So sind wir…

… und sollten daran dringend etwas ändern. Bevor wir mit Ungarn und Polen in einem Satz genannt werden

von Leitartikel - So sind wir… © Bild: Copyright 2021 Matt Observe - all rights reserved.

"So sind wir nicht“, hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen gesagt, als die „Affäre Ibiza“ vor gut zwei Jahren öffentlich geworden ist. Er wusste natürlich damals schon, dass das nicht stimmt. Wir sind so. Österreichs politisches Spitzenpersonal ist in erheblichen Teilen verkommen. Österreichs mediales Spitzenpersonal leider auch. Das dürfte einander bedingen.

Und vermutlich geht das so weiter. Auch unter einem neuen Bundeskanzler, der sich selbst als „Überzeugungstäter“ der Türkisen, des „Systems Kurz“, bezeichnet. Bis zu den Neuwahlen, die sich letztlich als unvermeidlich erweisen werden. Vielleicht heißt dann – trotz allem – die nächste Regierung schlicht Kurz III. Wo ein wegen Vergewaltigung beschuldigter und inzwischen erstinstanzlich verurteilter Bürgermeister mit absoluter Wählermehrheit bestätigt werden kann, da kann auch „ein zur Seite getretener“, vielfach beschuldigter Bundeskanzler, eine kommunikative Ausnahmebegabung der Täter-Opfer-Umkehr, wiedergewählt werden. In Österreich. Weil wir so sind.

Sebastian Kurz wird dann diesen Staat noch schneller umbauen, nach ungarischem und polnischem Vorbild. Wird die letzten Widerstandsnester ausräuchern, angefangen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft über die Wochenzeitung „Falter“, die Tageszeitung „Der Standard“ bis zur Redaktion der „ZIB 2“. Und, fast hätt ich’s vergessen, natürlich auch bei uns.

Damit sind wir bei den österreichischen Medien. Die hängen fast alle am „Tropf“ der Politik. Mit großen Unterschieden freilich.

Der ORF braucht die Politik, um seinen Unterhalt zu bestreiten. Der Großteil seiner Einnahmen kommt aus der von der Politik abhängigen Rundfunkgebühr GIS.
Entscheidend ist die Politik auch für die Gratisblätter „Heute“ und „Österreich“. Von der Regierung freihändig, also ohne gesetzliche Grundlage vergebene Steuergelder in Millionenhöhe sichern ihnen das Überleben.

Für die anderen Medien ist die – gesetzlich geregelte – Medienförderung eine bescheidene Verbesserung der schwierigen Rahmenbedingungen. Frei vergebene Steuergelder sind für sie „Butter aufs Brot“, dicker für den Boulevard, dünner für die Qualitätsmedien; existenziell sind sie für diese Gruppe von Medien nicht.

Vor diesem Hintergrund haben sich Verhaltensmuster herausgebildet, die einer entwickelten Demokratie und einer entwickelten Medienwirtschaft unwürdig sind: Politik, die fordert, die anschafft, die droht, die belohnt und bestraft, vor allem mit dem Geld des Steuerzahlers. Medien, die anbieten, die fordern, drohen, belohnen und bestrafen, notfalls auch betteln um das Geld des Steuerzahlers, das die Politik verwaltet.

Österreich braucht einen Neuanfang. Einen Neuanfang in der Politik, einen Neuanfang bei den Medien. Einen Neuanfang insbesondere auch im Verhältnis zwischen Politik und Medien.
Das Verhältnis zwischen Politik und Medien bedarf einer umfassenden gesetzlichen Regelung, vor allem dort, wo es um Geldflüsse zwischen Politik und Medien geht. Alles ist besser als die Zustände, die wir haben und die immer noch schlimmer werden; alles ist besser als Willkür in Politik und Medien.

Wir sind so, habe ich einleitend festgestellt. Wir müssen anders werden. Damit der Bundespräsident am Ende doch noch recht bekommt: „Wir sind nicht so.“

Was meinen Sie?
Schreiben Sie mir bitte: pirker.horst@vgn.at

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