Am Ende, wenn zwar alles gesagt ist, aber -gefühlt oder tatsächlich - nichts oder nur wenig Zählbares auf dem Tisch liegt, muss das Prinzip Hoffnung herhalten. "Samma wieder optimistisch! Mach ma a positive Aufbruchstimmung!", versuchte es der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger neulich in einer Talkshow. Es ging um Teuerung und anstehende Lohnverhandlungen. In Zeiten sich eintrübender konjunktureller Aussichten und eines hohen Inflationsdrucks würde es freilich Politiker brauchen, die mehr im Repertoire haben als "Samma wieder optimistisch!". Aber versuchen wir es mit dem Optimismus bei einem anderen Thema. Einem Randthema im politischen Diskurs, auch wenn es jede und jeden im Land etwas angehen sollte. Weil es das Land wahlweise nach vorne bringt oder aber im Stillstand verharren lässt. Die Bildung nämlich.
Das neue Schuljahr ist im Osten noch nicht mal zehn Tage alt, da häufen sich die Supplierstunden. Einzelfälle, gewiss. Eine Ausnahme, ganz sicher. Ein Ergebnis nicht vorhersehbarer Umstände -was sonst? Jammern zwecklos, pragmatische Zurkenntnisnahme der einzige Lösungsansatz. Ja, wir sind in Zeiten eines größeren Lehrerbedarfs, aber das wird sich auch wieder bessern, sagt dazu der zuständige Bildungsminister - und gibt einen Zeithorizont vor, in dem Besserung in Sicht ist: fünf Jahre, dann haben wir das mit der Demografie und den Pensionen im Griff. Fünf Jahre, ein halbes Schulleben also, die wir mit der Taktik Löcherstopfen über die Runden bringen wollen.
Aber bei aller (elterlichen) Jammerei gibt es für den Minister auch Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Schließlich ist Österreich wieder wer. Nicht nur im Fußball, auch in der Bildung. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen OECD-Bildungsstudie, die Martin Polaschek prompt jubeln lässt. In seiner Lesart ist das attestierte hohe Bildungsniveau "das Ergebnis eines breiten und differenzierten Bildungssystems, das Talente fördert und vielfältige Bildungsmöglichkeiten bietet". Hohes Niveau? Talenteförderung? Vielfalt? Es scheint, als hätte hier jemand schon lange nicht mehr im echten Schulleben vorbeigeschaut. Vor allem dort, wo es brennt, weswegen man diese Schulen praktischerweise gleich "Brennpunktschulen" nennt. Ganz davon abgesehen: Ganz vorne, bei den Finnen, bei den Esten, spielen wir nicht mit. Das macht aber offenbar nichts im Land der gelebten Bildungsmittelmäßigkeit.
Grund zum Jubeln hat auch die Wirtschaft. Denn die Studie stellt Österreich in Sachen Berufsbildung ein besonders gutes Zeugnis aus. Und mit insgesamt 18 Medaillen war Österreich gerade das Siegerland bei den europäischen Berufsmeisterschaften EuroSkills in Danzig. Doch bevor sich auch hier allzu viel Genügsamkeit breitmacht, sind Fragen angebracht.
Etwa warum das Image der Lehre hierzulande so mies ist. Nur 18 Prozent bescheinigen der Lehre - in einer anderen aktuellen Studie - ein hohes Ansehen. Die Matura an einer BHS bzw. AHS kommt auf 56 bzw. 40 Prozent. Oder warum die Abbruchquote im ersten Lehrjahr etwa bei Köchen und Kellnern bei stolzen 34 Prozent liegt. Und warum gibt es überhaupt einen Lehrlingsmangel, wenn eh alles so super ist? Die Lösungsansätze sind auch bekannt: bessere Bezahlung, bessere Qualifikation der Ausbildner und stärkerer Fokus der Politik auf dieses Thema. Letzteres gilt auch für die Schulen, denen auch weniger Ideologie und mehr echtes Interesse guttun würde.
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