General von Kanzlers Gnaden

Die Wahl des ORF-Generaldirektors zeigt eindrucksvoll, wie stark der Einfluss der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist.

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Am Dienstag wird der neue ORF-Generaldirektor gewählt. Wahrscheinlich, weil die ÖVP im Stiftungsrat die Mehrheit hat, ein den Türkisen genehmer. Möglich, dass Sie davon gehört haben. Vielleicht auch nicht. Das Thema ersäuft gerade unauffällig im Sommerloch. Lieber, wenn überhaupt, wird über verbale Provokationen des Kanzlers diskutiert als über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich.

Es ist natürlich eine Strategie, den Ball so flach wie möglich zu halten, und sie geht grandios auf. Alle spielen brav mit. Die regierungstreuen Medien, die auch nicht aufschrien, als der Inseratenboykott gegen News öffentlich wurde, wissen, was sie zu tun haben. Andere versuchen, tapfer gegen das Desinteresse der Öffentlichkeit anzuschreiben. Mutige Stimmen aus dem ORF verhallen kaum gehört. Die Inszenierung darf ungestört über die Bühne gehen: Saturierter SPÖ-naher Amtsinhaber wird von zwei jüngeren, bürgerlichen Kandidaten herausgefordert. Dicke Konzepte liegen auf dem Tisch. Stiftungsräte geben sich öffentlich bedachtsam. Am Schluss wird ganz sicher der Beste gewonnen haben. Zwinkersmiley.

»Es kann einem keiner vorschreiben, so blöd zu sein, für wie man verkauft wird«

Der Einfluss der Politik auf den ORF ist keine Erfindung der ÖVP. Er ist per Gesetz vorgesehen. Anstöße, ihn zu reduzieren, kommen immer nur von Parteien, die gerade nicht davon profitieren. Der ORF ist eines der Tortenstücke, die nach einer Nationalratswahl an die Sieger verteilt werden, egal, welcher Couleur. Die derzeitige Konstellation ist besonders problematisch. Die türkise ÖVP, die Partei der "Message Control", hat schon mehrfach gezeigt, dass sie auf Pluralität und Meinungsvielfalt keinen Wert legt. Höchste Priorität hat die Durchsetzung der eigenen Machtinteressen. Wächst ihr Einfluss auf den ORF weiter, ist das ein Grund zu großer Sorge. Nicht nur für die professionellen Kassandras, die Rufer im Wald und ORF-Besorgten von Berufs wegen (die, wären die politischen Vorzeichen andere, weitaus weniger besorgt wären), sondern für alle Österreicherinnen und Österreicher, denen der ORF angeblich gehört bzw. zu dessen Finanzierung sie zwangsweise per Gebühr beitragen.

Als die türkis-blaue Regierung 2017 an die Macht kam, geriet das Unternehmen unter blauen Dauerbeschuss. Man konnte richtig zuschauen, wie sich die Prämissen änderten. War der ORF vorher zu rot gewesen? Vielleicht. War er nach der Kopfwäsche türkis-blau genug? Schwer zu sagen. Sind diese Kategorien fehl am Platz? Ganz sicher. Es gibt international anerkannte Gütekriterien für Medienunternehmen. Unabhängigkeit und Äquidistanz zu den Mächtigen bilden den Boden, auf dem eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt sicher steht. Nur dann haben auch die "Eigentümer" was davon. Bestmögliche, unzensierte und umfassende Information z. B., die hilft, eigene Lebensentscheidungen besser treffen zu können und das Land im Sinne aller und nicht nur einiger Cliquen weiterzuentwickeln.

Spilled Milk, wie der Brite zu sagen pflegt. Egal, wie es am Dienstag ausgeht, das alte System wird gewonnen haben. Aber das Publikum hat sich erneuert. Es ist heute viel leichter geworden, Inszenierungen zu hinterfragen und Informationsflüsse zu vergleichen. Es kann einem keiner vorschreiben, so blöd zu sein, für wie man verkauft wird.