schwer. Der Grat zwischen Bevormundung und vernünftigen Appellen ist schmal. Absturzgefahr für Gewessler und Co. jederzeit gegeben. Menschen mit Hausverstand haben die auf den Tisch gelegten Vorschläge schon immer umgesetzt. Und die anderen? Die einen lassen ihre Heizung ohnehin aus Kostengründen auf Sparflamme laufen. Die anderen jammern zwar über hohe Energiepreise, rufen nach wem auch immer, aber scheren sich im Alltag um eher weniger. Wen etwa hohe Spritpreise nicht dazu bringen, sein Verhalten zumindest ein bisschen "anzupassen", der wird sich kaum durch die Appelle eines Politikers motivieren lassen, oder? Der Heizstrahler zu den Füßen, weil die Klimaanlage im Büro arg zieht? Warum nicht? Den PC und das Licht über Nacht eingeschaltet lassen? War ja bisher auch kein Thema.

»Der Weg von der Spaß- zur Spargesellschaft ist kein Katzensprung«

Ja, die Vorstellung, dass jetzt der Staat vorschreibt, wie warm es in den Wohnungen und Büros noch sein darf, ist absurd, aber einstweilen alternativlos. Dabei merken wir: Der Weg von der Spaß- zur Spargesellschaft ist eben kein Katzensprung. Jedenfalls hierzulande. Etwas weniger Aufgeregtheit und ein gewisses Grundvertrauen in die Tatsache, dass Kleinvieh eben auch Mist macht, würden uns nicht schaden. Schließlich fanden viele von uns bis vor Kurzem den Slogan "Geiz ist geil" und das Gefühl, ein paar Euros gespart zu haben, auch ziemlich gut. Aber solange jeder von sich meint, auf ihn käme es nicht an, wird das nichts. Weil da sind ja noch die anderen, die mit den Heizschwammerln, den beheizten Gondelbahnen. Werden die sparen? Auch dieser Fingerzeig ist schnell gemacht. Reicht die viel zitierte Eigenverantwortung, oder braucht es eben doch Maßnahmen? Wir haben es in der Hand.

"Die Stimmung in der unklimatisierten U-Bahn: Verzweiflung. Und es ist erst neun Uhr vorbei", schrieb neulich jemand auf Social Media. Es wird auch Zeit, das eigene Anspruchsdenken ein wenig herunterzuschrauben. Und darauf zu vertrauen, dass man mehr aushält, als man sich bis jetzt vorstellen konnte und musste.

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