Ohne Tricks, ohne Frames, ohne Spins

Das aktuelle Politschlammcatchen rund um dem Kanzler verdüstert den Öffnungs-Honeymoon. Wirklich gut steht leider niemand da

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Die letzten öffentlichen Auftritte des Kanzlers dokumentieren einen interessanten Prozess. In dem "ZIB 2"-Interview, dem Kurz sich stellte, gleich nachdem bekannt geworden war, dass die WKStA gegen ihn ermittelt, wirkte er ungewohnt fahrig. Ein paar Tage später brachte das "Ö1-Morgenjournal" einen kleinen, aber aufschlussreichen Versprecher: Er habe, hob Kurz an, sich vor dem Ibiza-U-Ausschuss zu "Vorwürfen" geäußert, korrigierte dann aber rasch in "Themen". Nur nicht an einschlägigem Vokabular anstreifen. Noch einen Tag später, bei der Rede vor dem Parlament, waren Strategie und Erzählung dann klar: der Kanzler als Opfer der hasserfüllt geifernden Opposition, die ihm nach dem politischen Leben trachtet (er sagte das wortwörtlich: "vernichten").

Das Freund-Feind-Schema gehört seit jeher zur türkisen DNA, es überrascht nicht, dass Kurz in der Not darauf zurückgreift. Doch diesmal hat es eine neue Dimension: wir -also die Kurz-ÖVP und das anständige österreichische Wählervolk, gerne auch Stammwähler anderer Parteien -gegen die, nicht nur die Schlammwerfer aus der Opposition (deren Job es im Übrigen ist, die Regierung kritisch zu begleiten), sondern auch die Justiz. Zumindest jene Teile davon, die der ÖVP als nicht unabhängig gelten. Was will der Kanzler eigentlich ausdrücken, wenn er in diesem Zusammenhang betont, die letzten beiden Wahlen gewonnen zu haben? Dass er die nächste auch gewinnen wird, also bloßes Neuwahl-Säbelrasseln? Oder dass ihm aus dieser Tatsache ein besonderer Status erwächst? Und wenn ja, welcher? Die Worte sind sorgfältig gewählt, es bleibt viel offen, wenn der Kanzler spricht. Viel Platz zwischen den Zeilen. Kann vieles, muss nichts so gemeint sein.

Auf der einen Seite im Ring beim frühsommerlichen Politschlammcatchen, das den schönen Öffnungs- Honeymoon, auf den Kurz, Kogler und Co. so lange hingearbeitet hatten, zu verdüstern droht: der Regierungschef, der "Themen" sagt, wenn er "Vorwürfe" meint, und dessen getreue Tourismusministerin den U-Ausschuss für die Löwinger-Bühne hält. Auf der anderen Seite eine Opposition, die es oft an Sachlichkeit missen lässt und genussvoll austeilt, wenn sich irgendwie die Gelegenheit bietet. Und nicht nur FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl, geschasster Ex-Koalitionspartner, der mit Verweis auf Simon Wiesenthal von "Rache und Gerechtigkeit" sprach; Letztere ereile den Kanzler jetzt. Was hat zum Beispiel Kurz' Frisur damit zu tun, die SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer ins Spiel brachte? Und wen sollen die immer leicht verzweifelt klingenden Rufe nach mehr Anstand, Respekt und Moral beeindrucken? Kurz selbst? Kaum. Die Wähler? Auch nicht. Im Gegenteil. Je lauter die unsachlichen Angriffe, desto stärker wird Kurz' Position. Alles Untergriffe, Verleumdungen und persönliche Attacken. Alles nicht ernst zu nehmen.

Kurz hat sicher recht, wenn er darauf hinweist, dass die Österreicherinnen und Österreicher sich jetzt Aufbauarbeit nach der Corona-Pandemie, nicht Streit wünschen. Sie wünschen sich aber auch einen Kanzler, der verbindliche Regeln einhält und einfach sagt, was ist, ohne Tricks, ohne Spielchen, ohne Frames und ohne Spin. Das sagt er nicht dazu.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gasteiger.anna@news.at

Kommentare

Gratuliere! Sehr treffend beschrieben!

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