Was bewegt uns
eigentlich sonst noch so?

Jetzt also doch. Mit dem Rauchverbot in der Gastronomie bricht eine neue Zeitrechnung im Land an - so viel Pathos muss erlaubt sein.

von Leitartikel - Was bewegt uns
eigentlich sonst noch so? © Bild: News/ Matt Observe

Es ist mir ein großes Anliegen, den Obmann der Gastronomen in der Wiener Wirtschaftskammer zu beruhigen. Dem graut nämlich vor etwas. Und ein bisschen fürchtet er sich wohl auch -nämlich vor der "Diktatur der Minderheit". Nun, es ist sein gutes Recht, zu denken und auszusprechen, was ihn gerade bewegt. Aber eines möchte ich ihm trotzdem an dieser Stelle versichern: Von einer Diktatur (auch wenn mit der Minderheit nur jene gemeint sind, die demnächst den Rauchern und den dazugehörigen Wirten das Leben schwer machen werden) sind wir hierzulande meilenweit entfernt.

Ich weiß das. Ich habe 17 Jahre in einer solchen gelebt. Auch von einem "Polizeistaat" (kritisiert werden die angekündigten scharfen Kontrollen in Wien) kann keine Rede sein. Und so könnte man die Diskussion und die damit einhergehende unerträgliche Aufrüstung der Worte eigentlich auch schon wieder beenden. Aber Österreich wäre nicht Österreich, wenn nicht bis zum Glockenschlag um Mitternacht beim Thema aller Themen (was bewegt uns eigentlich sonst noch so?), dem Rauchverbot in der Gastronomie ab 1. November, die Wogen hochgehen.

Der guten Ordnung halber sei daher ein in diesem Zusammenhang nicht unwesentlicher Fakt nochmals erwähnt: Es geht nicht um das Verbot des Rauchens allgemein, sondern um den Nichtraucherschutz. Jeder kann und darf sooft zum Glimmstängel greifen, wie er mag. Aber eben nicht mehr überall. Dass sich ausgerechnet das Land mit der weit verbreiteten "Ein bisschen was geht immer"-Einstellung für ein totales Rauchverbot -also Shisha-Bars, Zigarrenlounges und Nachtlokale eingeschlossen -entschieden hat, ist freilich bemerkenswert. Auch darüber könnte man diskutieren und tut es längst auch. Man muss aber nicht. Denn jetzt ist es nun mal so, wie es ist. Und es ist gut so. In Wahrheit wären wir mit dem Thema -so wie fast überall -längst durch, hätte man nicht jahrelang versucht, mit Halblösungen, Ausnahmeregelungen, freiwilliger Selbstverpflichtung, Evaluierungen und diversen Nachdenkpausen sich vor einer klaren Lösung zu drücken. Und nein, die Raucher wurden nicht "zack, zack, zack von der Politik verkauft", wie Raucher beklagen.

Jetzt also die Vollbremsung. Eine neue Zeitrechnung quasi -so viel Pathos sei den Nichtrauchern zugestanden. Es wird funktionieren. Garantiert. Auch wenn das derzeit noch die Vorstellungskraft der Gruppe der "Das funktioniert überall, aber eben nicht bei uns!"-Mitmenschen sprengt. Es werden auch keine Heerscharen von Menschen ab kommender Woche rauchend vor den Lokalen stehen und Anrainer lärmend um ihren Schlaf bringen, Lokale reihenweise zusperren oder Menschen in ihren Wohnungen vereinsamen, weil das Beisl ums Eck plötzlich eine No-go-Area geworden ist. Vielmehr darf man davon ausgehen, dass es auch hierzulande möglich ist, sich freiwillig und unaufgefordert an Gesetze zu halten. Mehrheitlich. Und unaufgeregt -eben ein gepflegtes "Passt schon!" statt ein jammerndes "Geht nicht!" Der Weltuntergang kann jedenfalls abgesagt werden. Die ganz Mutigen wagen am Tag danach einen Blick nach Schweden. Das Land will bis 2025 rauchfrei sein.