Einmal wegsperren - und alles wird gut

Im Schulsystem läuft es seit Jahren nicht rund. Timeout-Klassen sollen das jetzt ein bisschen korrigieren. Eine billige Lösung. Da muss mehr möglich sein.

von Leitartikel - Einmal wegsperren - und alles wird gut © Bild: Matt Observe/Auftrag News

Für den gesunden Menschenverstand und das Bauchgefühl ist die Sache klar: raus mit ihnen aus der Schulklasse. Wer wie die Schüler der HTL Ottakring mit 16+ noch nicht kapiert hat, dass es gewisse Spielregeln im Leben gibt, muss mit den Konsequenzen leben. Ein Rausschmiss in den unteren Schulstufen ist freilich keine Lösung. Hier sollen stattdessen verhaltensauffällige (oder gewalttätige) Schüler in separaten Klassen, sogenannten Time out-Klassen, unterkommen. Spezialbehandlung auf Kosten der Allgemeinheit -und alles wird gut. Aber Moment mal. Habe ich da was verpasst? Sind die Schulen in diesem Land mittlerweile mit allem ausgestattet, was man eben so braucht, wenn tüchtige und solche mit Anlaufschwierigkeiten, leicht handlebare und verhaltensauffällige Kinder, vorbildlich sozialisierte und solche mit Nachholbedarf aufeinandertreffen? Sozialpädagogen, Krisenexperten, Psychologen, Nachhilfelehrer, Stützlehrer genau dieses Personal wird es brauchen, um solche Benehmt-euchdoch-wieder-Klassen auf die Beine zu stellen und um die Lehrer bei solchen Problemschülern nicht komplett im Regen stehenzulassen. Und wie soll das in der Praxis funktionieren? Müssen dafür jene Lehrer ran, die gerade nicht so viel zu tun haben? Ziel sei, dass die Schüler so schnell wie möglich in die Regelklasse zurückkehren, heißt es im Bildungsminsterium. Also ein bisschen Mathe, ein bisschen Deutsch, ein bisschen gewaltfreie Konfliktlösung. Das ist lieb. Aber sicher keine Lösung. Was wir alles brauchen für eine gut funktionierende Schule im Jahr 2019, wissen wir.

Was wir nicht brauchen, auch. Was wir nicht haben, sowieso. Wo sind sie, die Anti-Mobbing-Projekte? Die Schulfächer, die den Umgang mit (sozialen) Medien lehren? Ein verbindlicher Umgang mit Handys in der Schule (Verbot?!) Wunschdenken. Seit Jahren. Es gibt ein bisschen hier, ein bisschen dort. Aber bei Weitem kein Idee, kein Konzept, wo die Reise hingehen muss. Nicht an "normalen" Schulen -und an Brennpunktschulen schon gar nicht. Stattdessen anlassbezogene Hauruck-Schulpolitik. Time out -das klingt in meiner Vorstellung wie eine kurze Verschnaufpause, die Kinder so lange nutzen müssen, bis sich ihr Verhalten bessert. Dort können sie sich gegenseitig das Leben schwer machen, verbal und körperlich -aber eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das ist praktisch. Was ich nicht sehe, passiert nicht. Kennen wir schon. Obendrein sollen diese Klassen ab Sekundarstufe eins, also ab zehn Jahren, kommen. Ein Armutszeugnis für ein Land, das offensichtlich für viel Geld hat, aber nicht für den Schulbereich, wo es wirklich hörbar knirscht, und stattdessen auf Augenauswischerei-Maßnahmen wie das Abschieben in Strafklassen setzt.

Es muss im Klassenverband gearbeitet werden, damit auch aggressive Schüler Empathiefähigkeit lernen, sagen jene, die den Time-out-Klassen nichts abgewinnen können. Das ist nett gemeint. Und naiv gedacht. Woher die Zeit nehmen, in einem Schuljahr, das zwischen Ferien, Fenstertagen, Ausflügen und Tests so eng getaktet ist, dass die Luft oft nur für eine Schnappatmung reicht? Oder haben ich schon wieder was verpasst, und der Stundenplan wurde längst ausgemistet? Nicht mehr zwei Stunden Religion und nur eine Stunde Englisch in der Volksschule, sondern umgekehrt? Und dazu ein bisschen Medienkompetenz? Bitte nicht aufwecken. Danke.

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