Steigt nicht
ins Narrenschiff

Im Boot mit Trump oder besser allein? Warum sich Europa von Amerika abnabeln sollte

von Leitartikel - Steigt nicht
ins Narrenschiff © Bild: Ian Ehm

Viele Leute können bis heute nicht glauben, dass Donald Trump US-Präsident ist. Einer von ihnen ist Donald Trump selbst. Alle, die hofften, dass ihn das Amt schon präsidiabel werden ließe, müssen sich nach einem halben Jahr eingestehen, dass Trump blieb, wer er schon immer war: ein wütender, eindimensionaler, selbstbezogener, ahnungsloser Narzisst, dem jegliche Eignung für den Job abzusprechen ist.

Dabei ist Amerika großartig - im Guten wie im Schlechten, im Atemberaubenden wie im Abstrusen. Erst machte es einen einstigen schwarzen Sozialarbeiter zu seinem Präsidenten. Und kürte dann einen frauenverachtenden Rassisten zu dessen Nachfolger.

Aber genug der bösen Worte über Mr. Trump. Dass er überhaupt Präsident werden konnte, hat sich Amerikas Elite selber zuzuschreiben, weil sie selbstgerecht vergaß, ins eigene Land abseits der Küsten zu blicken. Und nicht erkannte, dass Trump dort nur erntete, was "Hope" und "Change" nicht einzulösen vermocht hatten. Trump ist die Rache der Vergessenen, die sich bis heute bei jedem Ausraster ihres Idols hämisch darüber freuen, es den feinen Pinkeln zumindest einmal im Leben gezeigt zu haben.

Wir in Europa sollten hingegen die Lehre aus dem Trump'schen Schauspiel ziehen. Und die lautet: Rette sich, wer kann! Der G20-Gipfel in Hamburg wird die Zeitenwende verdeutlichen und eine Botschaft klarer zum Vorschein kommen lassen: Abnabeln von Amerika ist angesagt. Denn egal, ob bei Klima, Freihandel oder Terrorbekämpfung, in allen großen Themen verfolgt Trump einen gegensätzlichen Kurs. Mit viel Geschick und Mühe mag es zwar in Hamburg noch gelingen, den offenen Bruch mit fein formulierten Schlussstatements zu kaschieren. Die Erkenntnis bleibt die gleiche: Europa kann sich auf dieses Amerika nicht mehr verlassen. Ein sich abkapselnder, auf Protektionismus und Klimaleugnung setzender Trump taugt nicht zum Partner. Mit seinem "America first" wird bis auf Weiteres nur mehr eine anlassbezogene Zusammenarbeit möglich sein. Eine transatlantische Gefolgschaft ohne Widerspruch führte schon früher, und mit besseren Präsidenten, ins Verderben. Vom Irak bis Afghanistan, von Libyen bis Syrien - wo immer die USA zuletzt glaubten, richtig zu liegen, folgte das Fiasko.

Für Europa bietet daher etwas Emanzipation die Chance, das zu heilen, woran der Kontinent seit über einem Jahrzehnt krankt. Dazu ist aber erst ein Offenbarungseid nötig. Das schonungslose Feststellen der eigenen Unzulänglichkeit: Außengrenzschutz -gescheitert. Steuerparadiesschließung - mangelhaft. Schuldenkrise - vertagt. Militärische Kooperation - kaum vorhanden. Brüssel gefiel sich lieber im Streit als in der Geschlossenheit. Weder den Regierungschefs noch der EU-Kommission gelang es, in den wesentlichen Fragen Antworten zu geben.

Nun liefert gerade Donald Trump ungewollt das beste Argument, es erneut zu versuchen und endlich hinzukriegen. Der Druck ist groß, die Zeit drängt, die Herausforderungen sind enorm. Doch mit Macrons Mehrheit in Frankreich und Merkels zu erwartender Wiederwahl im Herbst sind die Voraussetzungen ideal. Überhaupt wenn die Alternative klar vor einem liegt. Sie lautet: Ab zu Trump ins Narrenschiff.

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