Was eigentlich
geschreddert gehört

Die Schredderaffäre rund um Ex-Kanzler Kurz zeigt vor allem eines: Viel zu oft wird in Regierungsämtern Parteiarbeit gemacht. Das gehört abgeschafft.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Ein Mitarbeiter des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz marschiert, fünf Festplatten aus dem Kanzleramt im Gepäck, zur Firma Reisswolf. Lässt die Dinger zur Sicherheit gleich drei Mal schreddern, so heikel ist offenbar ihr Inhalt. Dabei gibt er einen falschen Namen an, aber seine echte Telefonnummer, und er fliegt deswegen auf, weil er vergisst, die Rechnung zu bezahlen, und Anzeige erstattet wird. Würde sich dieser Plot in einem Drehbuch finden -"House of Cards für Arme" fällt einem da wieder einmal ein -, man würde den Autor wegen dieser übertrieben patscherten Handlung schelten. Doch die Satire ist real, und die Türkisen finden sich am Rande des Ibiza-Video-Skandals wieder, denn schon wird gemutmaßt, hier wurden Beweise geschreddert, dass Kurz und sein Umfeld womöglich früher von jenem Video wussten, das Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus ins politische Ausgedinge und die türkis-blaue Koalition an ihr Ende brachte.

Das sind Verdächtigungen ohne Beweis. Fix ist: Ein "ganz normaler Vorgang" rund um einen Regierungswechsel, wie es die ÖVP behauptet, ist das nicht. Ändern sich die herrschenden Verhältnisse, haben die Aktenvernichter und Reißwölfe Hochkonjunktur. In den Ministerien werden Daten und Schriftstücke, die nicht dem Staatsarchiv übergeben werden (müssen), der kontrollierten Vernichtung zugeführt. Dass dazu ganze Lkw anfahren müssen, zeigt vor allem eines: die ungute Vermischung zwischen parteipolitischem Geschäft und Amtsgeschäften. Würde es in Kanzleramt und Ministerien rein um Dinge des Ressorts gehen -die Sorge vor der Neugier der Nachfolger wäre gering. Allerdings sind nicht wenige Kabinettsmitarbeiter dafür zuständig, den Chef oder die Chefin auf allen Kanälen ins beste Licht zu rücken. Geht es dabei um persönliche Werbung oder um die Erfüllung der politischen Aufgaben für Österreich? Naive Frage? Wie oft werden Strategiepapiere erstellt, die mehr die Wiederwahl als den Fortschritt des Landes im Fokus haben? Termine organisiert, die mehr dem Image der Person gelten als ihren Aufgaben?

Aus Kurz' Zeit im Außenministerium tauchte später ein Papier auf, das seine Machtübernahme skizzierte. Anderes Beispiel: Wolfgang Sobotka muss sich im BVT-Untersuchungsausschuss fragen lassen, ob Mitarbeiter Informationen für seinen Wahlkampf angefordert hätten. Und bevor ein einseitiger Eindruck entsteht: Das mach(t)en auch Politiker anderer Parteien.

Die Mitarbeiter in den Kabinetten, die Staats-und Parteiarbeit vermischen (müssen), werden vom Staat bezahlt. In einem Land, das eine großzügige Parteienförderungen hat. Allein auf Bundesebene hat die ÖVP zuletzt rund 18 Millionen Euro Förderung erhalten, die SPÖ kam auf 16 Millionen, die FPÖ auf 15,4. Da muss es sich ausgehen, dass man Parteiarbeit strikt in der Parteizentrale erledigen lässt und nicht im Ministerium. Spricht man nach der Wahl noch einmal über eine Reform der Parteienförderung, gehört diese saubere Trennung dazu.

Am Ende noch etwas aus dem kuriosen Drehbuch. Herr Strache postet aus Ibiza: "Sehr geehrter Herr ÖVP-Kurz! Ich weiß ja nicht in welcher Welt das normal sein soll, bei uns jedenfalls nicht!" Das kannst du nicht erfinden.