Gerechtigkeit für Rainhard Fendrich

Vier Lehren aus einem Wahlkampf, in dem von Trump-Effekt bis Eliten-Bashing viel Unreflektiertes behauptet wurde

von Julia Ortner © Bild: News/Ian Ehm

Bei Rainhard Fendrich war die Grenze der Toleranz erreicht. Die spinnen, die Grünen, die gehen mit dem Heimatschlager "I am from Austria" ins Wahlkampffinale, wie passt das zu Alexander Van der Bellen! Manche Journalisten haben es nicht verstanden. Wahlkampf ist die Zeit apodiktischer Behauptungen von Politik-Beobachtern. Für Thesen, die sich am Ende oft als unhaltbar herausstellen. Hier also die Reflexion von vier vor der Wahl weit verbreiteten Thesen - und welche Lehren man daraus ziehen könnte.

These 1: Hans Peter Haselsteiners abgehobene Anti-Öxit-Kampagne schadet Van der Bellen. Ja, es haben sich viele bekannte Menschen für den grünen Ex-Parteichef und gegen den FPÖ-Politiker Norbert Hofer engagiert, doch das Lamentieren über den grünen "Promi-Wahlkampf" war überzogen. Genauso wie die Eliten-Debatte: Ist es strategisch gescheit, wenn man sich, wie Haselsteiner, quasi als Mr. Establishment in die Wahlschlacht gegen Hofer wirft? Warum nicht? Als müsste das Establishment in grundsätzlichen politischen Fragen den Mund halten, nur weil Donald Trumps Sieg eine starke Anti-US-Eliten-Stimmung gezeigt hat. Geschadet hat Haselsteiners Aktion Van der Bellen nicht, auch wenn sie wohl nicht viel genützt haben dürfte - das zeigt etwa die Wahlmotiv-Befragung des Politologen Fritz Plasser nach dem 4. Dezember: Die Anti-Öxit-Position war kein großer Faktor bei Van-der-Bellen-Wählern.

These 2: Im Sog von Donald Trumps Wahlsieg hat ein Rechtspopulist die besseren Chancen. Die Rechtspopulisten sind derzeit auf dem Vormarsch, die große Fluchtbewegung und der Verlust der inneren Sicherheit machen viele Menschen für einfache Botschaften empfänglich. Das heißt aber nicht automatisch, dass jeder Rechtspolitiker Favorit für jedes Amt wäre. Dass die Österreicher sich gerade nach Heinz Fischer eher einen respektablen, älteren Herrn in der Hofburg vorstellen können als einen angriffi gen, NLP-geschulten Populisten, ist keine überraschende Erkenntnis.

These 3: Die Leute interessieren sich nach dem ewigen Wahlkampf nicht mehr für Politik. Keine Rede von wahlmüden Bürgern im vierten Anlauf zur Kür des Bundespräsidenten: Die Wahlbeteiligung war sogar höher als bei der Stichwahl am 22. Mai, in Niederösterreich und Burgenland wählten fast 80 Prozent. Man könnte also aufhören, dauernd über die vermeintliche Politikverdrossenheit zu jammern, und erkennen: Viele sind vom Politikbetrieb frustriert, aber nach wie vor interessiert am politischen Geschehen.

These 4: Die Wählerschaft zerfällt in zwei Lager, in das Establishment und das Volk. Natürlich gibt es auch hierzulande eine Polarisierung, doch die Bruchlinien verlaufen nicht so klar. Der Soziologe Harald Katzmair spricht von einer Asymmetrie in der Gesellschaft, in der Orte des Austauschs fehlen; früher gab es noch Kirchen oder Parteien, wo sich Leute aus allen Schichten getroffen haben. Wer heute nur mit dem Bild "Establishment gegen Volk" argumentiert, verstärkt das klassische Erzählmuster der FPÖ: "Wir gegen die anderen", wobei das blaue "Wir" immer auch für das "Volk" steht. Van der Bellens Zugewinne in ländlichen Regionen zeigen, dass er nicht nur für urbane Eliten wählbar war. Wer etwas gegen die Spaltungstendenzen unternehmen will, könnte allerdings über neue Orte des Austauschs nachdenken. Politikerbesuche in der Obdachloseneinrichtung oder beim Kirchtag sind das nämlich nicht.

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