Pop-up und Plitsch-Platsch

Die Grünen haben in Wien ihr bestes Wahlergebnis erreicht. Trotzdem sehen sie nicht wie Sieger aus.

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Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Unweit des Büroturms, in dem die News-Redaktion Woche für Woche dieses Heft produziert, steht ein von der Wien-Wahl übrig gebliebener Plakatständer. Er zeigt die inzwischen abgewählte Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt, Uschi Lichtenegger. Neben ihren Kopf hat jemand das Wort "Parkplatzkiller" geschrieben. Das ist sehr unfair. Der zweite Bezirk, jeder kann gerne herkommen und sich davon überzeugen, verfügt immer noch über sehr viele Parkplätze. Und Frau Lichtenegger hat selbst jüngst im News-Interview sehr einfühlsam Verständnis für all jene geäußert, die ihr Auto gerne direkt vor der Haustür abstellen wollen. Das Graffito (ja, so kann man Schmierereien auf Wahlplakaten nennen, wenn man will) zeigt aber das Dilemma der Wiener Grünen gut auf: Baumpflanzer oder Parkplatzkiller, Popup-Götter oder Gürtelpool-Irre, das Meinungsspektrum innerhalb der Bevölkerung geht so weit auseinander wie die Postleitzahlen der Wiener Bezirke. Denn: Jedem Innenstadt-Bobo sein Bäumchen, aber was ist mit den Leuten, die in den Außenbezirken wohnen wollen (oder müssen, weil eine Familienwohnung im Fünf-Kilometer-Radius rund um den Stephansdom unleistbar ist) und nicht "one-way" eineinhalb Stunden mit der Tramway in die Arbeit zuckeln wollen? Und auch nicht einsehen, warum ihnen beim Nach-Hause-Stauen Fahrspuren weggenommen werden? Mit ihm werde es keine Pop-up-Aktionen geben, bohrte Christoph Wiederkehr von den Neos, Bürgermeister Michael Ludwigs neuer Lieblings-vielleicht-Koalitionspartner, jüngst in grünen Wunden. "Pop-up", das ist das neue Losungswort der Gegner einer Neuauflage der rot-grünen Koalition.

Die Grünen haben in Wien gerade ihr historisch bestes Wahlergebnis erreicht. Trotzdem sehen sie nicht wie Sieger aus. Das liegt vor allem an Bürgermeister Michael Ludwig, der sie nach allen Regeln der Kunst hinhält, ja, sagen wir ruhig: demütigt. Denn eigentlich spricht vieles für eine Fortsetzung von Rot-Grün in Wien, zum Beispiel eh nur der Wählerwille. Es liegt aber auch daran, dass die Grünen ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Eigentlich auf dem Weg zu einer Volkspartei, mit jungen Wählern und Glaubwürdigkeit bei einem (Achtung, mauer Witz) Mörderthema, das noch eine große Rolle spielen wird, weil niemand in einer überhitzten Stadt verdörren will, fiel dieser Wahlkampf eher aktionistisch aus. Pop-up und Plitsch-Platsch. Ratlosigkeit auch bei wohlwollenden Sympathisanten. These: Das Wahlergebnis ist nicht wegen, sondern trotz dieser Strategie so gut ausgefallen.

Bei der Frage, wie staatstragende, verbindende, integrative und bis in die Flächenbezirke wirkende Grüne aussehen könnten, landet man unweigerlich im Bund. Man kann jetzt natürlich höhnisch lachen und den grünen Teil der Bundesregierung für allfällige Probleme in Wien verantwortlich machen. Man kann aber auch anerkennen, dass sich da eine Truppe von Politikerinnen Politikern trotz widriger Umstände und herausfordernden Koalitionspartners um anständige, Verantwortung übernehmende Politik bemüht. Das ist im Land von Günther "kein Behördenversagen" Platter und Sebastian "schnelle Entscheidungen" Kurz, um einen Sidestep zum Bericht der Ischgl- Kommission zu machen, auch keine kleine Sache.

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