Wer will und wurde
noch nicht abgeschreckt?

Lehrlinge sollen (mal wieder) in den Fokus gerückt werden. Aber nicht weil sie so toll sind, sondern weil es - speziell im Tourismus - einen Mangel gibt

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noch nicht abgeschreckt? © Bild: News/ Matt Observe

Der Tourismus in Österreich ist eine beeindruckende Erfolgsgeschichte - vorausgesetzt, man schielt nur mit einem Auge auf die Branche. Steigende Touristenzahlen hier, beeindruckende Nächtigungszahlen dort. Applaus, Applaus. Einzig bei den Beschäftigten hält sich die Begeisterung in Grenzen. Sie fühlen sich weniger wertgeschätzt als Kollegen aus anderen Branchen; sehen sich beim Einkommen benachteiligt. Der Führungsstil sei oft schlecht, die Perspektiven überschaubar. Dazu hohe körperliche Belastungen, Stress, Zeitdruck - nachzulesen im aktuellen Arbeitsklimaindex. Der zeigt auch: Der Frust in der Gastronomie ist höher als in der Hotellerie. Die Probleme sind seit Jahren bekannt, werden ebenso lang diskutiert -und am Ende doch wieder weggewischt. Folglich stimmen Branchenvertreter Jahr für Jahr das gleiche Lied an, zu Sommerbeginn und vor Start der Wintersaison: das Lied vom Fachkräftemangel. Laut IHS-Studie fehlen in Tourismusbetrieben bis 2023 mehr als 40.000 Fachkräfte. Sorgen bereitet auch die schwindende Zahl der Lehranfänger. Zwischen 2006 und 2016 gab es einen Rückgang von 40 Prozent. Zum Vergleich: In der gesamten Wirtschaft sank die Zahl der Lehrlinge um 23 Prozent. Und jetzt? Jetzt wird die zweite Strophe vom Lied gesungen, das wir alle längst kennen: Die Lehre muss aufgewertet, behübscht werden. Im Fachjargon heißt das hochtrabend "Lehrlingsoffensive". In der Praxis wird es sich auf ein paar Plakate mit lächelnden Köchen und fröhlichen Kellnern (ohne Schweißperlen!) beschränken. Merkwürdig ist das schon: Immer dann, wenn es in einer Branche eng wird, besinnt man sich auf die Lehrlinge. Also auf jene jungen Menschen, denen man schon im zarten Alter von zehn Jahren das erste Mal den Weg gewiesen hat - nämlich in die (im gängigen Bildungsverständnis) falsche Richtung, in die Mittelschule (die eben ziemlich oft in einer Lehrausbildung oder Fachschule endet). Jene, denen man während ihrer Schulausbildung mehr als einmal (zumindest hinter vorgehaltener Hand) sagt, dass sie zwar nicht für nichts, aber nicht für sehr viel geeignet sind. Und solange das Maturazeugnis mehr wiegt als der Lehrabschluss, wird sich daran nicht viel ändern.

Apropos Zehnjährige: Das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation &Entwicklung wollte mal wieder wissen, wie Viertklässler (und ihre Eltern) ticken. Das Ziel: die Qualität des Unterrichts zu verbessern -stand zumindest im Begleittext. Dem ist durchaus etwas Positives abzugewinnen. Vorausgesetzt, man würde aus den Ergebnissen die richtigen Schlüsse ziehen -und nicht merkwürdige Fragen stellen. Etwa: Was glauben Sie: Welchen höchsten Bildungsabschluss wird Ihr Kind erreichen? Von Pflichtschule bis Doktorat stand alles zur Auswahl. Oder: Wer ist Ihrer Meinung nach begabter in Mathematik? Mädchen? Wer ist "viel mehr" begabt? Ratlosigkeit auch beim Sinn von Fragen wie: "Mathematik lässt sich im wirklichen Leben anwenden " Was genau hat das jetzt mit der in Aussicht gestellten Qualitätsverbesserung zu tun? Aber es ging auch ans Eingemachte: War in der Vergangenheit in der Volksschule Nachhilfe nötig? Ich bin ehrlich: Ja. In Englisch. Denn was in Sachen Fremdsprachen passiert, ist überschaubar. Ich korrigiere: peinlich. Man muss Prioritäten setzen. Derzeit liegen sie in der Volksschule bei zwei Stunden Religion und einer Stunde Englisch.

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